Protestanten und der Papst

Rund um Anglikanertum, Protestantismus und Freikirchenwesen.
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Janet1983
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Beitrag von Janet1983 »

mitsch hat geschrieben:
Lutheraner hat geschrieben:
Stephen Dedalus hat geschrieben:
Wenn ihr so viel wert darauf legt die sog. Apostolische Sukzession der Urkirche bewahrt zu haben und euch damit u.A. auch auf Irenäus beruft, warum folgt ihr in der Lehre nicht Rom?

Irenäus schreibt: "Mit der römischen Kirche nämlich muss wegen ihres besonderen Vorranges jede Kirche übereinstimmen, d. h. die Gläubigen von allerwärts, denn in ihr ist immer die apostolische Tradition bewahrt von denen, die von allen Seiten kommen."
(aus "Contra Haereses")
Ist diese Frage rhetorisch? Du weißt die Antwort wohl selbst: Weil damals der Bischof von Rom noch keineswegs das war und beanspruchte zu sein, was er Jahrhunderte später beanspruchte.
Da stimme ich dir zu, wir Lutheraner lehnen das Papsttum prinzipiell auch nicht ab. Aber genauso wie du und ich im heutigen Papsttum sehe ich auch in der sog. Apost. Sukzession eine Entwicklung, die nicht mehr auf der Einsetzung Christi beruht.
Ich halte es für offensichtlich, dass die Apostel kein dreistufiges Amt kannten. In der Apostelgeschichte ist nur die einfache Ordination beschrieben. Das ordinierte Amt ist aber eine von Gott eingesetzte Ordnung, wie auch Paulus schreibt:
1. Korinther 12,28: "Und Gott hat in der Gemeinde eingesetzt erstens Apostel, zweitens Propheten, drittens Lehrer, dann Wundertäter, dann Gaben, gesund zu machen, zu helfen, zu leiten und mancherlei Zungenrede."
Könnten sich denn nicht alle Konfessionen wenigstens darauf verständigen, daß der Papst als geistiges Oberhaupt aller Christen spricht - so wird er doch auch allgemein gesehen!

Denn: so wie von uns die wenigsten eine Ahnung von den verschiedenen Strömungen im Islam haben ( Sunniten, Schiiten, Wahabiten usw. ), so wenig haben diese wiederum einen Durchblick über unser Konfessionswirrwarr - wir blicken ja selbst manchmal kaum noch durch...
Wenn also der Papst spricht, so wird er in der Welt als die Stimme der Christen wahrgenommen; insofern eint er uns ja schon alle!

Mitsch
Ich hoffe mal ganz stark, dass das nie offiziell der Fall sein wird.
Der Papst spricht nicht für alle Christen und auch nicht für alle christlichen Kirchen. Und dass es von aussen teilweise anders gesehen wird ist eine Fehlinterpretation.

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Edi
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Beitrag von Edi »

Janet1983 hat geschrieben:Ich hoffe mal ganz stark, dass das nie offiziell der Fall sein wird.Der Papst spricht nicht für alle Christen und auch nicht für alle christlichen Kirchen. Und dass es von aussen teilweise anders gesehen wird ist eine Fehlinterpretation.
Gewiss spricht der Papst derzeit nicht für alle Christen und doch kenne ich auch solche aus Freikirchen, die ihn wertschätzen und vor allem die klare Linie der kath. Kirche in ethischen Fragen schätzen, zumal man von der ev. Kirche heute in Fragen christlicher Ethik nicht mehr allzuviel erwarten kann.

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Janet1983
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Beitrag von Janet1983 »

Edi hat geschrieben:
Janet1983 hat geschrieben:Ich hoffe mal ganz stark, dass das nie offiziell der Fall sein wird.Der Papst spricht nicht für alle Christen und auch nicht für alle christlichen Kirchen. Und dass es von aussen teilweise anders gesehen wird ist eine Fehlinterpretation.
Gewiss spricht der Papst derzeit nicht für alle Christen und doch kenne ich auch solche aus Freikirchen, die ihn wertschätzen und vor allem die klare Linie der kath. Kirche in ethischen Fragen schätzen, zumal man von der ev. Kirche heute in Fragen christlicher Ethik nicht mehr allzuviel erwarten kann.
Schätzen und anerkennen sind 2 verschiedene Dinge. Dass seine klare Linie manchmal richtig gut ist, das bezweifle ich auch gar nicht, aber es gibt Dinge, die ich garantiert nicht unterschreibe.

Allons
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Beitrag von Allons »

mitsch hat geschrieben:[Könnten sich denn nicht alle Konfessionen wenigstens darauf verständigen, daß der Papst als geistiges Oberhaupt aller Christen spricht - so wird er doch auch allgemein gesehen!

Wenn also der Papst spricht, so wird er in der Welt als die Stimme der Christen wahrgenommen; insofern eint er uns ja schon alle!

Mitsch
Ein Angebot zur Güte:,

Ich bin grundsätzlich bereit den Papst als meinen Repräsentant im Glauben anzuerkennen wenn mitsch im Gegenzug bereit ist Frau Merkel als (unfehlbare) Stellvertreterin seiner politischen Ansichten anzuerkennen. Über das unfehlbar können wir nach seinem Anerkenntnis GERNE diskutieren.

;D

Gruß, Allons!

hanna
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Beitrag von hanna »

In diesem Jahr war ich mit einer Delegation unseres Kirchenkreises in Rom. Mein Eindruck von dort ist verheerend.
Mehr als der Papstkult (den ich für geradezu unkatholisch halte) stört mich die Geschichtsklitterung, die dort bezüglich der ersten christlichen Jahrhunderte betrieben wird.

Es werden "Fakten" inszeniert, die der einfache Pilger glauben soll. Aber wer sich der Archäologie bedient, muss auch die Methoden der Archäologie akzeptieren. Archäologie produziert Ausgrabungsstätten, keine Kultstätten.

So hatte der Protestantismus früher mal Schwierigkeiten, die Geschichtlichkeit der Bibel ernstzunehmen und hat Archäologie lange unter dem Vorzeichen "Die Bibel hat doch recht!" getrieben - und soundso viele Fundstätten damit zerstört. Nur sind die großen protestantischen Kirchen hier in der Realität angekommen (was nicht für alle ihre Gläubigen gilt). In Rom ist die fundamentalistische Archäologie, bezogen nicht auf die Bibel sondern auf die Kirchenhistorie, ganz oben angebunden.

