Rückkehrökumene?

Rund um Anglikanertum, Protestantismus und Freikirchenwesen.
conscientia
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Beitrag von conscientia »

ad_hoc hat geschrieben:Ich kann das Wanken mal hierhin mal dorthin oder beides gleichzeitig wollen, beim besten Willen nicht ab. Das ist vielleicht noch nicht einmal allein die Schuld derjenigen, die für sich den richtigen Weg erkennen wollen, bei so vielen komischen Theologen, wie sie heute massenhaft auftreten.

Gruß, ad_hoc
hallo, ich bin auch so ein komischer theologe, wie sie heute massenhaft auftreten. ich meine, das lutherische wie das reformierte bekenntnis lassen sich, richtig verstanden, gut ins umfassende gebäude der rk. glaubenslehre einordnen. das gilt auch für den papst und maria. wir sollten zusehen, dass die gräben zwischen den verschiedenen lateiner-bekenntnissen nicht noch größer werden - das ist eine anfrage an alle evangelischen kirchlichen gemeinschaften - und dass die verschiedenen spiritualitäten sich aufeinander zu bewegen. das bedeutet etwa, dass in in der kath. kirche mehr bibel meditiert und studiert werden müsste, in den evang. gemeinschaften die schriftauslegung der väter rezipiert werden muss. nicht nur augustinus, auch thomas von aquin liegen vor luther und calvin!

ad_hoc
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Beitrag von ad_hoc »

Hallo conscientia

Ich verstehe unter "aufeinander sich zubewegen" vermutlich etwas anderes als Du. In der Reformation bewegten sich Menschen weg von der katholischen Kirche. Also kann es nur so sein, dass die katholische Kirche sich auf die Getrennten zubewegt und sie wieder aufnimmt, so bald diese erkannt haben, dass die Einheit nur in der katholischen Kirche gegeben ist. Wenn sich das lutherische wie das reformierte Bekenntnis gut in die katholische Glaubenslehre einfügen lassen würden, gäbe es diese Diskrepanzen nicht , da es nur noch die katholische Kirche gäbe, in die alle Getrennten wieder eingegangen wären.
Du nimmst doch hoffentlich nicht an, dass Luther und Calvin so etwas wie Kirchenlehrer oder Kirchenväter wären?

Gruß, ad_hoc
quidquid cognoscitur, ad modum cognoscentis cognoscitur (n. Thomas v. Aquin)

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overkott
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Beitrag von overkott »

Ich denke, der Papst wird nicht über Luther richten.

conscientia
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Beitrag von conscientia »

ad_hoc hat geschrieben:Hallo conscientia

Ich verstehe unter "aufeinander sich zubewegen" vermutlich etwas anderes als Du. In der Reformation bewegten sich Menschen weg von der katholischen Kirche. Also kann es nur so sein, dass die katholische Kirche sich auf die Getrennten zubewegt und sie wieder aufnimmt, so bald diese erkannt haben, dass die Einheit nur in der katholischen Kirche gegeben ist. Wenn sich das lutherische wie das reformierte Bekenntnis gut in die katholische Glaubenslehre einfügen lassen würden, gäbe es diese Diskrepanzen nicht , da es nur noch die katholische Kirche gäbe, in die alle Getrennten wieder eingegangen wären.
Du nimmst doch hoffentlich nicht an, dass Luther und Calvin so etwas wie Kirchenlehrer oder Kirchenväter wären?

Gruß, ad_hoc
Lieber ad_hoc,

so ist es. Luther ist für mich so etwas wie ein Vater im Glauben, wobei ich trotz aller Schwächen der Personen für Johannes Bugenhagen, den ehemaligen Klosterschullehrer für Latein und Religion, mehr Verehrung hege. Was ich an Luther nicht mag, ist seine unsystematische Art zu argumentieren. Da lobe ich mir den Calvin. Hast Du einmal Passagen aus seiner "Institutio" gelesen? Der Text hält den Vergleich mit des hl. Thomas Summen auf.

-- Zur Sache: Wenn ich mir die in den letzten Jahrzehnten gemachten Fortschritte in der bi- wie der multilateralen innerchristlichen Ökumene anschaue und mich gleichzeitig auf das Urteil (ich meine des alten Heinrich Fries) verlasse, dass die theologisch-dogmatischen Unterschiede innerhalb der abendländischen Konfessionen - über die Unterschiede zwischen der römischen und der verschiedenen morgenländischen Schwesterkirchen darf ich mich mangels Sachkenntnis nicht äußern - geringer sind als die zwischen den einzelnen theologischen Schulen, die in ihren inspirierten, d. h. damals vom hl. Irenäus von Lyon und seinen Kirchenväterkollegen anerkannten Schriften Eingang in die Hl. Schrift Neuen Testamentes gefunden haben, frage ich mich: Warum bringen es meine ungetrennten Brüder ultra montes noch die getrennten fertig, endlich einmal konkret etwas für die Einheit ihrer geistig so eng verwandten Kirchen zu tun? -
Meine Antwort, in zunehmend bitterer Reflexion gefunden: Die Kirchenfürsten, gleich welchen Bekenntnisses, wollen die Einheit faktisch nicht. Man müsste ja aufbrechen von den Fleischtöpfen Ägyptens und sich auf den Weg machen, sich das Vertraute, es neu durchdenkend und übend, neu und für den getrennten Bruder gewinnend zu eigen machen.
Konkret: Weil der hl. Augustinus damals auf dem Bischofskonvent von Orange, ich meine 629, nur gerade so eben für die Gesamtkirche (abend- wie morgenländische) gerettet wurde, halte ich die verbliebenen theologischen Differenzen in der Anthropologie nicht für so bedeutend, dass sie kirchentrennend sein müssten. Ich habe mit meinen Theologenkollegen 62.000 theologische Differenzen, fühle mich manchmal unnötig in die Enge getrieben und möchte gleichwohl kein neues Gläubchen gründen wie ein Erweckungsprediger in Wuppertal oder Holland.
Ob die eucharistische Realpräsenz des Herrn so materialistisch interpretiert werden muss, wie das unter dem Deckmantel des Begriffs "Transsubstantiationslehre" bisweilen in rk. Pfarren geschieht, wage ich zu bezweifeln (viel berechtigter scheint mir, dass wir uns noch einmal um eine sachgerechte Interpretation des hl. Thomas wie des Tridentinums bemühen müssen). Von daher habe ich den Eindruck - es fehlt mir auf Grund beruflicher Belastung die Zeit, darüber einmal etwas Profundes zu schreiben -, dass wichtiger wäre (wie ich es in einem anderen Strang formuliert habe): Die Evangelischen lutherischen wie calvinischen Bekenntnisses müssten sich einfach einmal zur allsonntäglichen Eucharistiefeier mit einem wirklich funktionierenden Eucharistiegebet (= anamnetisch-epikletischen Konsekrationsgebet) bequemen und darauf achten, dass die übergebliebenen hll. Species vom Pfarrer und dem Altarhelfer unmittelbar nach der Feier in einem würdigen Rahmen sumiert werden (statt sie der Frau Pfarrer zur Verarbeitung als Croutons für die Restesuppe am Montag zu überlassen): Die Sumation entspricht, wenn ich mich recht erinnere, dem Liturgierecht zum Beispiel der Landeskirche in Württemberg, nur hält sich keiner dran, Gott sei's geklagt, das ist so ähnlich wie in der römischen Kirche mit dem Missale von 1970.
Es gäbe da noch mehr zu schreiben, aber ich muss jetzt fort.

Bis auf bald
c.

ad_hoc
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Beitrag von ad_hoc »

Hallo conscientia

Ich werde behutsam auf einige Deiner Punkte direkt eingehen:

[quote="conscientia"]

Lieber ad_hoc,

so ist es. Luther ist für mich so etwas wie ein Vater im Glauben,

[color=#]Antwort: [/color]
Inwiefern ist Luther ein Vater im Glauben? Er hat durch sein Verhalten ein Schisma ausgelöst und nichts getan, um das Schisma wieder aufzulösen. Bis zu seinem Tode hat er die katholische Glaubensauffassung, sofern sie nicht mit seiner eigenen Sicht übereinstimmte, bekämpft, ebenso den Papst, den er als Antichristen und auch sonst auf die übelste Weise ebenfalls bis zu seinem Tod beschimpfte. Es ist bezeugt, dass Luther eine schreckliche Fäkaliensprache gebrauchte und er selbst wußte dies. Vor Zeugen hat er mehrmals gesagt. "Ich will beten, und kann nur fluchen." Wo hat man so etwas mal vom Hl. Thomas von Aquin u. a. katholischen Heiligen gehört?
wobei ich trotz aller Schwächen der Personen für Johannes Bugenhagen, den ehemaligen Klosterschullehrer für Latein und Religion, mehr Verehrung hege. Was ich an Luther nicht mag, ist seine unsystematische Art zu argumentieren. Da lobe ich mir den Calvin. Hast Du einmal Passagen aus seiner "Institutio" gelesen? Der Text hält den Vergleich mit des hl. Thomas Summen auf.

Antwort:
Calvin war zwar vermutlich intelligenter und pragmatischer als Luther, aber er war auch rigoroser in seinen Ansichten und seine Art des Glaubenslebens und der Einstellung halte ich für dumpf. Auch kann er geschrieben haben, was er will. Wie tief können seine Erkenntnisse gewesen sein, wenn sie ihn und alle Gläubige, die ihm vertraut haben nicht in die katholische Kirche zurückführten, von der er und seine Gläubigen sich getrennt haben?

-- Zur Sache: Wenn ich mir die in den letzten Jahrzehnten gemachten Fortschritte in der bi- wie der multilateralen innerchristlichen Ökumene anschaue und mich gleichzeitig auf das Urteil (ich meine des alten Heinrich Fries) verlasse, dass die theologisch-dogmatischen Unterschiede innerhalb der abendländischen Konfessionen - über die Unterschiede zwischen der römischen und der verschiedenen morgenländischen Schwesterkirchen darf ich mich mangels Sachkenntnis nicht äußern - geringer sind als die zwischen den einzelnen theologischen Schulen, die in ihren inspirierten, d. h. damals vom hl. Irenäus von Lyon und seinen Kirchenväterkollegen anerkannten Schriften Eingang in die Hl. Schrift Neuen Testamentes gefunden haben, frage ich mich: Warum bringen es meine ungetrennten Brüder ultra montes noch die getrennten fertig, endlich einmal konkret etwas für die Einheit ihrer geistig so eng verwandten Kirchen zu tun? -
Meine Antwort, in zunehmend bitterer Reflexion gefunden: Die Kirchenfürsten, gleich welchen Bekenntnisses, wollen die Einheit faktisch nicht.
[/color]

Antwort:
Daran glaube ich zwischenzeitlich auch!

Man müsste ja aufbrechen von den Fleischtöpfen Ägyptens und sich auf den Weg machen, sich das Vertraute, es neu durchdenkend und übend, neu und für den getrennten Bruder gewinnend zu eigen machen.
Konkret: Weil der hl. Augustinus damals auf dem Bischofskonvent von Orange, ich meine 629, nur gerade so eben für die Gesamtkirche (abend- wie morgenländische) gerettet wurde, halte ich die verbliebenen theologischen Differenzen in der Anthropologie nicht für so bedeutend, dass sie kirchentrennend sein müssten. Ich habe mit meinen Theologenkollegen 62.000 theologische Differenzen, fühle mich manchmal unnötig in die Enge getrieben und möchte gleichwohl kein neues Gläubchen gründen wie ein Erweckungsprediger in Wuppertal oder Holland.
Ob die eucharistische Realpräsenz des Herrn so materialistisch interpretiert werden muss, wie das unter dem Deckmantel des Begriffs "Transsubstantiationslehre" bisweilen in rk. Pfarren geschieht, wage ich zu bezweifeln


Antwort:
Das ist das, was trennt.

(viel berechtigter scheint mir, dass wir uns noch einmal um eine sachgerechte Interpretation des hl. Thomas wie des Tridentinums bemühen müssen). Von daher habe ich den Eindruck - es fehlt mir auf Grund beruflicher Belastung die Zeit, darüber einmal etwas Profundes zu schreiben -, dass wichtiger wäre (wie ich es in einem anderen Strang formuliert habe): Die Evangelischen lutherischen wie calvinischen Bekenntnisses müssten sich einfach einmal zur allsonntäglichen Eucharistiefeier mit einem wirklich funktionierenden Eucharistiegebet (= anamnetisch-epikletischen Konsekrationsgebet) bequemen und darauf achten, dass die übergebliebenen hll. Species vom Pfarrer und dem Altarhelfer unmittelbar nach der Feier in einem würdigen Rahmen sumiert werden (statt sie der Frau Pfarrer zur Verarbeitung als Croutons für die Restesuppe am Montag zu überlassen): Die Sumation entspricht, wenn ich mich recht erinnere, dem Liturgierecht zum Beispiel der Landeskirche in Württemberg, nur hält sich keiner dran, Gott sei's geklagt, das ist so ähnlich wie in der römischen Kirche mit dem Missale von 1970.

