Communio Sanctorum/Gemeinschaft der Heiligen

Rund um Anglikanertum, Protestantismus und Freikirchenwesen.
Dieter
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Communio Sanctorum/Gemeinschaft der Heiligen

Beitrag von Dieter »

Alle Christen, katholische und evangelische, beten im Glaubensbekenntnis "Ich glaube an die Gemeinschaft der Heiligen".

Bei diesen Heiligen geht es nicht, wie einige meinen, um von der Kirche heilig gesprochene Menschen. "Heilige" werden im Neuen Testament alle genannt, die an Gott bzw Jesus Christus glauben.

Es geht um die EINE Kirche - einerseits die kämpfende Kirche auf Erden, die noch gegen die Sünden kämpfen muss (Ecclesia militans), andererseits die triumpfierende Kirche im Himmel, die alles erreicht hat und direkt bei Gott ist (Ecclesia triumphans). Alle zusammen bilden die EINE Kirche, deren Mitglieder füreinander einstehen.

Katholiken rufen deshalb die Heiligen im Himmel an, damit diese bei Gott für die Menschen in der Kirche auf Erden Fürsprache halten.

Da sich zur Zeit der Reformation viele Mißstände bei der Heiligenverehrung eingeschlichen hatten, hatten die Reformatoren eine scharfe Trennlinie gezogen.
Zur Zeit der Gegenreformation wurden die Gegensätze betont: Gut evangelisch ist nur, wer die Heiligen nicht anruft ("solus Christus"). Auf katholischer Seite wurde im Konzil von Trient die Anrufung der Heiligen bekräftigt.

Heute ist in der evangelischen Kirche fast alles möglich, nur eines ist auch heute noch ein absolutes Tabu: Das Beten eines Ave Marias ("bitte für uns"). Da in der EKD alles möglich ist, ist die Abschottung gegenüber sog. "katholisierenden Tendenzen" eine der wenigen Möglichkeiten, die eigene protestantische Identität zu bewahren und die evangelische Kirche zusammen zu halten.

So ganz ausgeschlossen müsste die Heiligenanrufung aber auch für evangelischen Christen nicht sein. Melanchton räumt in der Apologie zur CA ein, dass nicht nur Engel, sondern auch die Heiligen im Himmel für die Kirche beten. (Apol 21,9) ("ingemein oder in genere").

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Niels
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Re: Communio Sanctorum/Gemeinschaft der Heiligen

Beitrag von Niels »

Es ist, finde ich, ein schönes Zeichen von Demut, die schon vollendeten Gerechten (cf. Hebr 12,23) um Fürsprache zu bitten.

Dieter
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Re: Communio Sanctorum/Gemeinschaft der Heiligen

Beitrag von Dieter »

Frage an die Experten:

Wie ist es in den Gemeinden, in denen die tridentinische Messe (in Latein) gefeiert wird?

Kommt dort die Verehrung der Heiligen stärker zum Ausdruck?

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Maurus
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Re: Communio Sanctorum/Gemeinschaft der Heiligen

Beitrag von Maurus »

Dieter hat geschrieben:Frage an die Experten:

Wie ist es in den Gemeinden, in denen die tridentinische Messe (in Latein) gefeiert wird?

Kommt dort die Verehrung der Heiligen stärker zum Ausdruck?
Keine Ahnung, wie das in der Praxis aussieht, aber nach dem alten Kalendarium gibt es eine größere Zahl von Heiligenfesten, die ein Sonntagsformular verdrängen können. Wer also in einer solchen Kapelle sonntags zur Messe geht, dem wird häufiger mal ein beispielhaftes christliches Leben vor Augen geführt. Eine Motivation der Kalenderreform war es, dass der Jahreskreis nicht mehr dauernd durch allerlei Feste unterbrochen werden sollte, so dass er deutlicher den Gläubigen vor Augen stehe (SC 102-111). Sicher ist es gut gemeint, wenn man darauf achtet, dass die Heiligenfeste nicht die Heilsmysterien und das Herrenjahr völlig überlagern oder ein zu großes Übergewicht erhalten. Aus diesem Grund hat es immer mal wieder Reformen gegeben, bei denen die Festränge der einzelnen Feste "korrigiert" wurden. Bei der Kalenderreform aber hat man diese Motivation überreizt. Nur noch Hochfeste (sowie Feste des Herrn, was sich aus der Absicht ergibt, diese deutlicher hervorzuheben) können einen Sonntag (im Jahreskreis, nicht etwa im Advent oder der österlichen Bußzeit) verdrängen. Es gibt aber, abgesehen vom Kirchen- und Diözesanpatron, nur einige ganz wenige solcher Hochfeste im Jahreskreis, nämlich einige Marienfeste (1.1., 15.8.), Johannes der Täufer, Peter und Paul sowie Allerheiligen. Nur diese Feste können überhaupt an Sonntagen begangen werden. Wer also "nur" sonntags kommt, der erlebt also praktisch keine Heiligenfeste mehr. Damit fällt die Möglichkeit fast völlig weg, am Beispiel eines Heiligen und dessen Leben das Beispielhafte eine christlichen Existenz hervorzuheben. Demgegenüber steht eine Betonung des Kirchenjahres, die aber für den Kirchgänger reichlich artifiziell ist. Es gibt die beiden Festkreise Ostern und Weihnachten (inkl. ihrer Vorbereitungszeiten) und 34. Sonntage im Jahreskreis. Es dominiert grün; ein Sonntag ist wie der andere. Wegen der Leseordnung gibt es auch wenig Wiedererkennungswerte, da die Lesungen nur alle drei Jahre wiederholt werden. Ob das jetzt für die Erfahrung der Heilsmysterien so förderlich ist, das wage ich zu bezweifeln. Hätte man dieses Ziel ernsthaft verfolgt, dann hätte man zuerst mal dafür sorgen können, dass Feste wie Verklärung des Herrn etc. grundsätzlich an Sonntagen nachgefeiert werden müssen, wenn sie auf einen Werktag fallen. Von diesem Heilsmysterium bekommt ein Gläubiger, der nur sonntags kommt uU über ein Jahrzehnt nichts mit.

