Lutheraner hat geschrieben:Evagrios Pontikos hat geschrieben:TillSchilling hat geschrieben:... Und hat auch kein Beispiel in der Schrift. Wie du wohl weisst.
Mit demselben Argument musst Du die Kindertaufe ablehnen. Sie hat kein Beispiel in der Schrift, was uns die Baptisten ja vorwerfen.
Das ist kein Wunder, denn die Baptisten verstehen nicht um was es in der Taufe geht.
Es spielt keine Rolle, ob die Bibel von Kindstaufen berichtet oder nicht, sondern es geht um das was die Hl. Taufe ist: Ein Sakrament, in dem Gottes
vorauseilende Gnade wirkt. So steht es in der Schrift. Wenn wir unsere Kinder lieben, dann müssen wir ihnen diese Gnade so früh wie möglich zukommen lassen.
Merkt Ihr denn nicht, dass Ihr bei der Taufe (zurecht) das tut, was ich in meiner Argumentation in bezug auf die Anrufung der Heiligen tue?
Ich sehe folgende Parallelität:
I. Ihr stellt das Wesen der Taufe fest.
II. Aus diesem folgert Ihr, dass es deshalb richtig ist, Kinder zu taufen. Dieser Argumentation stimme ich zu.
III. Wesentlicher Teil dieser Argumentation ist im Luthertum die Heranziehung des Kinderevangeliums in Mt 19,13-15 mit Parallelen (wobei noch weitere Texte genannt werden könten). Dort geht es aber gar nicht um die Taufe. Vielmehr ist der Gedankengang, dass, wenn Jesus den Kindern das Reich Gottes zuspricht, diese getauft werden dürfen. Die Argumentationsfigur ist hierbei die Form des
a minore ad maius.
IV. Die Bekräftigung durch die Tradition, nämlich der Erfahrung der Kirche: Im Großen Katechismus weist Luther darauf hin, dass viele, die als Kinder getauft wurden, den Hl. Geist empfangen haben ("Sankt Bernhard, Gerson Johannes Hus und andere"), wodurch Gott die Kindertaufe bestätigt habe. Denn er hätte den Geist nicht gegeben, wenn die Kindertaufe falsch wäre. Die Kindertaufe ist also für die Reformatoren Teil dessen, was CA I als
magnus consensus ecclesiae bezeichnet.
Entsprechend die Argumentation bei der Heiligenanrufung:
I. Ich stelle das Wesen des Leibes Christi fest: Die irdischen und die himmlischen Glieder des Leibes leben. Sie dienen einander, nehmen Anteil aneinander, stehen in Kommunikation (
communio!) etc.
II. Ich folgere aus diesem, dass es deshalb legitim ist, die Heiligen anzurufen.
III. Hier erfolgt ein Unterschied zur Argumentation bei der Kindertaufe: Ich bekräftige diese Argumentation lediglich durch eine Schlussfolgerung
a minore ad maius, nämlich damit, dass die Schrift die Anrufung der Engel bezeugt. Um wieviel mehr ist es dann legitim, die Heiligen anzurufen, die erstens uns näher stehen als die Engel und zweitens Gott näherstehen als die Engel. Notwendig wäre diese Argumentation nicht unbedingt. Das war bei der Kindertaufe anders. Denn dort ist das Kinderevangelium ein wesentlicher Teil der Argumentation. Aber sei's drum.
IV. Bekräftigung durch die Tradition, nämlich durch die Erfahrung der Kirche: Die Anrufung der Heiligen ist seit Hippolyt bezeugt, auch durch viele Kirchenväter. Sie ist Teil des
magnus consensus ecclesiae. Wenn sie falsch wäre, dann hätte Gott den Kirchenvätern, ja der Kirche seit dem 2. Jahrhundert den Hl. Geist genommen. Das hat er aber nicht getan.
Dieser Hinweis auf die Erfahrung der Kirche hat übrigens im Blick auf die Lutherischen Bekenntnisschriften doppeltes Gewicht: Melanchthon setzt sich in der Apologie zur CA (Apol. CA XXI, 3, lat. Text) näher mit dem Traditionsargument auseinander. Er ist dort der Auffassung, dass die Anrufung der Heiligen erst nach Gregor dem Großen (+ 604) belegt sei. Die Reformatoren waren nämlich der Ansicht, dass die Alte Kirche bis Gregor noch im Wesentlichen rechtgläubig war und dass sich der Abfall dort ereignet habe. Melanchthon hat sich hier aber offensichtlich schwer geirrt, wie ich weiter oben belegt habe. Peinlich für den Praeceptor Germaniae, schmerzlich für die Kirche Christi! Die Heiligenanrufung lässt sich bis Hippolyt gut belegen. Dadurch wird die Tradition aber zu einem äußerst gewichtigen Argument für die Legitimität der Anrufung der Heiligen.