Antwort:
Ich gehe gar nicht erst darauf ein, sondern ich stelle einfach eine Frage: Ist es richtig, dass es nur eine Art der korrekten Aufhebung einer Trennung geben kann, nämlich dass das, was die Trennung verursacht hat (und damit meine ich nicht den sogenannten Ablaßhandel, der für Luther, wie er später selbst geschrieben hat, gar nicht das Wesentliche war) und sich vom Fundament getrennt hat, wieder das Trennende aufheben und zum Fundament zurückkehren muß?

Es gäbe da noch mehr zu schreiben, aber ich muss jetzt fort.

Bis auf bald
c.

Gruß, ad_hoc
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Raphael

Beitrag von Raphael »

overkott hat geschrieben:Ich denke, der Papst wird nicht über Luther richten.
Wie sollte er auch? 8)
Schließlich war Luther ja frömmer als Jesus ................

ad_hoc
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Beitrag von ad_hoc »

Wenn bei den Protestanten jemand davon spricht, Martin Luther würde vom Papst rehabilitiert werden, dann könnte man das ja noch verstehen, vielleicht sind sie sich ja doch irgendwo ihres schismatischen Glauben unsicher?
Aber wenn Katholiken davon sprechen und eine solche Maßnahme tatsächlich ernsthaft erörtern und als wahrscheinlich erachten, dann ist dies ein Zeichen dafür, dass diese Katholiken ihre Art und Weise des Glaubens und des Wissens darüber doch mal hinterfragen sollten, sofern nicht, was ich hoffe, dasses so ist, dass sie einfach nicht genug über das Leben Martin Luthers und seine verhängnisvollen Lehren (insofern verhängnislos, weil ohne Nutzen für die Gläubigen, wie vergleichsweise bei den Gläubigen in der katholischen Kirche) wissen.

Ich warte jedenfalls noch immer darauf, protestantischerseits zu erfahren, wie die außerordentlich schlimme Gossensprache Martin Luthers, seine Verwünschungen gegen die katholische Kirche und gegen den Papst, seine unstete Lebensweise, seine Fress- und Genusssucht und der Sucht nach Frauen, und vor allem sein täglicher Alkoholmißbrauch, mehrere Liter Wein und Bier täglich, mit seiner Frömmigkeit und seiner Eignung als "Vater" im Glauben zu vereinbaren sind.

ad_hoc
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Lutheraner
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Beitrag von Lutheraner »

ad_hoc hat geschrieben:und der Sucht nach Frauen
Du meinst er hat sogar dem Papst die Mätressen ausgespannt? :D
ad_hoc hat geschrieben: und vor allem sein täglicher Alkoholmißbrauch, mehrere Liter Wein und Bier täglich
Da hätte er doch im Kloster bleiben können. Hier in München heißen nicht ohne Grund fast alle Brauereien nach röm.-kath. Orden ;)
"Ta nwi takashi a huga bakashi. Ta nwi takashi maluka batuka"

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taddeo
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Beitrag von taddeo »

Raphael hat geschrieben:
overkott hat geschrieben:Ich denke, der Papst wird nicht über Luther richten.
Wie sollte er auch? 8)
Schließlich war Luther ja frömmer als Jesus ................
Über Luther richten wird der Papst sicher nicht, das macht mal eine andere Instanz, die da über mehr Insiderwissen verfügt.

Was der Papst aber sicher auch nicht machen wird, ist, Luther als ein Vorbild hinzustellen. Er war es definitiv nicht - weder als Theologe noch als Mensch (darauf hat ad_hoc oben völlig zurecht hingewiesen, und die süffisante Antwort darauf kann echt nur von einem Lutheraner kommen). Die Vorbilder, die wir Katholiken haben, sind von einem anderen Schlag (OK, auch von Jesus hieß es, er sei ein Fresser und Säufer, aber Luther hat das ja schon ziemlich exzessiv betrieben - ungeachtet der Tatsache, daß mehrere Liter Wein oder Bier damals praktisch ein Grundnahrungsmittel waren, und außerdem einen völlig anderen Alkoholgehalt hatten als heutzutage).

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Marcus
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Beitrag von Marcus »

Die sprachlichen Ausdrucksweisen zu Zeiten Martins Luthers waren im Schnitt insgesamt deutlich derber als heute. Hinzu kam noch, dass Martin Luther „dem Volk aufs Maul“ schauen wollte, es also vorzog, in der Sprache des Volkes, oder wie manch einer früher abwertend zu sagen pflegte, des Pöbels zu sprechen. Darüber hinaus war Luther für seine Tischreden bekannt, die natürlich z. T. das Niveau von Stammtischreden hatten. Und? Hat nicht jeder von uns in einer geselligen Runde schon mal „wirres Zeug“ am Stammtisch geredet? Aber Luther konnte natürlich auch anders. Seine Bibelübersetzung gilt auch heute noch in Philologenkreisen als „sprachliches Meisterwerk“.

Ferner war Martin Luther durchaus ein frommer Mann. So berichtet Veit Dietrich in seinem Brief an Melanchthon u.a. davon, dass Martin Luther täglich wenigstens drei Stunden voller Glaubenskraft zum Himmlischen Vater betete. Als in Magdeburg die Pest ausbrach, blieb Martin Luther in der Stadt, um als „Hirte“ seine sterbenskranke Schafe seelsorgerisch zu betreuen. Ferner verschenkte Luther großzügig Inventar, das er nicht für notwendig hielt, an die Bedürftigen. Letztlich machte Luther deswegen sogar trotz seines guten Einkommens Schulden.

Luther hat zwar in Bezug auf das weibliche Geschlecht und seine Ehefrau einiges geäußert, besonders im Wirtshaus, was man so mit Sicherheit nicht unterschreiben kann. Nichtsdestotrotz liebte der Wittenberger Professor seine Frau und wurde ihr auch niemals untreu.

Martin Luther als Säufer hinzustellen und ihm Völlerei nachzusagen, ist schlicht falsch. Sicherlich trank Luther Bier und Wein und aß auch gerne mal etwas Gutes, manchmal durfte es sicherlich auch mal etwas mehr sein. Die Gerüchte aber, dass Luther ein verfressener Säufer sei, sind völlig haltlos und schlicht diffamierend. Für die gegnerischen Agitatoren war sein Brief an Käthe offenbar ein „gefundenes Fressen“, in dem er über sich schrieb, dass er fresse wie ein Böhme und saufe wie ein Deutscher. In diesem Brief ging es aber um die Genesung seines damaligen Freundes Melanchthon, dank er wieder Appetit bekam. Die drastische Formulierung war natürlich übertrieben und nicht wirklich ernst gemeint, wie vieler seiner Redendarten, welche von bestimmten Kreisen nach wie vor gerne gebraucht werden, um ihn als „Mann und Wegbereiter des Glaubensabfalls“ darzustellen. Vielmehr bezeichnete er die Trunkenheit als Folge des Wein- und Biergenusses als Greul: „Niemand kann dem Worte Gottes nachsinnen, er sei denn nüchtern. Ein Fresser und Säufer ist weder zum Glauben noch zum Überwinden geschickt“, so Luther.

Dass man als Katholik über Luthers theologische Ansichten nicht unbedingt positiv denkt, ist mir klar und das kann ich auch hinnehmen. Weniger Verständnis habe ich allerdings, wenn sich Katholiken im 21. Jahrhundert immer noch über Luthers zum Großteil durchaus inhaltlich berechtigte Kritiken bzgl. des Papsttums und der damaligen röm. Kirche aufregen. Luther hatte die römische Kirche sowie das Papsttum ohne Zweifel sogar wüst beschimpft. Dabei darf aber nicht außer Acht gelassen werden, dass es doch gerade die katholische Fraktion damals war, die Luther am liebsten einen Prozess als Ketzer machen und ihn lichterloh brennen sehen wollte. Karl V., ein streng katholischer Kaiser, erklärte ihn sogar für vogelfrei bzw. sprach die Reichsacht über ihn und seine Anhänger aus (Wormser Edikt). Dass Emotionen in solchen Fällen nicht selten in harten Worten ihren Ausdruck finden, müsste eigentlich nachvollziehbar sein.

Die ganze Debatte hinsichtlich einer möglichen Rehabilitierung Luther durch den Papst kann ich ohnehin nicht verstehen. Was bzw. wem bringt das was? Martin Luther zu rehabilitieren ohne gleichzeitig die wesentlichen Punkte seiner Theologie, vor allem die Rechtfertigungslehre anzuerkennen, wäre absolut heuchlerisch und zielt letztlich nur darauf ab, sich bei den Lutheranern und Protestanten, die sich für Lutheraner halten, beliebt zu machen. Solange eine Rehabilitierung Luthers nicht zu Konsequenzen in der Theologie und in den Gebräuchen der röm.-kath. Kirche führt, ist sie für uns Lutheraner wertlos. Luther selbst ging es um theologische Inhalte und nicht um Personenimagepflege. Im übrigen hängt unsere Meinung über Luthers Theologie und Person nicht von einem Urteil des Papstes ab, da wir sein Amt und die damit verbundenen Ansprüche ohnehin nicht akzeptieren können. Das ist aber mal wieder ein deutlicher Beleg für ein falsches Verständnis von Ökumene.

ad_hoc
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Beitrag von ad_hoc »

Hallo Lutheraner

Du hast ohne Zweifel sehr gut geantwortet und zunächst mal die Schärfe in meinem Beitrag relativiert. Das ändert aber nichts daran, dass Luther tatsächlich auch so war, wie er von vielen seiner Landsleute und vor allem von seinen Tischgenossen beschrieben worden ist. Und ein solcher Mensch kann kein Vorbild sein, auch dann nicht, wenn ihm mal einige Worte aus dem Mund kommen, die man tatsächlich als richtig oder angenehm empfinden könnte.

Gruß, ad_hoc
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ad_hoc
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Beitrag von ad_hoc »

Marcus hat geschrieben:Die sprachlichen Ausdrucksweisen zu Zeiten Martins Luthers waren im Schnitt insgesamt deutlich derber als heute. Hinzu kam noch, dass Martin Luther „dem Volk aufs Maul“ schauen wollte, es also vorzog, in der Sprache des Volkes, oder wie manch einer früher abwertend zu sagen pflegte, des Pöbels zu sprechen.

Das ist richtig. Aber Luther hat selbst seine Zeitgenossen übertroffen und sie durch die exzessive pöbelnde Gewalt seiner Sprache zum Erschrecken gebracht. Luther bediente sich in einer bis dahin unerhört leidenschaftlichen und pöbelhaften Sprache. Das ist nicht mehr mit der sprachlichen Ausdrucksweise zur Zeit Luthers zu verharmlosen, denn gerade von seinen Zeitgenossen wurde er häufig getadelt wegen seiner infamen Schmäh- und Lästerworte, was nicht geschehen wäre, wenn dies im „Geiste der Zeit“ gelegen wäre. (Oldenkops Chronik, Tübingen 1891, S. 128)
Kleine Kostprobe von Luthers Ausnahmepöbeleien gefällig? Heinrich VIII., König von England, der die Zahl der sieben Sakramente gegen Luther verteidigte, wurde daraufhin von Luther folgendermaßen beschimpft:
„Heintz von Gottes Ungnaden König in Engelland, ein neuer Gott, unverschämte Hurenstirn, närrischer als ein Narr, dessen Majestät Luther mit Dreck anwerfen will, ein Beschützer der babylonischen Hure (womit Luther die römische Kirche meinte) und des Hurenwirts (Papst), ein ungeschickter Esel, tomistisch Schwein, der unter einem königlichen Titel ein verlogener Lotterbub ist, ein Fastnachts-Narr, papistisch Meerwunder, toller Klotz, grobe Sau, der auch dem bösesten Schelmen zu vergleichen oder vorzusetzen sei, ein ausgewähltes Werkzeug des Teufels, über welchen die Säu und Esel urteilen sollen, ein Gottsdiebischer Mörder, eine Missgeburt von einem Narren, ein Esel der will den Psalter lesen, der nur zum Sack tragen gemacht ist, ein Teufelsgeist, dessen Gott der Teufel ist, ein Niß, die noch zu keiner Laus worden, sondrn ein lediger dürrer Balg, dessen Vater eine Laus ist…Gekrönter Esel, verruchter Schurke, Auswurf der Schweine und Esel, Gotteslästerer, freches Königsmaul, toller Heinrich.“


Darüber hinaus war Luther für seine Tischreden bekannt, die natürlich z. T. das Niveau von Stammtischreden hatten. Und? Hat nicht jeder von uns in einer geselligen Runde schon mal „wirres Zeug“ am Stammtisch geredet? Aber Luther konnte natürlich auch anders. Seine Bibelübersetzung gilt auch heute noch in Philologenkreisen als „sprachliches Meisterwerk“.