St. Joseph
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Re: Communio Sanctorum/Gemeinschaft der Heiligen

Beitrag von St. Joseph »

Das kann man so nicht sagen.

In solchen Gemeinden kommt die Heiligenverehrung oder Anrufung sicher zur Geltung. Es ist aber nicht gesagt, dass sie deswegen in üblicherweise landessprachlichen Gemeinden weniger von Bedeutung wäre. Die Gedenktage der Heiligen werden da wie dort gefeiert.

Sicherlich muss man bei Deiner Frage auch zwischen der offiziellen Liturgie und der individuellen Frömmigkeit der Menschen unterscheiden. Ein Heiliger, der mir sehr wichtig ist kann nur wenig bis keine liturgische Verehrung finden und umgekehrt. Und ein Pfarrer kann natürlich auch seine Gemeinde mehr oder weniger in eine solche Richtung lenken. Wo eine traditionelle katholische Frömmigkeit herrscht - gleichgültig in welcher Sprache - dort gibt es auch eine angemessene Heiligenverehrung.

Dschungelboy

Re: Communio Sanctorum/Gemeinschaft der Heiligen

Beitrag von Dschungelboy »

Ich rufe Heilige an, speziell die Gottesmutter, und fühle mich dabei keineswegs evangelischer oder katholischer.

Dass nicht der Heilige etwas bewirkt, sondern der Herr allein, ist ja wohl gesamtkirchlicher Konsens. Ob dies durch Mitbitten der Heiligen oder durch direkte Bitten an den Herrn geschieht, schmälert in meinen Augen die Taten unseres Herrn Jesus Christus in kleinster Weise. Auch wenn ich mich mit meinen Bitten direkt an ihn wenden darf ist es ein Zeichen der Demut und ein Bekenntnis meiner eigenen Niedrigkeit, wenn ich mich der Hilfe eines Heiligen "bediene".

Wenn irgendein Mönch vor 500 Jahren sich für würdig genug empfunden hat, den Herrn direkt auch mit den kleinsten Kleinigkeiten zu belästigen, ist das sein Problem...

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asderrix
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Re: Communio Sanctorum/Gemeinschaft der Heiligen

Beitrag von asderrix »

Dschungelboy hat geschrieben:Wenn irgendein Mönch vor 500 Jahren sich für würdig genug empfunden hat, den Herrn direkt auch mit den kleinsten Kleinigkeiten zu belästigen, ist das sein Problem...
Nein, dann hat er kein Problem und Gott freut sich darüber, vielmehr bewegt dieser Mönch und all die Christen die es genau so sehn, in der Tratition der Gotteskinder des Alte und Neuen Bundes.
Jedes Gedächtnismahl sagt: Das Beste kommt noch!

Mary
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Re: Communio Sanctorum/Gemeinschaft der Heiligen

Beitrag von Mary »

Dieter hat geschrieben:Alle Christen, katholische und evangelische, beten im Glaubensbekenntnis "Ich glaube an die Gemeinschaft der Heiligen".
Nur am Rande:
Die communio sanctorum wurde auch noch in einem ganz anderen Sinn verstanden, nämlich, die Gemeinschaft an den (beiden) heiligen Dingen, Brot und Wein, Leib und Blut Christi.
Dazu folgender Link http://orthpedia.de/index.php/Eucharistie
Who is so great a God as our God? You are the God who does wonders!

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umusungu
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Re: Communio Sanctorum/Gemeinschaft der Heiligen

Beitrag von umusungu »

als Katholik kann ich die Heiligen - bzw bestimmte Heilige - verehren oder auch nicht.
Ich kann sie um Fürbitte anrufen oder auch nicht.

Wenn mir ein Protestant nicht verbietet es zu tun - und ein Katholik nicht fordert es zu tun: wo gibt es ein trennendes Konfesssionsmerkmal?

Dschungelboy

Re: Communio Sanctorum/Gemeinschaft der Heiligen

Beitrag von Dschungelboy »

Dieter hat geschrieben:Heute ist in der evangelischen Kirche fast alles möglich, nur eines ist auch heute noch ein absolutes Tabu: Das Beten eines Ave Marias ("bitte für uns"). Da in der EKD alles möglich ist, ist die Abschottung gegenüber sog. "katholisierenden Tendenzen" eine der wenigen Möglichkeiten, die eigene protestantische Identität zu bewahren und die evangelische Kirche zusammen zu halten.
Was vor allem möglich ist, ist ein heranziehen der Bibel, so wie mir es gerade passt. So wird gerade die Heiligenanrufung mit Verweis auf 1. Tim. 2,5 abgelehnt. Wie steht's nun aber mit 1. Tim. 2,12? :regel: :pfeif: :breitgrins:

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