Bevor die ev. Kirchen irgendeinen Petrusdienst zu akzeptieren auch nur in Erwägung ziehen, sollte der römische Katholizismus historisch-kritisch seine Hausaufgaben machen und ein Bild seiner eigenen stadtrömischen Geschichte entwerfen, das dem heutigen Wissen entspricht. Es spricht Bände, dass die einzige instruktive Ausstellung zu diesem Thema in Rom ein kommunales Projekt ist: die Crypta Balbi.

PS. es ist ja eine skurrile Idee, aber irgendwie auch herrlich lutherisch, dass man in Wittenberg mit Blick auf Luthers frisch ausgegrabene Toilette neuerdings sein Eis essen und Katharina-von-Bora-Schokolade trinken kann :mrgreen:

sofaklecks
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Papstkult

Beitrag von sofaklecks »

Ach Hanna,

ich bin ein begeisterter Anhänger des Papstkultes.

Nicht, weil der so katholisch ist.

Nein, weil der jetzige Papst etwas ist, was so gut wie ausgestorben ist.

Ein Mann.

sofaklecks

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

hanna hat geschrieben:Es werden "Fakten" inszeniert, die der einfache Pilger glauben soll.
Du stellst hier dreist eine pauschale Behauptung auf, welche der ein-
fache Leser glauben soll. Du denkst nicht im Traum daran, wenig-
stens ein paar Beispiele zu bringen; von Belegen gar nicht zu reden.

Wenn du nicht für eine Lügnerin oder Blenderin gehalten werden
willst, mußt du beides nachliefern: Beispiele und Belege.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Allons
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Re: Papstkult

Beitrag von Allons »

sofaklecks hat geschrieben:Ach Hanna,

ich bin ein begeisterter Anhänger des Papstkultes. Nicht, weil der so katholisch ist. Nein, weil der jetzige Papst etwas ist, was so gut wie ausgestorben ist. Ein Mann. sofaklecks
Ja, und das finde ich im Kontext des ganzen Vatikans so herrlich unkonventionell. :freude:

Beschten Gruß, Allons!

ad_hoc
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Beitrag von ad_hoc »

Hanna hat geschrieben:
In diesem Jahr war ich mit einer Delegation unseres Kirchenkreises in Rom. Mein Eindruck von dort ist verheerend.
Mehr als der Papstkult (den ich für geradezu unkatholisch halte) stört mich die Geschichtsklitterung, die dort bezüglich der ersten christlichen Jahrhunderte betrieben wird.
Und das alles hast Du dort erkannt, innerhalb wie vieler Stunden oder evtl. sogar Tage?
Ich sage es mal hier in aller Deutlichkeit: Jemand, der derart unbeherrscht und unter Außerachtlassung jeglichen Respekts seinen Gefühlen und Stimmungen (nicht seinen Erkenntnissen, die existieren ganz gewiß nicht!), freien Auslauf gewährt, will etwas ganz anderes deutlich machen.

Wo genau ist Dein eigentliches Problem?

Gruß, ad_hoc
quidquid cognoscitur, ad modum cognoscentis cognoscitur (n. Thomas v. Aquin)

Allons
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Beitrag von Allons »

ad_hoc hat geschrieben: Und das alles hast Du dort erkannt, innerhalb wie vieler Stunden oder evtl. sogar Tage? Gruß, ad_hoc
Tja mein Lieber, wo der Hl. Geist wirkt geht alles etwas schneller. :mrgreen:

Nun hackt doch nicht alle auf Hanna rum, seid lieber froh, das dieser thread wieder beatmet wird. Um nicht endgültig OT zu werden: Spe salvi fand ich ausgesprochen bereichernd, ich hoffe sehr, dass auch reichlich Protestanten sich davon bewegen lassen.

Besten Gruß und Hurra ins neue Kirchenjahr.

Allons!

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Walter
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Beitrag von Walter »

hanna hat geschrieben:In diesem Jahr war ich mit einer Delegation unseres Kirchenkreises in Rom. Mein Eindruck von dort ist verheerend.
Mehr als der Papstkult (den ich für geradezu unkatholisch halte) stört mich die Geschichtsklitterung, die dort bezüglich der ersten christlichen Jahrhunderte betrieben wird.

Es werden "Fakten" inszeniert, die der einfache Pilger glauben soll. Aber wer sich der Archäologie bedient, muss auch die Methoden der Archäologie akzeptieren. Archäologie produziert Ausgrabungsstätten, keine Kultstätten.

So hatte der Protestantismus früher mal Schwierigkeiten, die Geschichtlichkeit der Bibel ernstzunehmen und hat Archäologie lange unter dem Vorzeichen "Die Bibel hat doch recht!" getrieben - und soundso viele Fundstätten damit zerstört. Nur sind die großen protestantischen Kirchen hier in der Realität angekommen (was nicht für alle ihre Gläubigen gilt). In Rom ist die fundamentalistische Archäologie, bezogen nicht auf die Bibel sondern auf die Kirchenhistorie, ganz oben angebunden.
Ich war noch nie in Rom, und kenne es daher in erster Linie aus acht Jahren Lateinunterricht in der Schule (in Geschichte kam es auch zweimal dran) und aus dem Fernsehen. So glaube ich, dass Rom heute noch/wieder mindestens genauso stolz auf seine tausendjährige heidnische Geschichte ist wie auf die inzwischen doppelt so alte christliche Kultur dort. M.E. wäre es daher naiv zu glauben, dass beides vollkommen unabhängig von einander ist (nicht nur wegen der zeitlichen Überschneidung).

Verglichen z.B. mit den sicher nicht völlig aus der Luft gegriffenen Darstellungen im Luther-Film geht es doch heute dort eher "ruhig" zu.

Ich glaube, den von Protestanten generell so abgelehnten Papst-Kult kann man besser verstehen, wenn man sich zum Vergleich die Kulturgeschichte des oströmischen Kaisertums ansieht.

Passend zum Thema gibt es heute um 15:45 Uhr auf 3sat eine Wiederholung des Films "Der Glanz von Konstantinopel" (siehe auch hier).

3sat hat geschrieben:Der Glanz von Konstantinopel

Zweiteiliger Film von Dieter Sauter
1. Die Königin der Städte
(aus der ARD-Reihe "Skizzen aus dem Orient")
(Erstsendung 2.11.2005)

Das Gold und der Purpur, die Macht und der Prunk von Byzanz haben die Menschen des Mittelalters im Westen wie im Osten fasziniert. Mehr als elf Jahrhunderte hat das Reich überdauert. Konstantinopel war die einzige Metropole der Christenheit des Mittelalters, die Hauptstadt der europäischen Kultur. Das heutige Istanbul ist noch immer der Sitz des "Papstes" der orthodoxen Christen.
Der Film stellt das alte und das neue Istanbul vor.