1522 erschien in Wittenberg Luthers deutsche Übersetzung des Neuen Testaments. Aber bereits vor diesem Zeitpunkt waren bereits vierzehn (!) vollständige hochdeutsche Bibelausgaben erschienen. Wie selbst der Protestant Hopf nachgewiesen hat, benutzte Luther von diesen vorhergehenden Bibelübersetzungen drei Ausgaben für seine eigene Übersetzung, nämlich eine Übersetzung von Augsburg 1477, von Nürnberg 1483 und von Augsburg 1518. Trotzdem erklärte Luther, dass „er die Bibel erst unter der Bank hervorgezogen habe“.
Zwingli meinte, dass man Luther wegen einer solchen Ruhmrederei hätte ausstäupen sollen.
Mehrere Protestanten meinten später, dass Luthers Bibel ungemein fehlerhaft wäre. „An 100 Stellen sei der Sinn des Originals nicht zu getroffen, keine andere Übersetzung) sei vom Urtext so sehr abgeirrt, sei die ungenaueste aller Übersetzungen, über 3000 (!) Stellen bedürften der Berichtigung!“

Diese Armen. Sie wussten offenbar noch nicht den wahren Grund der lutherischen Übersetzung. Luther benötigte einen Text, der genau auf ihn zugeschrieben war; er braucht die Bibel als Rechtfertigungslehre für sich selbst.

Ein Märchen ist auch, Luther habe die neuhochdeutsche Schriftsprache geschaffen. Bereits die Gebrüder Grimm schrieben in ihrem Vorwort zu ihrem Werk „Deutsches Wörterbuch“:
Erst mit dem Jahre 1500 oder noch etwas später mit Luthers Auftritt den neuhochdeutschen Zeitraum anzuheben, ist unzulässig und Schriftsteller wie Steinhövel, Eib (+1475), Nikolaus von Wyle, Geiler von Kaisersberg (Prediger in Straßburg (+ 1510), Pauli und Sebastian Brant (+ 1520), die schon ganz seine Farbe tragen, würden ihm damit entzogen.“
Luther schrieb deutsch, wie es damals in den Kanzleien bereits üblich war; er selbst bekennt: „Ich habe keine gewisse, sonderliche eigene Sprache im Deutschen, sondern brauche die allgemeine deutsche Sprache, dass mich beide, Ober- und Niederländer, verstehen.“



Ferner war Martin Luther durchaus ein frommer Mann. So berichtet Veit Dietrich in seinem Brief an Melanchthon u.a. davon, dass Martin Luther täglich wenigstens drei Stunden voller Glaubenskraft zum Himmlischen Vater betete. Als in Magdeburg die Pest ausbrach, blieb Martin Luther in der Stadt, um als „Hirte“ seine sterbenskranke Schafe seelsorgerisch zu betreuen. Ferner verschenkte Luther großzügig Inventar, das er nicht für notwendig hielt, an die Bedürftigen. Letztlich machte Luther deswegen sogar trotz seines guten Einkommens Schulden.

Nach Ig. V. Döllinger klagte Luther:
„Ach, ich habe dem Papst und Mönchen alles geglaubt, was sie mir sagten, was aber jetzt Christus sagt, der doch nicht leugnet, das kann meine Vernunft nicht glauben…so wenig ihr glaubt, dass dieser Gesang gut ist, so wenig glaube ich fest genug, dass Theologia war sei.“
Ein anderes Mal:
„Es zappelte mir das herz vor Furcht und stellte mir die Frage: Bist du etwa allein klug genug, und sollten die anderen alle irren und so lange geirrt haben? Wie nun, wenn du irrtest und so viele Leute in den Irrtum führtest, welche alle ewiglich verdammt werden….wer hat dir befohlen, das Evangelium zu predigen, wer hat dich berufen?“ (Hamburger Briefe 528)
Bei Tisch gefragt, antwortet Luther:
„…Also lasse ich auch die Gedanken nimmermehr fahren, dass ich wünschde und wolt, dass ich diese Sache nie angefangen hätte…Item wollt ich lieber tot sein, denn dass ich die Verachtung Gottes Worts und seiner treuen Diener sehen soll….ich wolt, dass ich in des Kindes Jahren gestorben wäre.“ (Tischreden Eisleben, 1569, fol. 8 u. 185b)
Keine Reue, keine Rückkehr als Folge dieser Überlegungen?


Luther hat zwar in Bezug auf das weibliche Geschlecht und seine Ehefrau einiges geäußert, besonders im Wirtshaus, was man so mit Sicherheit nicht unterschreiben kann. Nichtsdestotrotz liebte der Wittenberger Professor seine Frau und wurde ihr auch niemals untreu.

Luther liebte seine Frau „Käthi“? Sicher, auf irgendeine Art schon. Katharina von Bora (Käthi), schrieb an Luther, das sie und acht weitere Nonnen sich reformbedürftig fühlen würden, worauf Luther diese Nonnen entführen lies. Bei Luther machten diese Jungfrauen einen Vorbereitungskurs auf das bevorstehende christliche Familienleben. Bei Käthi dauerte dieser Kurs zwei Jahre. Zunächst verliebte er sich in die jüngere und schönere Eva von Schönfeld. Diese verspürte jedoch keine Lust auf ihn und heiratete schnellstens einen jungen Arzt. Blieb irgendwann dann nur noch die Käthi. Eigentlich wollte Luther diese an zwei andere Liebhaber verhandeln, was aber nicht ging. Den einen wollte Käthi nicht, der andere, der Patrizier Hieronymos Baumgärtner aus Nürnberg (er nahm bei Luther Unterricht im Reformieren) hatte ein längeres Liebesverhältnis mit Käthi, brannte dann aber durch. Selbst ein Brief Luthers vom 12. Okt. 1524 an den Patrizier, brachte diesen nicht mehr zurück. So ehelichte Luther endlich seine Käthi, am 13. Juni 1525.
Melanchthon schrieb dazu u. a.: „Ich hoffe jedoch, dass die Ehe ihn anständiger machen wird und er von der Unanständigkeit ablassen werde, deretwegen wir ihn oft tadeln mussten.“

Gegenüber dem sächsischen Kanzler Brück erklärte Luther schon 1523. er könne grundsätzlich nichts dagegen haben, wenn ein Mann zwei Frauen haben wolle, nur müsse der betreffende Mann fest davon überzeugt sein, dass ihm das göttliche Wort solches gestatte. (Auch Melanchthon erlaubte in einem Gutachten an den König von England, Heinrich VIII., ganz allgemein die Vielweiberei und sprach den Fürsten das Recht zu, diese sofort einzuführen.
Luther werden mehrere Verhältnisse mit Frauen nachgesagt, zu einer Zeit, als er mit Käthi verheiratet war. In Tischreden sagt Luther selbst, dass Käthi ihn bei sechs Kindern zum Vater gemacht, aber er noch einen weiteren Sohn, Andreas habe, der nicht von ihr ist. Diesen Sohn nahm er in seinen Haushalt auf.
Was Luther von ehelicher Treue hielt, schrieb er ihr selbst: „Ich habe so starke Anfechtungen von den schönen Weibern, dass ich weder Sorge noch Furcht habe vor allerlei Unkeuschheit.“ (De Wette V. 783)

Und schließlich schrieb Herzog Georg von Sachsen in einem Absagebrief an Luther, am 28. Dez. 1525: „…wann sind mehr Ehebrüche geschehen, als seitdem Du geschrieben: die Frau möge sich je nach Umständen auch an einen anderen halten? Also tut der Mann auch minder….Dies alles hat Dein Evangelium gebracht….Mein Luther, behalte Du Dein Evangelium, das unter der Bank hervorgezogen ist, wir wollen bei dem Evangelium Christi bleiben, wie das die christliche Kirche angenommen hat und hält….“

Dass Ehebruch erlaubt ist, verkündet Luther auch von der Kanzel, in der Predigt vom ehelichen Leben (1526): „Will Fraue nicht, so komme die Magd; - will sie dann nicht, so laß dir eine Esther gegen und die Vasthi fahren, wie der König Aßuerus tat.“
Dazu der protestantische Geschichtsforscher Hagen in seiner Schrift: Literarische und religiöse Verhältnisse im Reformationszeitalter“:
„Die Ansicht Luthers von der Ehe ist fast dieselbe, welche man im heidnischen Altertum hatte und wie sie später in der französischen Revolution wieder zu Vorschein gekommen.“


Martin Luther als Säufer hinzustellen und ihm Völlerei nachzusagen, ist schlicht falsch. Sicherlich trank Luther Bier und Wein und aß auch gerne mal etwas Gutes, manchmal durfte es sicherlich auch mal etwas mehr sein. Die Gerüchte aber, dass Luther ein verfressener Säufer sei, sind völlig haltlos und schlicht diffamierend. Für die gegnerischen Agitatoren war sein Brief an Käthe offenbar ein „gefundenes Fressen“, in dem er über sich schrieb, dass er fresse wie ein Böhme und saufe wie ein Deutscher. In diesem Brief ging es aber um die Genesung seines damaligen Freundes Melanchthon, dank er wieder Appetit bekam. Die drastische Formulierung war natürlich übertrieben und nicht wirklich ernst gemeint, wie vieler seiner Redendarten, welche von bestimmten Kreisen nach wie vor gerne gebraucht werden, um ihn als „Mann und Wegbereiter des Glaubensabfalls“ darzustellen. Vielmehr bezeichnete er die Trunkenheit als Folge des Wein- und Biergenusses als Greul: „Niemand kann dem Worte Gottes nachsinnen, er sei denn nüchtern. Ein Fresser und Säufer ist weder zum Glauben noch zum Überwinden geschickt“, so Luther.

Von der Wartburg schrieb Luther an Spalatin, „dass er müssig und trunken den ganzen Tag da sitze.“ (De Wette 1. 49)
In Briefen bekennt Luther, dass er noch guten Landwein und verschiedene Biere trinke, die ihm „des morgens drey stuele in dreyen Stunden“ machten. (De Wette 1. 49)
Oft plagten ihn Kongestionen und Steinschmerzen, welche er dem Papste und den Kardinälen wünschte.
Bei Ermahnungen zur Mäßigkeit im Essen und im Trinken wurde Luther ungehalten: „Ich will essen, was mir schmeckt“ und meinte: Wir essen uns zu tot, wir trinken uns zu tot, wir schlafen uns zu tot, wir farzen und scheußen uns zu tot.“ (Tischreden fol. 45b, 54 a)
An Bier und Wein trank Luther täglich etwa 7 Liter, auch am Vorabend seines Todes.



Dass man als Katholik über Luthers theologische Ansichten nicht unbedingt positiv denkt, ist mir klar und das kann ich auch hinnehmen. Weniger Verständnis habe ich allerdings, wenn sich Katholiken im 21. Jahrhundert immer noch über Luthers zum Großteil durchaus inhaltlich berechtigte Kritiken bzgl. des Papsttums und der damaligen röm. Kirche aufregen. Luther hatte die römische Kirche sowie das Papsttum ohne Zweifel sogar wüst beschimpft. Dabei darf aber nicht außer Acht gelassen werden, dass es doch gerade die katholische Fraktion damals war, die Luther am liebsten einen Prozess als Ketzer machen und ihn lichterloh brennen sehen wollte. Karl V., ein streng katholischer Kaiser, erklärte ihn sogar für vogelfrei bzw. sprach die Reichsacht über ihn und seine Anhänger aus (Wormser Edikt). Dass Emotionen in solchen Fällen nicht selten in harten Worten ihren Ausdruck finden, müsste eigentlich nachvollziehbar sein.

In aller Deutlichkeit: Bei der Kritik an Martin Luther geht es nicht darum, was er berechtigterweise kritisierte. Es geht vielmehr um das Schisma, welches er verursachte, um seine Fehlinterpretationen der Bibel, um seine Kritik an der Aufgabe des Papstes und des Lehramtes, um seine falsche Rechtfertigungslehre.

Die ganze Debatte hinsichtlich einer möglichen Rehabilitierung Luther durch den Papst kann ich ohnehin nicht verstehen. Was bzw. wem bringt das was? Martin Luther zu rehabilitieren ohne gleichzeitig die wesentlichen Punkte seiner Theologie, vor allem die Rechtfertigungslehre anzuerkennen, wäre absolut heuchlerisch und zielt letztlich nur darauf ab, sich bei den Lutheranern und Protestanten, die sich für Lutheraner halten, beliebt zu machen. Solange eine Rehabilitierung Luthers nicht zu Konsequenzen in der Theologie und in den Gebräuchen der röm.-kath. Kirche führt, ist sie für uns Lutheraner wertlos. Luther selbst ging es um theologische Inhalte und nicht um Personenimagepflege. Im übrigen hängt unsere Meinung über Luthers Theologie und Person nicht von einem Urteil des Papstes ab, da wir sein Amt und die damit verbundenen Ansprüche ohnehin nicht akzeptieren können. Das ist aber mal wieder ein deutlicher Beleg für ein falsches Verständnis von Ökumene.

Es kann keine Rehabilitierung Luthers geben und es kann schon gar keine Anerkennung angeblich wesentlicher Punkte seiner Theologie geben, und schon 1000 mal keine Anerkennung seiner Rechtfertigungslehre.
Ansonsten keinen Kommentar zum Deinem letzten Absatz. Es ist den Zeitaufwand nicht wert.

Aber dafür zwei Buchempfehlungen, von denen ich mal behaupte, dass niemand mitreden kann, der diese beiden Bücher bzw. deren Quellliteratur nicht kennt, mag er Protestant oder Katholik sein:

"Das Ich im Glauben bei Martin Luther",
Untertitel: Der Ursprung der anthropozentrischen Religion,
von Paul Hacker,
ISBN: 3-936741-10-7

"Lehrer des Glaubens"
Luther einmal anders
von Reinhard Dörner (Hg.)
ISBN: 3-00-013720-3

[color=#] [/color]
quidquid cognoscitur, ad modum cognoscentis cognoscitur (n. Thomas v. Aquin)

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Jacinta
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Beitrag von Jacinta »

ad_hoc hat geschrieben: Mehrere Protestanten meinten später, dass Luthers Bibel ungemein fehlerhaft wäre. „An 100 Stellen sei der Sinn des Originals nicht zu getroffen, keine andere Übersetzung) sei vom Urtext so sehr abgeirrt, sei die ungenaueste aller Übersetzungen, über 3000 (!) Stellen bedürften der Berichtigung!“
Das ist eine sehr spannende Angelegenheit. Teilweise regelrecht sinnentstellend. Deshalb denke ich, dass zumindest ein Teil der Felher Absicht war. Ein Beispiel.
ad_hoc hat geschrieben:Nach Ig. V. Döllinger klagte Luther:
„Ach, ich habe dem Papst und Mönchen alles geglaubt, was sie mir sagten, was aber jetzt Christus sagt, der doch nicht leugnet, das kann meine Vernunft nicht glauben…so wenig ihr glaubt, dass dieser Gesang gut ist, so wenig glaube ich fest genug, dass Theologia war sei.“
Damit stellt er im Grunde das gesamte Christentum in Frage. War Luther ein verkappter Agnostiker?
ad_hoc hat geschrieben:In Tischreden sagt Luther selbst, dass Käthi ihn bei sechs Kindern zum Vater gemacht, aber er noch einen weiteren Sohn, Andreas habe, der nicht von ihr ist. Diesen Sohn nahm er in seinen Haushalt auf.
Was Luther von ehelicher Treue hielt, schrieb er ihr selbst: „Ich habe so starke Anfechtungen von den schönen Weibern, dass ich weder Sorge noch Furcht habe vor allerlei Unkeuschheit.“ (De Wette V. 783)

Dass Ehebruch erlaubt ist, verkündet Luther auch von der Kanzel, in der Predigt vom ehelichen Leben (1526): „Will Fraue nicht, so komme die Magd; - will sie dann nicht, so laß dir eine Esther gegen und die Vasthi fahren, wie der König Aßuerus tat.“
Öffentlicher Aufruf zum Ehebruch! Anscheinend nahm es Luther mit den Geboten nicht so ganz ernst oder er interpretierte sie sehr abwegig. Moralisch inakzeptabel. Leider werden deratige Dinge in der Regel ausgeblendet, wenn es um Luthers Lehre geht. Antisemit war er meines Wissens auch. Doch das trifft auf sehr viele berühmte Persönlichkeiten zu.
ad_hoc hat geschrieben:Oft plagten ihn Kongestionen und Steinschmerzen, welche er dem Papste und den Kardinälen wünschte.
Das spricht nicht gerade für Luther. Wie war das doch gleich mit der Feindesliebe... ;)
ad_hoc hat geschrieben: In aller Deutlichkeit: Bei der Kritik an Martin Luther geht es nicht darum, was er berechtigterweise kritisierte. Es geht vielmehr um das Schisma, welches er verursachte, um seine Fehlinterpretationen der Bibel, um seine Kritik an der Aufgabe des Papstes und des Lehramtes, um seine falsche Rechtfertigungslehre.
Genau das wird katholischerseits kaum Akzeptanz finden können.

Bischof
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Beitrag von Bischof »

Die Diskussion gewinnt an Oberflächlichkeit.

Mir scheint, dass manch einer seine Vorurteile pflegt, damit er weiter ein Feindbild haben und weiter auf Pappkameraden schießen kann. Ein ausgewiesener Lutherkenner ist auf römisch-katholischer Seite Otto Hermann Pesch. Auch er übt seine Kritik aus römisch-katholischer Sicht (das darf er ja auch), bleibt aber sachlich und nimmt die Aussagen Luthers im historischen Kontext ernst. Das fehlt in dieser Diskussion leider allzu oft.

Zudem sind für die Lutherische Kirche die Evangelisch-Lutherischen Bekenntnisschriften als Lehrgrundlage entscheidend und nicht das, was Luther irgendwann zu irgendwem gesagt hat. Auch das wird leider zu oft im ökumenischen Dialog vergessen.

Nebenbei gab es noch weitere zahlreiche lutherische Reformatoren, wie Melanchthon und Bugenhagen. Aber das nur nebenbei...

Dass es Lehrunterschiede gibt, wie das Papsttum, die Gleichrangigkeit von Schrift und Tradition, das Amtsverständnis, die Sakramentenlehre, etc. ist ein Faktum.

In Gesprächen (das heißt hier ja Gespräche im Kreuzgang) ist es nötig, sein Gegenüber ernst zu nehmen, indem man erstmal zuhört (sorgsam liest), ggf. nachfragt und dann seine Meinung vertritt.

Herzliche Grüße
Bischof

Raphael

Beitrag von Raphael »

Bischof hat geschrieben:Zudem sind für die Lutherische Kirche die Evangelisch-Lutherischen Bekenntnisschriften als Lehrgrundlage entscheidend und nicht das, was Luther irgendwann zu irgendwem gesagt hat.
1. Lutherische Kirche?
Wer ist da der HERR?
Luther oder Jesus Christus?

2. Evangelisch-Lutherischen Bekenntnisschriften?
Glauben ist mehr als Bekennen!

Im Übrigen ist die Zusammensetzung evangelisch und lutherisch schon zu hinterfragen, da die Frohe Botschaft nicht originär von Luther stammt.

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Lutheraner
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Beitrag von Lutheraner »

Marcus hat geschrieben:Weniger Verständnis habe ich allerdings, wenn sich Katholiken im 21. Jahrhundert immer noch über Luthers zum Großteil durchaus inhaltlich berechtigte Kritiken bzgl. des Papsttums und der damaligen röm. Kirche aufregen.
Das ist ja nur eine kleine Gruppierung und diese Gruppierung würde wahrscheinlich ihren Glauben verlieren, wenn sie vor sich selbst zugestehen müsste, welche Verfehlungen die röm.-kath. Kirche und ihre Führung im Mittelalter begangen hat. Für diese Katholiken ist das moralisch richtige Handeln und die Verkündung ewiger Wahrheiten durch die Führung der röm.-kath. Kirche genauso fundamental für den Glauben wie für uns Kreuz und Auferstehung. Müsste diese Gruppierung die Realität anerkennen, würde ihr Glaube zerbröckeln (da er auf einem falschen Fundament steht), also hetzen sie als Selbstschutz lieber über die angeblichen "Feinde" ihrer Kirche.

Das ist ja nicht nur mit Luther so. Da sich das römische Fehlurteil gegen Galileo nicht mehr leugnen lässt, wird er von konservativen katholischen Kreisen regelmäßig in den Schmutz gezogen und alle seine negativen Eigenschaften (die er natürlich hatte) völlig überspitzt hervorgehoben. Das soll alles nur von eigenen Fehlern ablenken. Kürzlich gab es einen "netten" Artikel auf +.net dazu.

Es lohnt sich also kaum die Finger mit Argumenten wund zu schreiben ;)
"Ta nwi takashi a huga bakashi. Ta nwi takashi maluka batuka"

conscientia
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Beitrag von conscientia »

ad_hoc hat geschrieben:ad_hoc hat geschrieben:

Hallo conscientia

Ich werde behutsam auf einige Deiner Punkte direkt eingehen:
conscientia hat geschrieben:
Lieber ad_hoc,

so ist es. Luther ist für mich so etwas wie ein Vater im Glauben,

[color=#]Antwort: [/color]
Inwiefern ist Luther ein Vater im Glauben? Er hat durch sein Verhalten ein Schisma ausgelöst und nichts getan, um das Schisma wieder aufzulösen. Bis zu seinem Tode hat er die katholische Glaubensauffassung, sofern sie nicht mit seiner eigenen Sicht übereinstimmte, bekämpft, ebenso den Papst, den er als Antichristen und auch sonst auf die übelste Weise ebenfalls bis zu seinem Tod beschimpfte. Es ist bezeugt, dass Luther eine schreckliche Fäkaliensprache gebrauchte und er selbst wußte dies. Vor Zeugen hat er mehrmals gesagt. "Ich will beten, und kann nur fluchen." Wo hat man so etwas mal vom Hl. Thomas von Aquin u. a. katholischen Heiligen gehört?
wobei ich trotz aller Schwächen der Personen für Johannes Bugenhagen, den ehemaligen Klosterschullehrer für Latein und Religion, mehr Verehrung hege. Was ich an Luther nicht mag, ist seine unsystematische Art zu argumentieren. Da lobe ich mir den Calvin. Hast Du einmal Passagen aus seiner "Institutio" gelesen? Der Text hält den Vergleich mit des hl. Thomas Summen auf.

Antwort:
Calvin war zwar vermutlich intelligenter und pragmatischer als Luther, aber er war auch rigoroser in seinen Ansichten und seine Art des Glaubenslebens und der Einstellung halte ich für dumpf. Auch kann er geschrieben haben, was er will. Wie tief können seine Erkenntnisse gewesen sein, wenn sie ihn und alle Gläubige, die ihm vertraut haben nicht in die katholische Kirche zurückführten, von der er und seine Gläubigen sich getrennt haben?

-- Zur Sache: Wenn ich mir die in den letzten Jahrzehnten gemachten Fortschritte in der bi- wie der multilateralen innerchristlichen Ökumene anschaue und mich gleichzeitig auf das Urteil (ich meine des alten Heinrich Fries) verlasse, dass die theologisch-dogmatischen Unterschiede innerhalb der abendländischen Konfessionen - über die Unterschiede zwischen der römischen und der verschiedenen morgenländischen Schwesterkirchen darf ich mich mangels Sachkenntnis nicht äußern - geringer sind als die zwischen den einzelnen theologischen Schulen, die in ihren inspirierten, d. h. damals vom hl. Irenäus von Lyon und seinen Kirchenväterkollegen anerkannten Schriften Eingang in die Hl. Schrift Neuen Testamentes gefunden haben, frage ich mich: Warum bringen es meine ungetrennten Brüder ultra montes noch die getrennten fertig, endlich einmal konkret etwas für die Einheit ihrer geistig so eng verwandten Kirchen zu tun? -
Meine Antwort, in zunehmend bitterer Reflexion gefunden: Die Kirchenfürsten, gleich welchen Bekenntnisses, wollen die Einheit faktisch nicht.
[/color]

Antwort:
Daran glaube ich zwischenzeitlich auch!