Am Montag, 10. Dezember, zeigt 3satum 15.45 Uhr den zweiten Teil von "Der Glanz von Konstantinopel".
Sicher kann man in Istanbul (auch der Name kommt aus dem Griechischen), das immerhin auch unter osmanischer Herrschaft noch fast 500 Jahre (bis 1930) offiziell Konstantinopel hieß, nicht von einer christlich-fundamentalen Archäologie sprechen. Eher behindert der Islam den Erhalt der noch verbliebenen Schätze aus 1100 Jahren christlichem Kaisertum.

PS: Der Satz "Das heutige Istanbul ist noch immer der Sitz des 'Papstes' der orthodoxen Christen." ist natürlich Unsinn. Denn das Ökumenische Patriarch selbst lag auch schon vor der Eroberung durch die Türken eher bescheiden ganz am entgegengesetzten Stadtrand vom Kaiserpalast und der Hagia Sophia. Im Film wird ganz klar, dass sich aber andersherum, der Papst in Rom nach dem raschen Ende der weströmischen Kaiser versuchte, den Prunk des byzantinischen Kaisertums so weit es mit seinen beschränkteren Mitteln nachzueifern.
γενηθήτω το θέλημά σου·

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Lutheraner
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Beitrag von Lutheraner »

Janet1983 hat geschrieben:
Edi hat geschrieben:
Janet1983 hat geschrieben:Ich hoffe mal ganz stark, dass das nie offiziell der Fall sein wird.Der Papst spricht nicht für alle Christen und auch nicht für alle christlichen Kirchen. Und dass es von aussen teilweise anders gesehen wird ist eine Fehlinterpretation.
Gewiss spricht der Papst derzeit nicht für alle Christen und doch kenne ich auch solche aus Freikirchen, die ihn wertschätzen und vor allem die klare Linie der kath. Kirche in ethischen Fragen schätzen, zumal man von der ev. Kirche heute in Fragen christlicher Ethik nicht mehr allzuviel erwarten kann.
Schätzen und anerkennen sind 2 verschiedene Dinge. Dass seine klare Linie manchmal richtig gut ist, das bezweifle ich auch gar nicht, aber es gibt Dinge, die ich garantiert nicht unterschreibe.
Das Papstamt an sich bewirkt auch nichts. In Deutschland gibt es in der Kath. Kirche eine Glaubensvielfalt, die die der evang. Landeskirchen weit zu übersteigen scheint. Es ist für mich nicht ersichtlich, was ein Papst bringt, außer ein Gefühl der Glaubenseinheit, das aber nicht der Realität entspricht.

hanna
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Beitrag von hanna »

So hier ist eine Rückmeldung von der Lügnerin und Blenderin.
Nein, im Ernst. Ich hatte gehofft, mit meiner These auch Widerspruch anzuregen. Ich bin jemand, der einen Studienschwerpunkt Archäologie/biblische Archäologie hatte, nicht in Rom, aber in Israel. In einem Forum kann ich aber keinen Riesen-Essay leisten, dafür habe ich die Zeit nicht und das will auch keiner lesen, denk ich mal.

Grundsätzlich: Archäologie wertet Bodenfunde aus. Archäologie hat die Befunde dann in ihrer Widersprüchlichkeit (!!) der Öffentlichkeit darzubieten, und sie hält sich daher (als Wissenschaft!) dafür offen, dass neue Erkenntnisse ihre Rekonstruktion der Vergangenheit auch widerlegen können. Das Fatale ist, dass Archäologie, indem sie aufdeckt, auch unwiderruflich in das Bodenarchiv eingreift, die Befunde verändert und zerstört. Darum kann die Öffentlichkeit bei tendenziösen und inkompetenten Grabungen wo und von wem auch immer nicht einfach sagen: och ja, lass die mal machen. Sondern es wird dann ein Stück unserer (unser aller) Vergangenheit kaputt gemacht, oft ohne Chance, das rückgängig zu machen. Daher mein Ärger.

Natürlich sind archäologische Forschungen an religiös bedeutsamen Orten (oder an geschichtlich aufgeladenen Orten, wie Konstantinopel) eine heikle Sache, man muss sich nur anschauen was Israel in der Jerusalemer Altstadt so ergräbt.
Und es ist nochmal heikler, wie die Ergebnisse dann präsentiert werden.

Auch wenn die Grabungen unter dem Petersdom besser gewesen wären als sie es waren, ist es ein Unding, wie diese heute der Menschheit präsentiert werden.
Der Ausgrabungsbereich ist Grablege viel späterer Päpste, soll ein Andachtsraum sein, gleichzeitig hängen aber auch jede Menge frühchristliche oder spätantike Spolien unkommentiert an der Wand (also ohne dass jemand Rechenschaft gibt: was ist das überhaupt, hat man das hier gefunden oder woanders, in welchen Kontext gehören die Fragmente?), und auf dem Hin- und Rückweg passiert man die Modelle des Ausgräbers, wie nach seiner Rekonstruktion der Bereich in der Römischen Kaiserzeit ausgesehen hat. Hier werden die Renaissance- oder Barockgrablegen späterer Päpste suggestiv mit Resten aus der (Spät)Antike zusammengemixt, und es wird suggeriert: wie später, so von Anfang an. Aber das ist ja eben die Frage!

Es ist ein Ding, am Grab verehrter Päpste andächtig zu beten oder als Katholik sozusagen die Mitte der eigenen Welt ehrfürchtig zu berühren (was ich nicht in Frage stelle) und eine ganz andere Sache, an einer Ausgrabungsstätte nachvollziehen: überzeugt mich die Arbeit des Archäologen, oder wo sind die Schwachpunkte? Im einen Fall gehe ich dorthin in einer Haltung der Pietät, im anderen Fall gehts aber nicht um Pietät, sondern um mehr oder weniger gute Hypothesen. Und (wieder aus fachlicher Sicht) da ist es schon mal nicht so vertrauenerweckend, wenn aus dem Kontext isolierte Zitate antiker Autoren mit dem, was da im Boden gefunden wurde, einfach zusammengerührt wird zu einem schönen "Gemälde", wie es wirklich war.

Sondern da laufen bezogen auf die Textquellen, wenn man sie schon dazunimmt, ein paar Kontrollüberlegungen ab:
- wie vertrauenswürdig ist der antike Gewährsmann?
- war er Augenzeuge des Berichteten?
- Wozu berichtet er das, was ist die Absicht? (Kontext)
- Woher hat er die Details?
Wenn ich mehrere antike Quellen kombiniere, habe ich auch die Unterschiede der verschiedenen Darstellungen nicht einfach einzuebnen. Wenn mein antiker Gewährsmann sich in anderer Beziehung schon mal als nicht zuverlässig erwiesen hat, dann diskreditiert das nicht sofort seinen Bericht, aber es ist ein Gesichtspunkt, den ich mit einbeziehen muss.
(Diese Arbeit an den Quellen, und die Diskussion der Funde am Petersgrab, kann ich euch gern mal en detail hier anbieten, wenn das Interesse da ist, sich sachlich mit dem Thema zu befassen und nicht nur ein paar Pennälersprüche loszulassen.)