Man müsste ja aufbrechen von den Fleischtöpfen Ägyptens und sich auf den Weg machen, sich das Vertraute, es neu durchdenkend und übend, neu und für den getrennten Bruder gewinnend zu eigen machen.
Konkret: Weil der hl. Augustinus damals auf dem Bischofskonvent von Orange, ich meine 629, nur gerade so eben für die Gesamtkirche (abend- wie morgenländische) gerettet wurde, halte ich die verbliebenen theologischen Differenzen in der Anthropologie nicht für so bedeutend, dass sie kirchentrennend sein müssten. Ich habe mit meinen Theologenkollegen 62.000 theologische Differenzen, fühle mich manchmal unnötig in die Enge getrieben und möchte gleichwohl kein neues Gläubchen gründen wie ein Erweckungsprediger in Wuppertal oder Holland.



Es gäbe da noch mehr zu schreiben, aber ich muss jetzt fort.

Bis auf bald
c.

Gruß, ad_hoc


Hallo, ad_hoc,

vielleicht bekommst Du diesen Beitrag zu lesen.

I. Zu Luther und Calvin: Speziell zu Luther habe ich auch Deinen Beitrag in einem anderen Diskussionsstrang gelesen (von wegen Fäkalsprache, Sucht nach Frauen etc.). Sicher, über Lebensäußerungen und Meinungen Luthers und anderer Reformatoren (und auch etlicher Landesherren, die im 16. Jahrhundert Reformation oder Schisma (Heinrich VIII.!) gefördert haben) kann man verschiedener Meinung sein. In Deinem Beitrag fällt auf, dass Du nichts zu Bugenhagen schreibst. Fällt Dir zu ihm nichts ein, sodass Du keinen Anlass findest, etwas Negatives über ihn zu schreiben? - Auch die hll. Augustinus (Trennung von seiner Freundin), Gregor VII., Pius V. und Pius X. (Reformpapst, was viele ungern zur Kenntnis nehmen - Modernistenverfolger) haben teils extreme Schwachseiten, die nicht in unsere political correctness (bzw. noch halbwegs viktorianischen, 'n bisschen kleinbürgerliche Moralvorstellungen passen). Genauso gut könnte ich jeden Musiker oder Komponisten kritisieren, ob er nun Orgel gespielt hat, Sopranblockflöte oder Hackbrett.

II. und III. Zur Auffassung von eucharistischer Realpräsenz und zu Methode der Ökumene

Ob die eucharistische Realpräsenz des Herrn so materialistisch interpretiert werden muss, wie das unter dem Deckmantel des Begriffs "Transsubstantiationslehre" bisweilen in rk. Pfarren geschieht, wage ich zu bezweifeln

Antwort:
Das ist das, was trennt.

(viel berechtigter scheint mir, dass wir uns noch einmal um eine sachgerechte Interpretation des hl. Thomas wie des Tridentinums bemühen müssen). Von daher habe ich den Eindruck - es fehlt mir auf Grund beruflicher Belastung die Zeit, darüber einmal etwas Profundes zu schreiben -, dass wichtiger wäre (wie ich es in einem anderen Strang formuliert habe): Die Evangelischen lutherischen wie calvinischen Bekenntnisses müssten sich einfach einmal zur allsonntäglichen Eucharistiefeier mit einem wirklich funktionierenden Eucharistiegebet (= anamnetisch-epikletischen Konsekrationsgebet) bequemen und darauf achten, dass die übergebliebenen hll. Species vom Pfarrer und dem Altarhelfer unmittelbar nach der Feier in einem würdigen Rahmen sumiert werden (statt sie der Frau Pfarrer zur Verarbeitung als Croutons für die Restesuppe am Montag zu überlassen): Die Sumation entspricht, wenn ich mich recht erinnere, dem Liturgierecht zum Beispiel der Landeskirche in Württemberg, nur hält sich keiner dran, Gott sei's geklagt, das ist so ähnlich wie in der römischen Kirche mit dem Missale von 1970.

Antwort:
Ich gehe gar nicht erst darauf ein, sondern ich stelle einfach eine Frage: Ist es richtig, dass es nur eine Art der korrekten Aufhebung einer Trennung geben kann, nämlich dass das, was die Trennung verursacht hat (und damit meine ich nicht den sogenannten Ablaßhandel, der für Luther, wie er später selbst geschrieben hat, gar nicht das Wesentliche war) und sich vom Fundament getrennt hat, wieder das Trennende aufheben und zum Fundament zurückkehren muß?
a) Schade, dass Du nicht Stellung zu der von mir formulierten Position beziehst. Butter bei die Fische!

b) Was das Verhältnis zwischen evangelischen Kirchen und römischer Kirche angeht: Deine Vermutung kann ich bejahen, sofern Du von der ersten, bestenfalls zweiten Generation von Kirchenfürsten und Klerus in reformatorischen Gemeinschaften sprichst.
Für heute gilt: Es sind mehr als 450 Jahre vergangen. Sowohl die reformatorischen Gemeinschaften (landesfürstliche Kirchenherrschaft samt ihrer Abschaffung - Abtuung und Wiedereinführung des Episkopats - allerhand Missbräuche aus der Aufklärung, die von hochkirchlichen Bewegungen mühsam genug überwunden werden müssen) als auch die römische Kirche haben Veränderungen hinter sich (römische Kirche: Festzurren der Glaubensdoktrin mit antireformatorischer Spitze ohne vorangegangene Konsultation von Vertretern der reformatorischen Gemeinschaften - Festzurren der Spiritualität mit antireformatorischer und marianischer Spitze - romzentrierter Papalismus als Reaktion auf die Übergriffe der Monarchen und Landesherren in 18. u. 19. Jh - allerhand Lebensformen, die von der patristischen, neuscholastischen, biblischen und liturgischen Bewegung mühsam genug überwunden werden müssen). Zwischen Glaubensgemeinschaften, die sich, warum auch immer, auseinander entwickelt haben, Einheit wiederherzustellen, die diese Bezeichnung auch verdient, ist sehr, sehr schwer. Ohne ein echtes, vom Hl. Geist getragenes Über-den-eigenen-Schatten-Springen wird das nicht zu erreichen sein.

Ich fürchte, eine Versöhnung zwischen der römischen Kirche, wie sie sich in Zentraleuropa und in den englischsprachigen Ländern darstellt, und den verschiedenen Altritualistengemeinschaften (oder Kirchen?) wird nur schwer möglich sein. Ich vermute sogar, dass der Zug bereits abgefahren ist.

Butter bei die Fische!

Könntest Du, ad_hoc, Dir vorstellen, in Kirchengemeinschaft mit Christinnen und Christen zu leben,
aa) deren Marienfrömmigkeit sich darin erschöpft, die Hochfeste der Aufnahme Mariens in den Himmel (15.8.) und der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau (8.12.) zu feiern,
bb) deren Verbindung zum römischen Papst sich nur darin zeigt, dass sie seine Enzykliken aufmerksam lesen, ihn im Kanon erwähnen und dass Weihefest der Lateranbasilika feiern (9.11.),
cc) die eucharistische Realpräsenz des Herrn, ohne die Transsubstantiationslehre vorzuschreiben, bekennen, in ihrer Kirche in der Sakramentskapelle eine Nische haben, in der Krankenkommunion aufbewahrt wird, aber in der Regel die meisten konsekrierten hll. Hostien nach der Feier sumiert werden (s. Landeskirche Württemberg),
dd) die Bischöfe ihr Leitungsamt ohne Generalvikar, Behörde und Dienstwagen wahrnehmen?

Leb wohl - conscientia

ad_hoc
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Beitrag von ad_hoc »

Jacinta hat geschrieben:
Damit stellt er im Grunde das gesamte Christentum in Frage. War Luther ein verkappter Agnostiker?

Das ist schon mal ein Gedanke in die richtige Richtung. Ich bin einfach zu faul, mehr darüber zu schreiben, weil dieses Thema einige Seiten füllen würde. Deshalb ja die beiden Buchempfehlungen meinerseits.


Ich gehe auf die letzten Beiträge der Luther-Sympathisanten gesammelt ein.

Bischof hat geschrieben:
Die Diskussion gewinnt an Oberflächlichkeit.
Du irrst! Es geht an das Eingemachte, an das Wesentliche der Person Martin Luthers, der sehr gerne bereits am Anfang seines Kampfes gegen die Kirche einen Rückzieher gemacht hätte, wäre er von den deutschen Fürsten nicht ihrer Unterstützung versichert worden.
Thomas Münzer warf Luther vor: "Er habe es dem deutschen Adel, dem er das Maul mit Honig bestrichen, zu verdanken, dass er zu Worms festgestanden, denn der Adel wähnt nicht anders, als du würdest mit deinen Predigen Geschenke geben - Klöster und Stifte. So du zu Worms hättest gewankt, wärst du vom Adel eher erstochen worden als losgegeben, weiß doch ein jeder." (Jansen II. 166)
Damit kommen wir schon an die eigentlichen Ursachen der Loslösung von Rom, welche nicht nur die deutschen Fürsten anstrebten. Luther war ein zur richtigen Zeit aufgetauchtes und sehr willkommenes Werkzeug hierzu. Danach konnte Luther nicht mehr anders, als bei seinem einmal eingeschlagenen Weg zu verbleiben und er blieb in dieser Verstocktheit zumindest bis zu seinem Tode. Es ist von seinen Hausfreunden zumindest nie bekannt geworden, dass er seine Taten, seine Worte und Schriften bereut hätte und zur katholischen Kirche zurückgefunden hätte, was seine einzige Rettung gewesen wäre. So ist er ein Lügner und Empörer geblieben, der die Bauern zuerst gegen die Obrigkeit aufgehetzt hatte, und dann, als der Sieg der Obrigkeit gegen die Bauern absehbar war, die Obrigkeit, die Fürsten, zur Vernichtung der Bauernbrut aufgefordert hatte.
Dass er ein Judenfeind war, will ich nicht mal besonders kommentieren; das waren zu dieser Zeit nahezu alle.

weiter:
Mir scheint, dass manch einer seine Vorurteile pflegt....
Belege das bitte.

weiter:
Zudem sind für die Lutherische Kirche die Evangelisch-Lutherischen Bekenntnisschriften als Lehrgrundlage entscheidend und nicht das, was Luther irgendwann zu irgendwem gesagt hat. Auch das wird leider zu oft im ökumenischen Dialog vergessen.
Dazu hat Raphael sich bereits geäußert. Zu ergänzen ist, dass Luther und seine religiöse theologischen Aussagen ja nur die Spitze des Eisberges waren. Die Ursachen der Thesen, die Luther damals vertreten hat, waren schon Jahrhunderte vorher bekannt und sie haben sich bis zur Zeit Luthers weiterentwickelt und darüber hinaus bis heute. Hintergrund ist ganz einfach der, dass man sich aus der vermeintlichen Gewalt der Kirche befreien wollte, man wollte niemandem, auch Gott nicht, verpflichtet sein; man wollte so leben, wie man es wollte, ohne Pflichten, ohne Gebote. Heute würde man sagen, man wolle sich selbst verwirklichen, was immer auf Kosten anderer und mit der Negierung eines göttlichen Wirkens verbunden ist.

weiter:
In Gesprächen (das heißt hier ja Gespräche im Kreuzgang) ist es nötig, sein Gegenüber ernst zu nehmen, indem man erstmal zuhört (sorgsam liest), ggf. nachfragt und dann seine Meinung vertritt.
Dann verhalte Dich entsprechend, Bischof! Und belege Deine Behauptungen wenigstens mit Quellenangaben und ohne gleich persönlich zu werden. Vielleicht hast Du nicht bemerkt, dass ich keinen Protestanten angegriffen habe, sondern allein die Umtriebe des Mitverantwortlichen Luther, der also mitverantwortlich ist für das Entstehen einer protestantischen Lehrauffassung, die natürlich heute viele Strömungen aufweist. Die Ursachen aller dieser Strömungen, um es nochmals zu wiederholen, liegen schon Jahrhunderte vor der Zeit Luthers. Luthers waren diese sicher zum Teil bekannt und er hat sie in seine neue Lehrauffassung eingebaut.


Lutheraner hat geschrieben:
Das ist ja nur eine kleine Gruppierung und diese Gruppierung würde wahrscheinlich ihren Glauben verlieren, wenn sie vor sich selbst zugestehen müsste, welche Verfehlungen die röm.-kath. Kirche und ihre Führung im Mittelalter begangen hat.

Belege das bitte.
Ansonsten ist es vielleicht tatsächlich nur eine kleine Gruppierung, die auf das Leben Luthers, seine Aussagen, seine neue Lehrauffassung hinweisen; aber es werden wohl immer mehr, die sich mit den Umständen und Hintergründen des Protestantismus beschäftigen. Dass man sich, der deutsche katholische Klerus vorne weg, hier keine tiefergehenden Kenntnisse angeeignet hat, weil sie keine Geschichtsforschung betrieben haben und sich mit den Inhalten der Aussagen Luthers nicht eingehend beschäftigt haben, weil sie der Einfachheit und der Oberflächlichkeit halber kommentarlos und kritiklos (also ohne Nachprüfung) die Aussagen und Behauptungen ihrer protestantischer Diskussionspartner in Bezug auf Luther und in Bezug auf seine Lehren, angenommen haben, deshalb ist bislang nichts zum wahren Wesen Luthers bekannt geworden. Vielleicht will man dies auf katholischer Seite auch gar nicht.
Denn wollte man dies, wären die ökumenischen Gespräche mit dem Ziel einer gleichwertigen, ebenbürtigen Akzeptanz wohl ab sofort hinfällig.

Verstehe bitte, Lutheraner, dass Deine Vorwürfe zu den Verfehlungen der katholischen Kirche im Mittelalter nicht das Thema sind. Sie sind es deshalb nicht, weil die Verfehlungen der Katholischen Kirche zu dieser Zeit klar und offensichtlich sind und diese auch nicht abgestritten werden. Darum geht es also nicht!
Es geht um die durchaus dubiose Person Martin Luther und um seine Lehre, die in wichtigen Bereichen im Gegensatz zur katholischen Lehre steht! Bitte kapiere dies endlich und wiederhole hier nicht endlos Deine immer gleichen Aussagen.

weiter:
Da sich das römische Fehlurteil gegen Galileo nicht mehr leugnen lässt, wird er von konservativen katholischen Kreisen regelmäßig in den Schmutz gezogen und alle seine negativen Eigenschaften (die er natürlich hatte) völlig überspitzt hervorgehoben. Das soll alles nur von eigenen Fehlern ablenken.
Auch da bist Du nicht richtig informiert, weil Du ganz offensichtlich nur Gelesenes oder Gehörtes nacherzählst. Hättest Du Dich etwas tiefer mit diesem Thema beschäftigt, dann wüßtest Du, was es tatsächlich mit Galileo auf sich hatte.
Galileo, ich urteile jetzt nicht über seinen Charakter, kopierte die Erkenntnisse des Kopernikus und gab sie größtenteils als eigene Erkenntisse aus. So wie er behauptete, das Fernrohr erfunden zu haben, welches nachweißlich bereits viele jahre vorher erfunden worden war.
Galileo war als Wissenschaftler beliebt im Vatikan, besonders bei Karinal Bellarmin und auch dann, als Bellarmin Papst geworden war.
Man hatte Galileo nur gebeten, doch seine Erkenntnisse nicht als absolute Fakten darzustellen, weil diese Erkenntnisse ja noch gar nicht bewiesen worden waren. Der Vatikan konnte mit wissenschaftlichem Denken und Vorgehen durchaus umgehen, wurde doch die Wissenschaft zu dieser Zeit vom Vatikan sehr stark gefördert und unterstützt.
Galileo tat dem Vatikan diesen Gefallen nicht. Er behauptete seine Thesen weiterhin, ohne den Beweis für die Richtigkeit seiner Thesen aufstellen zu können. Galieleo hat sich, auch nach heutigen Vorstellungen, unwissenschaftlich verhalten.
Solange also die neue Theorie noch nicht bewiesen war, mußte man als Orientierung die bisherige, tatsächlich noch nicht wiederlegte lehrauffassung annehmen.
Der Fehler gegenüber Galileo bestand als darin, dass man ihm den Prozess machte, anstatt darauf zu verzichten. Als später die Galileo wissenschaftlich bestätigt wurde, war das Ansehen des Vatikans natürlich dahin. So war die Geschichte - und nicht anders!

Ach ja, Galileo wurde natürlich auf das Allerschlimmste bestraft, nämlich zu Hausarrest in einer feudalen Villa, wo bei ihm alle Wünsche erfüllt worden sind.

weiter:
Es lohnt sich also kaum die Finger mit Argumenten wund zu schreiben
Auch da ist ein gravierender Fehler enthalten. Wo sind denn Deine begründeten Argumente? Ich habe sie hier nirgends gefunden. Ich stelle nur fest, dass Du eine Reihe von Behauptungen und Meinungen vom Stapel läßt. Mehr ist es nicht.
Wenn Du also etwas Sachdienliches zum Thema beisteuern willst, dann tue, wenn schon nicht mir, dann doch wenigstens den übrigen Usern des Forums den Gefallen, Dich um Quellensuche für Deine Behauptungen zu bemühen und Dich zuvor ausreichend zu informieren.
Und weiter solltest Du zumindest versuchen, mich zu widerlegen. Das sollstest Du Dir und Deiner Einstellung schuldig sein.

weiter:
Ich würde eher sagen ad_hoc nimmt es mit den Geboten nicht so ganz ernst ("Du sollst kein falsch Zeugnis reden....") aber das Ignorieren dieses Gebots ist bei Tradis wohl nichts neues

Diese Behauptung ist eine Frechheit. Allerdings stört mich das in keinster Weise, weil ich weiß, dass sie von jemandem kommt, der hier bewiesen hat, dass er zur Sache nur Meinungen einstellt, anstatt begründete Auffassungen. Nebenbei bemerkt: Ich habe kein falsches Zeugnis abgelegt; für alle Fakten, die ich eingestellt habe, sind auch die Quellen benannt.

Die von mir angegebene Literatur ist übrigens nachweisbar über

www.ubka. uni-karlsruhe.de/kvk/.html
quidquid cognoscitur, ad modum cognoscentis cognoscitur (n. Thomas v. Aquin)

Bischof
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Beitrag von Bischof »

Sehr geehrter ad_hoc!
Zunächst kann ich mich nicht erinnern, dass ich Ihnen das "Du" angeboten hätte. Im nicht virtuellen Leben würden wir uns schließlich auch nicht dudzen. :ja:

Es wäre also nett, auf die Höfflichkeitsformen zu achten.

Weiter zur Person Luthers:
Die Diskussion gewinnt insofern an Oberflächlichkeit, weil im Zentrum der Auseinandersetzung das Leben Luthers rückt (seine Aussprüche, sein Essen und Trinken etc.). Das mag für Sie und manch anderen interessant sein, zeigt für mich aber nur, dass Sie sich nicht mit der Sache, dem Inhalt oder der Theologie auseinandersetzen möchten. Es ist doch unnötig mich über die tatsächlichen oder vermeintlichen Mätressen von Päpsten und Bischöfen die Finger wund zu schreiben. Das bringt nämlich wenig. Entscheidend ist der Inhalt.

Credo und Confessio auseinander zu devidieren, ist ein Scheinalternative. Aber hier wäre zumindest ein inhaltlicher Ansatz um angemessen weiter zu diskutieren. Credo und Confessio sind zwei Seiten einer Medalie. (Hier wäre z.B. einmal ein Vorurteil - Sie fragten ja nach Belegen!).

Soweit erstmal.
Herzliche Grüße
Bischof

Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

ad_hoc hat geschrieben:Wo hat man so etwas mal vom Hl. Thomas von Aquin u. a. katholischen Heiligen gehört?
Von Thomas Morus gibt es Schriften, die in einem ganz ähnlichen Ton abgefaßt sind.
If only closed minds came with closed mouths.

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Von mir auch.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Von mir auch.
Mit Deiner Kanonisierung wird es auch noch ein bißchen dauern.
If only closed minds came with closed mouths.

conscientia
Beiträge: 621
Registriert: Freitag 18. April 2008, 12:04

Beitrag von conscientia »

Zu "Lehrer des Glaubens". Luther einmal anders, hrsg. v. Reinhard Dörner, Rest der Literaturangabe nicht belegbar:
Kardinal-von-Galen-Kreis e.V. in der Aktionsgemeinschaft katholischer Laien und Priester
Bisher: Initiativkreis Münster e.V.
Home
"Lehrer des Glaubens"? Luther einmal anders
Ergänzungsband zum Berichtband der Osterakademie 2003 in Kevelaer (2004)
Preis: € 8,00 zzgl. Versandkosten. Eventuelle Gewinne aus dem Verkaufserlös fließen der Arbeit des Initiativkreises zu.

Luther als Lehrer?1

Abgesehen von seinen vielen widersprüchlichen Äußerungen steht als Tatsache fest: Luther hat die heilige Messe häufig als Abgötterei bezeichnet und die Sakramente der Kirche abgelehnt; nur die Taufe nimmt er an, aber auch nur als Zudeckung, nicht als Tilgung der Erbsünde. Er hat den katholischen Kirchenbegriff radikal preisgegeben (J. Lortz). Über die entsetzlich verzerrenden Übertreibungen des abgefallenen Mönches und seinen unbeherrschten triebhaft-gehässigen oder herrischen Stil, den „kochenden Hass, der in allem Grobianismus seiner Zeit nicht seinesgleichen hat“ (J. Lortz), die bewussten Verzeichnungen katholischer Lehre, die gelegentlichen abstoßenden Überheblichkeiten - wie keineswegs nur katholischerseits festgestellt wurde -, kann sich jeder ein Urteil bilden, der einen Blick in seine Werke wirft. Nach E. Bizer sind u. a. seine häufig verwendeten Bilder aus dem Verdauungsvorgang schon zu seiner Zeit von den Evangelischen als anstößig empfunden worden und einfach nicht wiederzugeben.
Um der Einheit willen muss man auch klar sehen, was im 16. Jahrhundert zur Trennung führte. Luther war nach J. Lortz überhaupt kein Theologe, sondern ein Prediger; deshalb war die Möglichkeit krasser innerer Widersprüche in seinen Grundtheorien gegeben, ohne dass damit schon direkt Unaufrichtigkeit gegeben war. Was Luther noch an Traditionsgut beibehalten hat (Vorrang des Trinitätsglaubens; Lehre von Erschaffung, Urstand und Fall des Menschen, christologische Zentralwahrheiten usw.), dürfte heute von den meisten Protestanten aufgegeben sein - er bedeutet für viele kaum mehr als eine historische Symbol- und Gallionsfigur des Protestes.
Der protestantisehe Rechtshistoriker H. Fuhrmann stellt fest: „Über allen ökumenischen Gesprächen unserer Tage sollte nicht übersehen werden, dass Luthers Rechtfertigungslehre, seine Ablehnung der Tradition, seine Nichtanerkennung allgemeiner Konzilsbeschlüsse, sein Bestreiten der normativen und den Glauben überwachenden Rolle des römischen Papsttums, um nur wenige Punkte zu nennen, fraglos große Ketzereien darstellen, die auch heute von der katholischen Kirche als Ketzerlehren angesehen werden müssen“. ,,Luther war kein verkannter katholischer Frühreformer, auf dessen Kurs die Kirche später von sich aus hätte einschwenken können“. ,,Luther ist zu recht in den Bann getan worden“.
Es dient weder der historischen Wahrheit noch der Einheit der Kirche, wenn man die kirchentrennenden Positionen Luthers zu verschweigen sucht, seine sich selbst disqualifizierende Polemik als bloße Episode abtut und aus Opportunismus sachgerechten Antworten ausweicht.

1 Auszug aus einer Textsammlung von Prof. Dr. Johannes Stöhr

http://www.ik-muenster.de/buch_2003_supplement.shtml


Zu Paul Hacker später.

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Marcus
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Registriert: Dienstag 13. Juni 2006, 14:48

Beitrag von Marcus »

Offengestanden ist es mir eigentlich zu blöd auf bestimmte Beiträger mancher Herrschaften in diesem Thread einzugehen. Was die Qualität des Buches „,Lehrer des Glaubens´? Luther einmal anders“ betrifft, darüber kann sich bereits jeder sein Urteil bilden, der mal Luthers Kleinen Katechismus gelesen hat.
Der Kl. Katechismus hat geschrieben:Das vierte Hauptstück: Das Sakrament der Heiligen Taufe

Zum ersten: Was ist die Taufe?
Die Taufe ist nicht allein schlicht Wasser,
sondern sie ist das Wasser
in Gottes Gebot gefaßt
und mit Gottes Wort verbunden.
Welches ist denn dies Wort Gottes?
Unser Herr Christus spricht
bei Matthäus im letzten Kapitel:
Gehet hin in alle Welt
und machet zu Jüngern alle Völker:
Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Zum zweiten: Was gibt oder nützt die Taufe?
Sie wirkt Vergebung der Sünden,
erlöst vom Tode und Teufel
und gibt die ewige Seligkeit allen, die es glauben,
wie die Worte und Verheißung Gottes lauten.
Welches sind denn solche Worte und Verheißung Gottes?
Unser Herr Christus spricht bei Markus im letzten Kapitel:
Wer da glaubt und getauft wird,
der wird selig werden;
wer aber nicht glaubt,
der wird verdammt werden.