Die ganzen fakes, die im Dunstkreis der biblischen Archäologie schon enttarnt worden sind (ich sage nur: Jakobus-Ossuar. Granatapfel vom 2. Tempel) sollten jeden von uns sehr - sehr - sehr misstrauisch machen, wenn archäologische Funde Grundlagen einer Glaubensgemeinschaft "beweisen" sollen. Nicht weil immer gleich harter Betrug dahinterstecken müsste, sondern weil so etwas stark im Verdacht steht, interessegeleitet zu sein. Und folglich irgendwelchen, sagen wir: Graffitis (denn die sind so wunderbar vieldeutig und zeitlich schwer fassbar) einen Beweiswert zu geben, den diese nicht tragen können.

Hier ganz kurz mal San Paolo, quasi ein Lehrstück, mit welch geschliffenen Formulierungen da gearbeitet wird.
Die Ausgrabungen haben ergeben, dass auf dem Bodenniveau der Basilika ein Sarkophag steht, den der Vatikan wie bekannt nicht hat öffnen lassen. Der Ausgräber geht nun mit dem Satz an die Öffentlichkeit, hier seien "von Anfang an" die Gebeine des Paulus gewesen.
Was versteht man unter "von Anfang an"?
Der Uneingeweihte glaubt: seit der Paulus tot ist. Wow. Das Grab des Paulus.
Wer sich mit der Materie etwas auskennt, sieht natürlich: "von Anfang an" kann nur das Bodenniveau der Basilika meinen, denn dahinter kommt die Archäologie ja gar nicht zurück. Und die Basilika ist von wann? na? schaut mal in eure Reiseführer.

Noch mal zur Dauer des Aufenthalts. Beim Aufenthalt an einer Grabungsstätte gehts nicht darum, dass ich mir da mein Bett aufstelle und mich da ansiedle. Sondern darum dass ich vor Ort nachvollziehe, was ich vorher gelesen habe. Dazu reichen ein paar Sunden. Denn normalerweise komme ich an die meisten Befunde im Boden Jahre nach der Ausgrabung gar nicht mehr heran, weil es sie schon nicht mehr gibt - nur in der Literatur. Also in erster Linie schaue ich mir an, wie wird das Gefundene für eine größere Öffentlichkeit aufbereitet. Wer meint, dass er um ein Urteil zu fällen ein paar Jahre in Rom wohnen müsste, darf sich auch fragen: Okay, du wohnst nebenan. Okay, du gehst jeden Tag einmal durch die Ausgrabung. So what? Verstehst du irgendetwas jetzt besser dadurch dass du kiloweise Pasta gegessen hast?

sofaklecks
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The body

Beitrag von sofaklecks »

Tja Hanna,

wenn du provozierst, musst du das Echo vertragen.

Zu der Qualität von Ausgrabungen oder Cicerones erlaube ich mir kein Urteil.

Aber dein Beitrag hat mich (angenehm) an einen meiner Leibligsfilme erinnert. "The body". In ihm entdeckt eine israelische Archäologin ein Grab mit den sterblichen Überresten eines Gekreuzigten aus dem ersten Jahrhundert. Der Vatikan schickt einen Jesuitenpater mit dem Auftrag, irgendwie zu beweisen, dass es sich keinesfalls um das Grab Jesu handelt. Natürlich deuten alle Indizien genau darauf hin. Der Pater ist kein Archäologe und argumentiert mit dem Turiner Grabtuch. Und was er dann von ihr zu hören kriegt, das liegt in etwa auf deiner Linie.

Du hättest es allen Beteilgten leichter gemacht, wenn du nicht das Wort "Papstkult" gebraucht hättest. Respekt jemandem gegenüber ist kein Kult, vor allem dann nicht, wenn er ihn verdient, weil er eine natürliche Autorität hat. Das heisst nicht, dass er keine Fehler macht. Im Gegenteil, jemand der keine Fehler macht, hat selten Autorität, weil er sich in Unverbindlichkeiten gefällt.

Aber Benedikt hat eine natürliche Autorität, die aus einem unverkrampften Vorleben dessen resultiert, was er sich als eigenen Standpunkt gründlich errbeitet hat.

Und das findest du heute selten.

sofaklecks

hanna
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Beitrag von hanna »

So, hier noch ein paar Infos nachgeliefert zum Petersdom und den dortigen Ausgrabungen.
Sie wurden 1950 abgeschlossen, und sie waren dezidiert als Suche nach dem Petrusgrab angelegt, nicht etwa eine einfache Bestandsaufnahme, was haben wir hier alles im Boden. Aber wer suchet, der findet.

Der ganze Vatikan ist bis in die Spätantike eine ausgedehnte heidnische Nekropole mit einzelnen (sicher) christlichen Gräbern gewesen.
Unter dem Petersdom fanden die Archäologen an der Stelle, die seit Kaiser Konstantin für den Ort des Petrusgrabes gehalten wurde, ein Durcheinander relativ schlichter Gräber, die von einer Mauer durchschnitten und dabei z.T. beschädigt wurden (die sog. Rote Mauer). An einer Stelle gibt es in der Mauer eine kleine Nische, darunter befindet sich die vordere Hälfte eines der von der Mauer überbauten Gräber. Hier wurde vor die Mauer ein kleines Bauwerk gesetzt mit 2 Säulchen und einem Vordach. Der Boden und d.h. das halbe Grab wurden mit Platten belegt. Die Mauer selbst wird auf 150-160 n.Chr. datiert, der kleine Vorbau (von den Ausgräbern "Tropaion des Gaius" getauft) dann entsprechend später.
Das ist alles.

Wie kommt man dazu, das Bauwerk mit den Säulchen als "Tropaion des Gaius" zu identifizieren? An dieser Identifikation hängt die ganze Theorie!