Zum dritten: Wie kann Wasser solch große Dinge tun?
Wasser tut's freilich nicht,
sondern das Wort Gottes,
das mit und bei dem Wasser ist,
und der Glaube,
der solchem Worte Gottes im Wasser traut.
Denn ohne Gottes Wort
ist das Wasser schlicht Wasser und keine Taufe;
aber mit dem Worte Gottes ist's eine Taufe,
das ist ein gnadenreiches Wasser des Lebens
und ein Bad der neuen Geburt im Heiligen Geist;
wie Paulus sagt zu Titus im dritten Kapitel:
Gott macht uns selig
durch das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung im Heiligen Geist,
den er über uns reichlich ausgegossen hat
durch Jesus Christus, unsern Heiland,
damit wir, durch dessen Gnade gerecht geworden,
Erben des ewigen Lebens würden
nach unsrer Hoffnung.
Das ist gewißlich wahr.
Zum vierten: Was bedeutet denn solch Wassertaufen?
Es bedeutet, daß der alte Adam in uns
durch tägliche Reue und Buße soll ersäuft werden
und sterben mit allen Sünden und bösen Lüsten;
und wiederum täglich herauskommen und auferstehen ein neuer Mensch,
der in Gerechtigkeit und Reinheit vor Gott ewiglich lebe.
Wo steht das geschrieben?
Der Apostel Paulus spricht zu den Römern im sechsten Kapitel:
Wir sind mit Christus begraben durch die Taufe in den Tod,
damit, wie Christus auferweckt ist von den Toten
durch die Herrlichkeit des Vaters,
auch wir in einem neuen Leben wandeln.

Das Fünfte Hauptstück: Das Sakrament des Altars oder das Heilige Abendmahl

Zum ersten: Was ist das Sakrament des Altars?
Es ist der wahre Leib und Blut
unsers Herrn Jesus Christus,
unter dem Brot und Wein
uns Christen zu essen und zu trinken
von Christus selbst eingesetzt.
Wo steht das geschrieben?
So schreiben die heiligen Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas und der Apostel Paulus:
Unser Herr Jesus Christus,
in der Nacht, da er verraten ward,
nahm er das Brot,
dankte und brach's
und gab's seinen Jüngern und sprach:
Nehmet hin und esset:
Das ist mein Leib,
der für euch gegeben wird;
solches tut zu meinem Gedächtnis.
Desgleichen nahm er auch den Kelch
nach dem Abendmahl,
dankte und gab ihnen den und sprach:
Nehmet hin und trinket alle daraus:
Dieser Kelch ist das neue Testament in meinem Blut,
das für euch vergossen wird
zur Vergebung der Sünden;
solches tut, sooft ihr's trinket,
zu meinem Gedächtnis.

Zum zweiten: Was nützt denn solch Essen und Trinken?
Das zeigen uns diese Worte:
Für euch gegeben und vergossen
zur Vergebung der Sünden;
nämlich, daß uns im Sakrament
Vergebung der Sünden, Leben und Seligkeit
durch solche Worte gegeben wird;
denn wo Vergebung der Sünden ist,
da ist auch Leben und Seligkeit.

Zum dritten: Wie kann leiblich Essen und Trinken solch große Dinge tun?
Essen und Trinken tut's freilich nicht,
sondern die Worte, die da stehen:
Für euch gegeben und vergossen
zur Vergebung der Sünden.
Diese Worte sind
neben dem leiblichen Essen und Trinken
das Hauptstück im Sakrament.
Und wer diesen Worten glaubt,
der hat, was sie sagen und wie sie lauten,
nämlich: Vergebung der Sünden.

Zum vierten: Wer empfängt denn dieses Sakrament würdig?
Fasten und leiblich sich bereiten
ist zwar eine feine äußerliche Zucht;
aber der ist recht würdig und wohl geschickt,
wer den Glauben hat an diese Worte:
Für euch gegeben und vergossen
zur Vergebung der Sünden.
Wer aber diesen Worten nicht glaubt oder zweifelt,
der ist unwürdig und ungeschickt;
denn das Wort Für euch
fordert nichts als gläubige Herzen.
Das Buch scheint das selbe Niveau wie die übliche Literatur eines Dave Hunts zu haben. Dass jetzt schon Katholiken anfangen, sich auf das selbe Niveau mancher Ultraevangelikalen zu begeben, die sich vor allem neue Mitglieder durch ihre Diffamierungskampagnen versprechen, erschüttert mich zutiefst.

conscientia
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Beitrag von conscientia »

Lieber Marcus,
versteh' mich nicht falsch, bitte. Ich dachte, ein Kommentar zu dem von Dörner verantworteten Machwerk erübrigt sich.
Ich selbst lese gern in den BSLK, am liebsten in der Apologie der Confessio Augustana.
Vale
conscientia Augustanus

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taddeo
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Beitrag von taddeo »

Lutheraner hat geschrieben:Wir sind Luther dankbar, dass er die reine Lehre des Evangeliums wiederentdeckt hat. Was für uns zählt ist die Bibel als Wort Gottes - ohne rationale Umdeutungen oder Erweiterungen durch eine kirchliche Tradition. Das ist die ewiglich wahre Lehre die bewahrt und verbreitet werden muß.
Auf die Gefahr hin, daß ich eigene und andere Beiträge zu diesem Thema wiederhole:

Genau in diesem Satz liegt der irrationale Trugschluß der Lutheraner. Luther hat nicht die reine Lehre, sondern seine Lehre des Evangeliums entdeckt. Für uns Katholiken ist die Bibel das Wort Gottes, das aus der kirchlichen Tradition heraus niedergeschrieben wurde, das aber nicht alles umfaßt, was das Christentum ausmacht - wie es schon in der Heiligen Schrift selber ausdrücklich heißt: "Noch viele andere Zeichen, DIE IN DIESEM BUCH NICHT AUFGESCHRIEBEN SIND, hat Jesus vor den Augen seiner Jünger getan" (Joh 20,30). Wir glauben eben, daß die Augenzeugen Jesu auch Dinge überliefert haben, die nicht in den Evangelien stehen. Diese Überlieferungen können aber ebensolche Authentizität beanspruchen wie das, was dieselben Augenzeugen schriftlich hinterlassen haben.

Die oben skizzierte Sicht von der Bibel als "ewiglich wahre Lehre, die bewahrt werden muß", erinnert eher an die moslemische Sicht vom Koran als dem vom Himmel gefallenen sakrosankten Wort Gottes. Das Mindeste, was man dann von der Bibel verlangen müßte, wäre ein einzig authentischer Urtext - den es bekanntlich nicht geben kann.

Diese ganze Debatte hier bestärkt mich einmal mehr in meinem Verdacht, daß alles Ökumenegerede hohles Geschwafel ist - zumindest hinsichtlich der reformatorischen Denominationen, die kein ernsthaftes Interesse daran haben, eigene Irrtümer zu erkennen. Auf der anderen Seite kann die katholische Kirche ebenfalls kein Interesse daran haben, sich mit solchen Fundamentalopponenten auf fruchtlose Arrangements einzulassen, die nur dazu dienen, die katholische Kirche lutherisch zu machen.

"Zurück zu Rom", und zwar bedingungslos, ist hinsichtlich des Protestantismus die einzig vorstellbare Ökumeneform. Alles andere ist scheinheilige Augenauswischerei.

Raphael

Beitrag von Raphael »

Es ist schon sehr erstaunlich:
Protestanten hier im Forum sprechen von "Lutherischer Kirche" (der User "Bischof"), sie sprechen von "Evangelisch-Lutherischen Bekenntnisschriften" (ebenfalls der User "Bischof"), sie zitieren aus "Luthers Kleinem Katechismus" (der User "Marcus"), ja man gibt sich sogar selber das Pseudonym "Lutheraner".

Aber über ebendiesen Luther als Person wollen sie nicht sprechen. Dieser wird zum Tabu erklärt ............

Honi soit qui mal y pense!

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anneke6
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Beitrag von anneke6 »

taddeo hat geschrieben:die katholische Kirche lutherisch zu machen.
Alles nur nicht das!
taddeo hat geschrieben:"Zurück zu Rom", und zwar bedingungslos, ist hinsichtlich des Protestantismus die einzig vorstellbare Ökumeneform. Alles andere ist scheinheilige Augenauswischerei.
Eben.
Nebenwir mal an, Du sitzt im Triebwagen eines Zuges, und der Waggon hinter Dir hat sich gerade abgekoppelt. In dem Waggon sitzt Dein Bruder. Würdest Du ihm zurufen: "Bleib nur, wo Du bist, wir haben doch den selben Vater, daß wir jeder in einem anderen Waggon sitzen, hat nichts zu bedeuten. Wir haben mehr gemeinsam als uns trennt…" Oder wäre es nicht angebracht, den Waggon wieder anzukoppeln?

Raphaela
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Beitrag von Raphaela »

Stephen Dedalus hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Von mir auch.
Mit Deiner Kanonisierung wird es auch noch ein bißchen dauern.
Wir können ja nachhelfen: Wenn wir alles tun, damit Robert nicht mehr lange auf Erden ist, können wir hoffen, dass er in den nächsten zehn Jahren heilig gesprochen wird. :mrgreen:
Da muss er aber dann vom Himmel her mithelfen, denn wenn er in den Himmel kommt, wird er als erstes verzeihen, dass wir dafür gesorgt haben, dass er so schnell dort ist. :mrgreen:
Ja und dann wird er natürlich wollen, dass er auf der ganzen Welt bekannt wird :mrgreen:

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Marcus
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Beitrag von Marcus »

Raphael hat geschrieben:Es ist schon sehr erstaunlich:
Protestanten hier im Forum sprechen von "Lutherischer Kirche" (der User "Bischof"), sie sprechen von "Evangelisch-Lutherischen Bekenntnisschriften" (ebenfalls der User "Bischof"), sie zitieren aus "Luthers Kleinem Katechismus" (der User "Marcus"), ja man gibt sich sogar selber das Pseudonym "Lutheraner".

Aber über ebendiesen Luther als Person wollen sie nicht sprechen. Dieser wird zum Tabu erklärt ............

Honi soit qui mal y pense!
Ich zitierte aus Luthers Kleinen Katechismus wegen der falschen Behauptung, Luther hätte nur die Taufe als Sakrament und nur zur Zudeckung der Sünde akzeptiert. Darüber hinaus habe ich schon mehrmals gesagt, dass „lutherische Lehre“ und „Lehre Luthers“ nicht automatisch das Gleiche sind. Lutherisch ist das, was in den Bekenntnisschriften steht. Das sind 10. Stück an der Zahl, einschließlich der 3. Symbole, von denen drei von Luther selbst stammen. Wenn ich mir einen S 350 kaufe, habe ich auch ein Auto, das den Namen des Herrn Benz trägt (Mercedes-Benz ist schließlich der Name der Marke), obwohl er es nicht selbst gebaut , ja noch nicht einmal selbst entworfen hat. Dass wir uns Lutheraner nennen, haben wir letztlich Euch zu verdanken. Denn „Lutheraner“ war früher ein katholischer Schimpfname für die Anhänger Luthers. Später diente diese Bezeichnung dann zur Abgrenzung zu den anderen protestantischen Gruppierungen.

Luther wollte übrigens nie, dass sein Nachname Bestandteil der Kirchennamens wird. In Skandinavien hat man das Problem nicht. Dort sind die Kirchen nach dem Land bezeichnet (z. B. Schwedische Kirche).

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Marcus
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Beitrag von Marcus »

taddeo hat geschrieben:
Lutheraner hat geschrieben:Wir sind Luther dankbar, dass er die reine Lehre des Evangeliums wiederentdeckt hat. Was für uns zählt ist die Bibel als Wort Gottes - ohne rationale Umdeutungen oder Erweiterungen durch eine kirchliche Tradition. Das ist die ewiglich wahre Lehre die bewahrt und verbreitet werden muß.
Auf die Gefahr hin, daß ich eigene und andere Beiträge zu diesem Thema wiederhole:

Genau in diesem Satz liegt der irrationale Trugschluß der Lutheraner. Luther hat nicht die reine Lehre, sondern seine Lehre des Evangeliums entdeckt. Für uns Katholiken ist die Bibel das Wort Gottes, das aus der kirchlichen Tradition heraus niedergeschrieben wurde, das aber nicht alles umfaßt, was das Christentum ausmacht - wie es schon in der Heiligen Schrift selber ausdrücklich heißt: "Noch viele andere Zeichen, DIE IN DIESEM BUCH NICHT AUFGESCHRIEBEN SIND, hat Jesus vor den Augen seiner Jünger getan" (Joh 20,30). Wir glauben eben, daß die Augenzeugen Jesu auch Dinge überliefert haben, die nicht in den Evangelien stehen. Diese Überlieferungen können aber ebensolche Authentizität beanspruchen wie das, was dieselben Augenzeugen schriftlich hinterlassen haben.

Die oben skizzierte Sicht von der Bibel als "ewiglich wahre Lehre, die bewahrt werden muß", erinnert eher an die moslemische Sicht vom Koran als dem vom Himmel gefallenen sakrosankten Wort Gottes. Das Mindeste, was man dann von der Bibel verlangen müßte, wäre ein einzig authentischer Urtext - den es bekanntlich nicht geben kann.

Diese ganze Debatte hier bestärkt mich einmal mehr in meinem Verdacht, daß alles Ökumenegerede hohles Geschwafel ist - zumindest hinsichtlich der reformatorischen Denominationen, die kein ernsthaftes Interesse daran haben, eigene Irrtümer zu erkennen. Auf der anderen Seite kann die katholische Kirche ebenfalls kein Interesse daran haben, sich mit solchen Fundamentalopponenten auf fruchtlose Arrangements einzulassen, die nur dazu dienen, die katholische Kirche lutherisch zu machen.

"Zurück zu Rom", und zwar bedingungslos, ist hinsichtlich des Protestantismus die einzig vorstellbare Ökumeneform. Alles andere ist scheinheilige Augenauswischerei.
So nun ein paar allgemeine Bemerkungen und Anmerkungen zu bestimmten Beiträgen einiger User...

Die Bibel ist für uns das Wort und Gottes und deshalb die Norm aller Normen, an denen sich alle Lehren und Lehrer zu messen haben. Die Bibel wiederum erschließt sich über die Person Christi, ganz nach dem Grundsatz „Was Christus treibet“, so dass nicht alle Verse gleich heilsrelevant sind. Darüber hinaus werden die Schriften der Kirchenväter durchaus als Zeugenschriften betrachtet. In den lutherischen Bekenntnisschriften wimmelt es geradezu davon, nicht zuletzt, um aufzuzeigen, dass man die Bibel nicht eigenwillig und willkürlich auslegt, sondern auf alte mit dem Evangelium Christi stets vereinbare Lehren zurückgreift, also den rechten alten Glauben der Kirche wieder herstellen will. Es ist allerdings unsere Überzeugung, dass in der Heiligen Schrift alles enthalten ist, was zur Seligkeit hinlänglich ist. Was wir sonst noch von einigen Kirchenvätern so alles über das Urchristentum und die Person Christi erfahren, mag durchaus interessant und wahr sein. Heilsnotwendig zu glauben, ist es allerdings nicht.

Joh. 20,30 ist übrigens überhaupt kein Argument gegen das bereits dargelegte Schriftverständnis. Wenn man über eine Person bzw. über dessen Lebenswerk viel berichten kann und nicht alles in Worten fassen will und kann, beschränkt man sich üblicherweise auf die wirklich wichtigen und wesentlichen Punkte. Was also nicht ins Johannesevangelium Aufnahme fand, war offenbar weniger wichtig und somit auch nicht heilsrelevant.

Darüber hinaus wird wohl kaum ein Katholik bestreiten, dass der Heilige Geist auch den Vätern der Kirche bei der Kanonisierung des NT beistand, so dass sie letztlich jene heiligen Schriften in den Kanon aufnahmen, die wirklich vom Heiligen Geist inspiriert sind.

Die Abweichungen einzelner der alten Abschriften halten sich auch eher in Grenzen und verändern nicht den Aussagegehalt.

Ich weiß gar nicht, was dieser Einwand jetzt soll? Denkst Du tatsächlich, dass beispielsweise konservative und konfessionelle Lutheraner, also jene, die an die BSLK noch festhalten, auf eine Kirchen- und Kommunionsgemeinschaft mit der römischen Kirche aus sind? Konfessionelle Lutheraner sind noch nie irgendwelche Kompromisse mit anderen Glaubensrichtungen eingegangen, die letztlich eine Aufweichung der lutherischen Lehre zur Folge haben. Das hat letztlich auch zur Spaltung und Gründung altlutherischer Gemeinden im 19. Jahrhundert geführt, weil man die in einigen deutschen Staaten verordnete Zwangsunion mit Reformierten nicht mitgehen wollte. Und Du kannst uns auch glauben, dass wir nicht so naiv sind zu denken, dass Rom jemals unsere Lehren anerkennen und entgegenstehende Lehren und Gebräuche beseitigen wird, zumal das Papsttum infolge des 1. Vatikanischen Konzils durch das Unfehlbarkeitsdogma formal noch päpstlicher geworden ist als es zu Zeiten Luthers war?

Übrigens kenne ich Lutheraner, die davor Angst haben, dass wir zu „römisch“ werden. Aber durchaus interessant, dass man in einer Kirche mit mehr 1 Mrd. Mitgliedern Angst vor einer lutherischen Lehrinvasion hat.

Luther hat nicht seine Lehre der Rechtfertigung, sondern die wahrhafte christliche Rechtfertigungslehre wieder in den Mittelpunkt der Christenheit gerückt und im Grunde nicht anderes gelehrt als bereits Kirchenväter gelehrt haben:
Alle nun sind verherrlicht und groß gemacht worden nicht durch sich selbst oder durch ihre Werke oder durch das gerechte Handeln, das sie vollbrachten, sondern durch seinen Willen. Auch wir also, die wir durch seinen Willen in Christus Jesus berufen worden sind, werden nicht durch uns selbst gerechtfertigt, auch nicht durch unsere Weisheit oder Einsicht oder Frömmigkeit oder durch Werke, die wir vollbracht haben mit frommem Herzen, sondern durch den Glauben...

Clemens von Rom – 1. Clemensbrief XXXII 3-4

Ich habe mich gar sehr mit euch gefreut in unserem Herrn Jesus Christus, dass ihr die Abbilder der wahren Liebe aufgenommen und dass ihr, wie es sich für euch gehört, das Geleite gegeben habt denen, die mit Banden gefesselt sind, die den Heiligen zustehen und die ein Schmuck sind der wahrhaft von Gott und unserem Herrn Auserwählten; und weil gefestigt ist die Wurzel eures Glaubens, der seit ursprünglichen Zeiten verkündet wird, bis heute fortlebt und Früchte bringt für unseren Herrn Jesus Christus, der es auf sich nahm, für unsere Sünden bis in den Tod zu gehen, den Gott auferweckt hat, nachdem er die Leiden der Unterwelt gelöst hatte; an den ihr, ohne ihn gesehen zu haben, glaubet in unaussprechlicher und herrlicher Freude, in die viele einzugehen wünschen, weil sie wissen, dass ihr durch die Gnade erlöst seid nicht kraft der Werke vielmehr nach dem Willen Gottes durch Jesus Christus.

Polykarp - Brief des Polykarp von Smyrna an die Gemeinde von Philippi, I. Kapitel



Wir aber wollen uns nicht zum Schaden der Seele zurückziehen, sondern wollen zum Gewinn unserer Seele am Glauben festhalten. Denn ob dieses Glaubenskampfes haben unsere Ahnen Abraham, Isaak und Jakob ein gutes Zeugnis gefunden. Und eben deshalb haben sie uns das Erbe des Glaubens hinterlassen: der glaubensstarke Abraham, der nicht aus den Werken, sondern aus dem Glauben gerechtfertigt wurde, da er Gott glaubte.


Ambrosius - De obitu Theodosii oratio, IX. Kapitel



Das ist der Ruhm bei Gott, wodurch nicht der Mensch, sondern Gott verherrlicht wird, wenn er nicht durch Werke, sondern aus dem Glauben gerechtfertigt wird, so daß er aus Gott hat, auch was er Gutes tut; denn die Rebe kann, wie ich schon früher gesagt habe, keine Frucht bringen aus sich selbst. Wenn nämlich darin Gott der Vater verherrlicht wird, daß wir viele Frucht bringen und Jünger Christi werden, so sollen wir das nicht unserer Ehre zuschreiben, als ob wir es aus uns selbst hätten. Denn von ihm ist diese Gnade und darum gebührt hierin nicht uns, sondern ihm die Ehre.

Augustinus -Tractatus in Iohannis Euangelium; 82. Vortrag, I. Kapitel


Übrigens habe ich über diese Frage ein besonderes Buch unter dem Titel „Vom Glauben und von den Werken1 “ geschrieben. Darin habe ich, soweit ich es mit Gottes Hilfe vermochte, auf Grund der Heiligen Schrift nachgewiesen, daß nur der Glaube selig macht.

Augustinus - Enchiridion oder Buch vom Glauben, von der Hoffnung und von der Liebe (De fide, spe et caritate), XVIII. Kapitel.

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taddeo
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Registriert: Donnerstag 18. Januar 2007, 09:07

Beitrag von taddeo »

Marcus hat geschrieben:Die Bibel ist für uns das Wort und Gottes und deshalb die Norm aller Normen, an denen sich alle Lehren und Lehrer zu messen haben. Die Bibel wiederum erschließt sich über die Person Christi, ganz nach dem Grundsatz „Was Christus treibet“, so dass nicht alle Verse gleich heilsrelevant sind. Darüber hinaus werden die Schriften der Kirchenväter durchaus als Zeugenschriften betrachtet. ... Was wir sonst noch von einigen Kirchenvätern so alles über das Urchristentum und die Person Christi erfahren, mag durchaus interessant und wahr sein. Heilsnotwendig zu glauben, ist es allerdings nicht.
Guter Mann, Du weichst meiner Argumentation aus. Ich habe nicht von irgendwelchen Kirchenvätern geredet, sondern von den Augenzeugen, also den Aposteln. Die hatten auch schon eine Wirkungsgeschichte, bevor die Schriften des NT abgefaßt waren, und teilweise auch noch danach. Weil sie selber dabei waren, sind sie die ersten und authentischen Überlieferer der Botschaft Jesu, und zwar auch dort und zu einer Zeit, wo man von den Schriften des NT noch nichts gehört hatte. Und diese Wirkungsgeschichte und Überlieferung heißt man katholischerseits Tradition, auf der die Kirche aufbaut. Und welchen Sinn hätte es sonst, zu sagen, daß die Offenbarung erst mit dem Tod des letzten Apostels abgeschlossen war?

Ich kapier es einfach nicht, wieso man Eurerseits immer ausblendet, woher die Bibel kommt. Der liebe Gott hat doch nicht einfach vom Himmel runtergelangt und zu den Evangelisten gesagt "Da schau, ich hab Dir ein Evangelium geschrieben, hau Deinen Servus drunter und Du kannst es unter Deinem Namen verbreiten, aber die Rechte gehören mir", oder? Das haben doch Menschen geschrieben, die aus der Kirche stammten, die wußten, daß ihre Schrift mit dem übereinstimmt, was die Augenzeugen erlebt und berichtet haben!

Und wenn man das nicht schon allein deswegen glauben mag, weil es sachlich einleuchtet, dann vielleicht wenigstens deshalb, weil es so auch ausdrücklich in der Bibel steht, an deren Wahrheitsgehalt ihr ja nicht zweifeln dürft:
Der Evangelist Lukas zu Beginn seines Evangeliums hat geschrieben:Schon viele haben es unternommen, einen Bericht über all das abzufassen, was sich unter uns ereignet und erfüllt hat. Dabei hielten sie sich an die Überlieferung derer, die von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes waren. ... So kannst du dich von der Zuverlässigkeit der Lehre überzeugen, in der du unterwiesen wurdest.
Im Klartext: Im Anfang war die Überlieferung der Augenzeugen. Erst später entstanden die Schriften, deren Authentizität sich an dieser Überlieferung orientieren mußte, um anerkannt zu werden. In den neutestamentlichen Kanon kamen dann noch später die Schriften, deren Übereinstimmung mit der von den Aposteln und Augenzeugen überlieferten Lehre am ehesten gesichert war. Also zuerst Tradition, dann Heilige Schrift.
Zuletzt geändert von taddeo am Dienstag 29. April 2008, 08:22, insgesamt 2-mal geändert.

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