Das ist nun ein sehr typischer Zug von Archäologie dieses Stils. Man findet bei dem Kirchenhistoriker Eusebius ein Zitat, das dieser einem Werk zuschreibt, von dem er (Eusebius) meint, dass es von einem Presbyter Gaius im 2. Jh (also etwa zeitgleich mit der Mauer!) verfasst sei, folgende Bemerkung: er, Gaius, könne dem Besucher die "tropaia" der Apostel zeigen, diese befänden sich auf der Straße nach Ostia und auf dem Vatikan.
"tropaion" = Siegeszeichen.
Im Sinne des Eusebius besagt das, dass die beiden Apostel auf dem Vatikan respektive an der Straße nach Ostia den Märtyrertod gestorben sind. Eusebius gehört der Ära Konstantins an, wo in großem Stil heilige Stätten identifiziert werden.

Wir Heutigen können erstmal nur sagen, dass es unmöglich ist, aus einem Schnipsel aus einem verschollenen Werk zu schließen, ob Eusebius`Datierung der Schrift ins 2 Jh stimmt und ob der Verfasser wirklich der war, für den er sich ausgab. Das ist bekanntlich bei antiken Autoren auch nicht immer der Fall.

Auch wenn das alles so richtig wäre, bleibt aber immer noch der logische Sprung, aus dem "Siegeszeichen" (tropaion) ein Gebäude mit Säulchen zu machen und es just mit dem am der Roten Mauer zu identifizieren. Zwingend ist das m.E. keineswegs, und indem man die Rekonstruktion schlankweg als "Tropaium des Gaius" tituliert, behauptet man Sicherheit für etwas, das zunächst mal eine Hypothese ist.

Wir können nämlich auch Gegenfragen stellen. Warum durchschneidet die Rote Mauer das Grab, wenn hier damals schon der Apostel verehrt wurde? Die Einbuchtung ("Nische") ändert daran nämlich nichts, dass fortan nur noch eine Hälfte des Grabes da war. Laut Theorie diente die Mauer dem Schutz des Grabes (war also von einem christlichen Bauherrn veranlasst), sie musste aber wegen Feuchtigkeitsschäden sehr bald wieder instandgesetzt werden - wobei die dann nötigen Umbauten die Ästhetik des so genannten Tropaion beeinträchtigten. Darauf nahm man dann offenbar keine Rücksicht.

Wir müssen aber weiterfragen, was wir von der Gaius-Tradition zu halten haben. Eusebius war ein großer Zitatensammler, was einerseits schön ist, weil er vieles zitiert, was ohne ihn ganz weg wäre. Andererseits ist er keineswegs unfehlbar,
a) weil er als Kind seiner Zeit selbst stark an der Auffindung heiliger Stätten interessiert und insofern nicht "neutral" ist;
b) gibt es etliche Zitate bei Eusebius, von denen heute kein Mensch meint, dass sie verlässliche Nachrichten aus der Urkirche enthalten.
Wir fragen also, was christliche Autoren des 1./2. Jhs zu einem möglichen Tod des Petrus auf dem Vatikan zu sagen haben. Wir werden sehen, dass damit jeweils auch die Paulus - Martyriums - Tradition mit hineinkommt. Ein andermal mehr darüber!

hanna
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Beitrag von hanna »

Zum Papstkult das folgende an sofaklecks.
ich bin Lutheranerin, und mir ist die römisch-katholische Kirche sehr lieb - ich meine das überhaupt nicht ironisch. Insofern sehe ich das mit jenem bösen Wort Bezeichnete selbst sehr ungern:
was bedeutet es denn für einen Intellektuellen wie den jetzigen Papst, wie ein Popstar gefeiert zu werden?

Was ist für dich "natürliche Autorität"?
Frau Merkel ist das beste Beispiel dafür, dass Menschen an Schönheit und Würde gewinnen je höher sie steigen. Auf einmal sind sie so unverkrampft, und lächeln so gelöst. Oder haben sie dann einfach einen besseren Friseur und Maskenbildner?

Petrusdienst heißt ja Lehramt, heißt ja, dass der Inhaber des Amtes der Christenheit etwas relevantes zu sagen hat. Und in dieser Atmosphäre kann er sagen und verlautbaren was er will, seine Fans interessieren sich schlicht nicht dafür (die Italiener feiern ihn, haben aber eine Geburtenrate ähnlich der deutschen, was heißt das denn in diesem katholischen Land?).

Bei uns war der Titel des WJT "Wir sind gekommen ihn anzubeten" in seiner Doppeldeutigkeit schon ein Bonmot. Nachdem wir nun nochmal hören durften, dass wir keine "Kirche im eigentlichen Sinn" seien, ist mein Interesse an einer Schrift über Hoffnung oder einem Buch über Jesus gegen null. Hier drückt sich für mich, entschuldige das böse Wort, ein ekklesiologischer Autismus aus, der außer seiner eigenen interessanten Innenwelt seinen Gegenüber gar nicht mehr in den Blick bekommt.

sofaklecks
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Wenn

Beitrag von sofaklecks »

@Hanna

Ich weiss nicht, wie Papst Benedikt sich fühlt, wenn die Leute "Benedetto" rufen. Das musst du ihn selbst fragen.

Ich kann nur Situationen beurteilen, die ich am Fernsehen mitverfolge. Und da stelle ich eine ganz natürlich liebenswerte Form von ehrlichen Komplimenten fest, die ihn liebenswert macht. Etwa, wenn er bei der Begrüssungsansprache als Bischof von Rom feststellt, wir Katholiken seien eigentlich alle Römer. Sofortiger spontaner Beifall, weil das aus seinem Mund eben kein dummes Anschleimen, sondern ein ehrliches Kompliment an die Stadt und ihre Bewohner war.

Natürliche Autorität hat jemand, dessen Wissen, Erfahrung und Ehrlichkeit seinen Worten und seinem Tun alleine das Gewicht verleihen, zu dem andere auf ihr Amt verweisen müssen. Ob Frau Merkel das hat, will ich hier nicht diskutieren, das wäre zu sehr off topic. Weizsäcker wäre da für mich ein besseres Beispiel.

Trotzdem hätte ich nicht geglaubt, dass er gewählt würde. Die Dame meines Herzens schon. "Wer sollte ihm denn das Wasser reichen?" war ihr kurze Begründung. Wobei mir schon bei seiner Berufung nach München eine kluge Dame prophezeit hat, sie wisse zwar nicht, was man in meinem komischen Verein alles werden könne, aber eines stehe fest, der werde es. Aber das hab ich schon mal erzählt.

sofaklecks

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Clemens
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Beitrag von Clemens »

Walter hat geschrieben:Sicher kann man in Istanbul (auch der Name kommt aus dem Griechischen), das immerhin auch unter osmanischer Herrschaft noch fast 500 Jahre (bis 1930) offiziell Konstantinopel hieß, nicht von einer christlich-fundamentalen Archäologie sprechen.[/color]
Das Wort Istanbul kommt übrigens keineswegs aus dem Griechischen, ist auch nicht von Konstantinopel abgeleitet, sondern von einem türkischen Wort, das bedeutet: "Die Stadt".

MfG
Clemens

sofaklecks
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Na Siehste

Beitrag von sofaklecks »

Na siehste,

ich dachte bisher, es sei eine türkische Verballhornung eines griechischen Ausdrucks. Nämlich:

Bei Istanbul handelt es sich möglicherweise um die türkische Abwandlung des griechischen εἰς τὴν πόλιν („in die Stadt“) (Wikipedia).

Tja, es geht doch nichts über exakte Wissenschaften wie etwa Geschichte oder Archäologie.

sofaklecks

sofaklecks
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Autismus

Beitrag von sofaklecks »

@Hanna

Hm, spitzzüngige Lutheranerin,

wenn jemand ein Buch von einem anderen nur deshalb nicht liest, weil er mit dessen Amt oder Amtsführung nicht einverstanden ist und obwohl er ihn als Intellektuellen bezeichnet, neigt der da nicht zu einem gewissen weltanschaulichen Autismus? Sagt da gerade ein Esel zum anderen Langohr? Oder Grautier?

Gehe ich recht in der Annahme, dass du gar niemals nicht den Camino nach Santiago gehen würdest, weil man doch, um den Wittenberger Reformator zu zitieren, nicht weiss, ob dort tatsächlich der heilige Jakobus oder ein Hund oder Pferd begraben liegt? Ich meine, mal ganz abgesehen von dem derzeitigen Rummel um diesen Weg?

Was ich damit sagen will: Man darf sich durch die Archäologie nicht den Weg zu einer Erkenntnis versperren lassen. Der Weg nach Santiago oder nach Rom führt (hoffentlich) manchen zu besseren Einsichten. Die Gräber der Apostel sind der Anstoss, sich auf den Weg zu machen, aber nicht das Grab verändert, sondern der Weg dahin.

Weisst du, manchmal hab ich so den Eindruck, manche Protestanten sind deshalb so gegen den Papst und das Papsttum, weil man gegen den jetzigen Papst so herzlich wenig protestieren kann. Der macht einem das Protestant sein einfach schwer und das kann man ihm wirklich schon übelnehmen. Und da kommt einem dann so eine Wiederholung eines altbekannten Grundsatzes wie dem von der Einzigartigkeit der katholischen Kirche grad recht.

sofaklecks

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Walter
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Beitrag von Walter »

Clemens hat geschrieben:
Walter hat geschrieben:Sicher kann man in Istanbul (auch der Name kommt aus dem Griechischen), das immerhin auch unter osmanischer Herrschaft noch fast 500 Jahre (bis 1930) offiziell Konstantinopel hieß, nicht von einer christlich-fundamentalen Archäologie sprechen.
Das Wort Istanbul kommt übrigens keineswegs aus dem Griechischen, ist auch nicht von Konstantinopel abgeleitet, sondern von einem türkischen Wort, das bedeutet: "Die Stadt".

MfG
Clemens
Da irrst du, Clemens. Das türkische Wort für Stadt ist şehir. Wie Sofaklecks schon schrieb kommt Istanbul (bzw. Stambul) vom griechischen εἰς τὴν πόλιν (verkürzt στὴν πόλιν) was beides »in die Stadt« bedeutet.

Das kannst du sogar im türkischen Wikipedia unter İstanbul (şehir) nachlesen.
;D
γενηθήτω το θέλημά σου·

John Grantham
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Beitrag von John Grantham »

Walter hat geschrieben:Das kannst du sogar im türkischen Wikipedia unter İstanbul (şehir) nachlesen. ;D
Dat kannsu im vollkrassn geilen Wiggipädja gucken Aller, weissu?

(OK, vielleicht ein bissn zuviel Erkan und Stefan gehört.)

Cheers,

John
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Allons
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Re: Autismus

Beitrag von Allons »

Text nach posting von marcus gelöscht.
Zuletzt geändert von Allons am Dienstag 4. Dezember 2007, 18:06, insgesamt 1-mal geändert.

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Marcus
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Beitrag von Marcus »

Hanna hat geschrieben:Nachdem wir nun nochmal hören durften, dass wir keine "Kirche im eigentlichen Sinn" seien, ist mein Interesse an einer Schrift über Hoffnung oder einem Buch über Jesus gegen null. Hier drückt sich für mich, entschuldige das böse Wort, ein ekklesiologischer Autismus aus, der außer seiner eigenen interessanten Innenwelt seinen Gegenüber gar nicht mehr in den Blick bekommt

Liebe Hanna,

ich glaube daran, dass es eine einzige von Jesus Christus gestiftete Kirche gibt, die ich auch gerne eine heilige katholische und apostolische Kirche nenne. Dieser Kirche gehören sämtliche Menschen an, die getauft sind und an Jesus Christus glauben (Abgefallene sehe ich als tote Glieder des Leibes Christi an). Sichtbar vorzufinden ist die Kirche Jesu Christi allerdings nur da, wo das Evangelium rein gepredigt wird, also dass der Mensch allein durch Gnade aufgrund seines Glaubens an Jesus Christus gerechtfertigt ist, was wiederum die Schrift klar bezeugt und die Sakramente gemäß der Einsetzung verwaltet werden, also Abendmahl mit Brot (bzw. Oblaten aus ungesäuertem Weizenmehl) und Wein gefeiert wird, das Sakrament in beiderlei Gestalt den Gläubigen gereicht und mit Wasser auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes getauft wird. Selbstverständlich gibt es auch außerhalb der sichtbaren Kirche Christ genügend vorbildliche Christen.

Warum soll man sich als Lutheraner also daran aufregen, wenn uns der Papst das Kirchsein abspricht? Wir können nach unserem eigenen Glauben, soweit wir keiner Gemeinde angehören, die von der liberalen und feministischen Theologie verseucht ist, davon ausgehen, dass wir bzw. unsere Gemeinden zur sichtbaren Kirche Christi gehören.

Lass den Katholiken doch ihren Spaß, daran zu glauben, dass die Kirche Christi ausschließlich in der eigenen Gemeinschaft substituiert sei. Das ist das legitime Recht einer jeder Glaubensgemeinschaft, so etwas für sich in Anspruch nehmen zu können. Was aber nun wahr und was falsch ist, entscheiden aber letztlich und abschließend nicht wir. Und das ist auch gut so!

Wir können lediglich daran glauben, dass unser Glaube der Richtige ist. Wir Lutheraner glauben demnach, dass wir zur sichtbare Kirche Christi gehören, Katholiken glauben daran, dass die Kirche Christi ausschließlich in ihrer Gemeinschaft voll substituiert ist. Eines ist aber sicher: Selig kann man als Christ auch außerhalb des Luthertums und der römischen Kirche + Unionskirchen werden.

Herzliche Grüße

Marcus

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Hallo Hanna, danke, daß du Konkreteres nachlegst. Ich bin derzeit zeitlich selber außerstande, intensiver drauf einzugehen. Bitte um Nachsicht. Bloß dies: Du darfst erstens nicht erwarten, an solchen Grabungsstätten heute irgendetwas Museales vorzufinden. Es handelt sich um Kultstätten. Das schließt aber saubere wissenschaftliche Arbeit nicht aus. Was zweitens das Grab Petri betrifft, scheint mir der Befund sehr eindeutig zu sein und gegen Margarita Guarduccis Ergebnisse grundsätzlicher Widerspruch nicht schlüssig begründbar. (Ich unterscheide da schon sehr präzise: Frau Guarduccis Hypothesen zur Datierung des Todes Petri halte ich, im Gegensatz zur Identifikation des Grabes, für völlig verfehlt.) Neben Frau Guarduccis Arbeiten zum Thema kann ich auf Anhieb für Interessierte noch Engelbert Kirschbaum SJ nennen (Die Gräber der Apostelfürsten, Frankfurt am Main 1957).
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Raphael

Re: Na Siehste

Beitrag von Raphael »

sofaklecks hat geschrieben:Tja, es geht doch nichts über exakte Wissenschaften wie etwa Geschichte oder Archäologie.
Diese beiden Disziplinen werden an Exaktheit lediglich übertroffen von der Jurisprudenz! ;D

hanna
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Beitrag von hanna »

na, das ist ja eine recht lebendige Diskussionsrunde hier.

an Marcus: stimme in groben Zügen zu, habe aber was dagegen, wenn in Bezug auf Menschen von verseuchtem Denken gesprochen wird. Wir brauchen keine dunkle Folie (nicht das Judentum, nicht der Katholizismus, nicht der Feminismus noch sonstwas), um zu sagen, dass unser eigener Glaube schön ist.

an sofaklecks: Das Grab eines toten Apostels ist für mich per se viel weniger interessant als der Ort des Leidens und der Auferstehung Jesu Christi, von daher scheint mir die Santiago-Pilgerei ein armes Surrogat dafür zu sein, dass Jerusalem off limits war, nachdem die Kreuzfahrerei grandios gescheitert war... nicht ohne böse Nebenwirkungen, was unsere Kontakte zu den orthodoxen Christen bis heute betrifft. Womit wir irgendwie auch wieder beim Thema Konstantinopel wären... :ja:
Ich sehe mich nicht in der Lage alles zu lesen was auf dem theologischen Büchermarkt erscheint, sofaklecks. Du etwa? Und generell interessieren mich die Alterswerke von Theologen wenig, weil sie in ihren frühen Werken gewöhnlich frischer und origineller sind (habe mal Ratzingers Einführung gelesen, glaube also ungefähr zu wissen wofür der Mann als Theologe stand oder steht). Es interessiert mich nicht, wenn jemand, der als Systematiker keinen inneren Zugang zur Exegese gefunden hat, nach Jahren immer noch keinen Zugang zur Exegese hat, aber wohl auch nicht auf Höhe der heutigen exegetischen Debatte ist - das ist, was ich über das neue Buch von katholischen Freunden höre, und ich neige dazu, ihnen zu glauben.

An Robert Ketelhohn: da würde ich gerne tiefer in die Diskussion einsteigen und merke natürlich auch, dass ich im Advent zu wenig Zeit habe. Engelbert Kirschbaum gehörte zum Ausgräberteam von Ludwig Kaas. Dass dieses Team auch nach den damals gültigen Maßstäben nicht achtsam gegraben hat, ist glaube ich unbestritten - man könnte es auch viel krasser sagen.

Damals neigte die Archäologie generell dazu, den schriftlichen Quellen sehr viel Vertrauen zu schenken und im Boden "Beweise" für deren Richtigkeit zu suchen. Da wäre man heute viel vorsichtiger.

Archäologie soll nicht "eindeutige Befunde" erheben, Robert. Sie soll Material sammeln und zur Verfügung stellen. Tatsächlich sind die Ausgräber um 1950 noch sehr einspurig vorgegangen, um ihre oft schon vorgefassten Thesen zu bestätigen. Du hast vielleicht den Dauerskandal um Qumran verfolgt. Das galt ja mal, etwas verkürzt, als ein jüdisches Kloster in der Wüste. Mittlerweile weiss man ziemlich sicher, dass es eine landwirtschaftliche Anlage in einem damals gar nicht wüstenhaften Gelände war und dass von Zölibat oder freiwillig gewählter Armut der Bewohner keine Rede sein konnte. Was sich hier unter allgemeinem Medieninteresse abspielt, gibts auch andernorts ohne solches Trara. :shock: Wenn die Ausgrabung vorgefassten Thesen nachlief, dazu nicht gerade akribisch dokumentierte, was sie wo fand, und wenn Nachgrabungen nicht möglich sind bzw. es nichts mehr zum Nachgraben gibt, dann gute Nacht. Und das ist etwa die Situation.

Vom Gefühl her sag ich mal, Margharita Guarduccis These scheint bei den Fachleuten durchgefallen zu sein und dann muss ich sie mir vielleicht nicht detailliert zu Gemüte führen (auch wenn sofaklecks das wohl nicht versteht).

Ich finde, ein Papst hat nicht den "Erfolg" einer Grabung zu verkünden, da sich sein Lehramt auf andere Themen beziehen sollte. Deshalb hatten (und haben?) katholische Archäologen nämlich fortan das Problem, wie sie ihre fachliche Kritik an den Grabungen äußern, ohne sich in Opposition zu der offiziellen Meinung des Hausherrn zu bringen.

Wenn man aus einem Grabungsgelände einen Kultort macht, dann wird vermengt, was nicht zusammen gehört. Du verstehst sicher, dass Messe und Rosenkranz geeignet sind, die Besucher einer Ausgrabung in eine Stimmung zu versetzen, in der sie nur noch "glauben" wollen.

Es gibt in S Pietro über dem vermeintlichen Petrusgrab eine Tafel, die sinngemäß besagt: Lasst uns mit den Worten des Petrus unseren Glauben an Christus erneuern - und dann kommen vier Bibelstellen. Ich weiss nicht welcher Papst das veranlasst hat, der jetzige oder sein Vorgänger, aber diesen Zugang zum Thema finde ich weiser und schöner als das was eine Etage tiefer den Pilgern geboten wird.

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Clemens
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Beitrag von Clemens »

Habt herzlichen Dank für die Belehrung bzgl. Istanbul.
Da habe entweder ich, oder der Türke, der mir das erzählt hat, etwas missverstanden.


Und noch ein Nachschlag zum Thema "Papstkult":

Da wollte mal jemand Richtung Rom konvertieren und machte zur Vorbereitung eine Reise dorthin. Daselbst erlitt er etwa denselben Schock wie Hanna und das Thema war erledigt.
Bis er einige Zeit später doch katholisch wurde.
Von seinen Freunden auf die Ursache dieses erneuten Gesinnungswandels angesprochen,meinte er:
"Eine Religion, die das aushält, muss die wahre sein!" :freude: :mrgreen: ;D :D

hanna
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Re: Autismus

Beitrag von hanna »

Als ekklesiologischen Autismus bezeichne ich nicht eine Macke oder ein Defizit Ratzingers sondern ein Phänomen das schon im 2.Vatikanum sichtbar war. Es ist die totale Unfähigkeit des (offiziellen) Katholizismus, sich als Konfession sehen zu können, also: als eine Kirche unter anderen Kirchen.
Die Katholische Kirche in Deutschland müsste eigentlich permanent von der "evangelischen kirchlichen Gemeinschaft", der "sich so nennenden Evangelischen Kirche" reden, würde sie vatikanische Vorgaben umsetzen.

Wenn die katholische Kirche wirklich wollte, dass die Lutheraner sich stärker an der altkirchlichen Auffassung vom Amt orientierten -müsste sie anders vorgehen. Tatsächlich macht ihre Ekklesiologie keinen Unterschied zwischen den Traditionskirchen der Reformation und den Konfessionen amerikanischer Provenienz, die zum Teil dezidiert nicht Kirche sein wollen.

Sehr hübsch macht sich das am Thema Sukzession fest. Angeblich kann man uns Lutheraner nicht als Kirche sehen, da wir nicht in der Sukzession stehen.
Was also ist Sukzession?
Ich erlasse dir mal den Beweis, dass die Apostel Sukzessionslinien begründet haben oder begründen wollten. Sagen wir einfach: es gab im 4. Jh., also in einer für den Katholizismus normativen Zeit, das Phänomen der Sukzession, also ist das eine ehrwürdige Tradition der Kirche.
Aber welcher katholische Kleriker der Gegenwart kann sich denn in einer Sukzessionslinie mit der Alten Kirche verbinden? Es gibt da, wie Du leicht recherchieren kannst, eine Handvoll "Stammbäume", deren frühester Bezugspunkt ein italienischer Kardinal aus dem 15. Jh ist. Ist dieser "Stammahn" durch einer Kette gültiger Weihen mit irgendeinem Bischof der Alten Kirche verbunden?
Unwahrscheinlich.
Das Problem ist nicht, dass der Historiker von den Weihen im Mittelalter nichts wüsste, sondern dass er eine ganze Menge weiß: es wurde nämlich in großem Stil "unordentlich" (also: in eklatantem Verstoß gegen Kirchenrecht) geweiht.
Interessanterweise gab unser Gesprächspartner im Vatikan das umstandslos zu. Und fügte hinzu: Sukzession ist ja auch nicht das, sondern die Gemeinschaft mit dem (jetzigen) Papst.
Damit hat man sich dumme historische Fragen sehr elegant vom Hals geschafft. Nur laufen solche Argumentationen im Kreis, nach dem Motto: Wir sind wir, weil nur wir wir sind.

Raphael

Re: Autismus

Beitrag von Raphael »

hanna hat geschrieben:Als ekklesiologischen Autismus bezeichne ich nicht eine Macke oder ein Defizit Ratzingers sondern ein Phänomen das schon im 2.Vatikanum sichtbar war.
Wenn nichts mehr hilft, dann werden die "Römer" 'mal eben psychatrisiert.
Den protestantischen Denominationen steht das Wasser offenbar an der Oberkante Unterlippe ...................

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Lutheraner
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Beitrag von Lutheraner »

Clemens hat geschrieben: Und noch ein Nachschlag zum Thema "Papstkult":

Da wollte mal jemand Richtung Rom konvertieren und machte zur Vorbereitung eine Reise dorthin. Daselbst erlitt er etwa denselben Schock wie Hanna und das Thema war erledigt.
Bis er einige Zeit später doch katholisch wurde.
Von seinen Freunden auf die Ursache dieses erneuten Gesinnungswandels angesprochen,meinte er:
"Eine Religion, die das aushält, muss die wahre sein!" :freude: :mrgreen: ;D :D
Ach, dieses G'schichterl ist in mehreren Versionen im Umlauf. Das hat sogar der Papst selbst mal (in einer anderen Version) erzählt :roll:

Der Katholizismus ist (für bestimmte Menschentypen) so erfolgreich, weil er das bietet, was viele Menschen beeindruckt: Ein sichtbares Zentrum, eine straffe Hierarchie mit klarer Aufgabenverteilung, eine Führungsperson und die Illusion eine alte Tradition ohne Brüche bewahrt zu haben und für die Gläubigen - auch das ist nicht zu unterschätzen - gibt es immer eine Portion Werkgerechtigkeit. Man hat ja innerlich schon immer den Wunsch,dass Gott die guten Taten belohnt.

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Clemens
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Re: Autismus

Beitrag von Clemens »

hanna hat geschrieben:Es gibt da, wie Du leicht recherchieren kannst, eine Handvoll "Stammbäume", deren frühester Bezugspunkt ein italienischer Kardinal aus dem 15. Jh ist. Ist dieser "Stammahn" durch einer Kette gültiger Weihen mit irgendeinem Bischof der Alten Kirche verbunden?
Unwahrscheinlich.
Das Problem ist nicht, dass der Historiker von den Weihen im Mittelalter nichts wüsste, sondern dass er eine ganze Menge weiß: es wurde nämlich in großem Stil "unordentlich" (also: in eklatantem Verstoß gegen Kirchenrecht) geweiht.
Interessanterweise gab unser Gesprächspartner im Vatikan das umstandslos zu. Und fügte hinzu: Sukzession ist ja auch nicht das, sondern die Gemeinschaft mit dem (jetzigen) Papst.
Was antwortet ein glaubenstreuer Katholik auf diese These/Behauptung/Unterstellung?
Worin bestanden diese Unregelmäßigkeiten?
Gibt es wirklich historisch begründete Ursachen, die Gültigkeit (im römischen Sinne) der katholischen (und ostkirchlichen und orientalischen?) Sukzessionen in Frage zu stellen?

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