Carissime frater in Christo,
offenkundig legt Ihr einen Begriff des Priesters zu Grunde, der weniger
sacerdos im Allgemeinen als vielmehr
pontifex im Speciellen ist.
Zweiteres indes - ich denke, darüber besteht interconfessioneller Consens - ist auch in der Tat allein im Hohenpriester Christo angelegt: Durch die Heilstat hat Christus uns
semel et semper mit Gott dem Vater versöhnt und uns vermittels der Heiligen Taufe einen neuen Geist eingestiftet, der uns dazu ermächtigt, Gott vertrauensvoll mit Abba anzurufen. Die Vermittlung zwischen Gott und Mensch im Intimsten bedarf deswegen keiner anderen Mittlerschaft als der durch Christum.
Der Priesterbegriff fasst aber im christlichen Gebrauch wesentlich mehr ein, als nur eine Vermittlung: Es geht darum, das Heilige (
sacrum) zu vollziehen (
*dhe), das uns durch Christum zuallernächst in den Heiligen Sacramenten gegeben ist.
An diesem Puncte erst divergieren doch die Confessionen. Da ich selber Lutheraner bin, will ich auch im Folgenden lutherisch argumentieren.
Es ist nun durch die Heilige Taufe ein priesterlicher Geist in den Christenmenschen eingesenkt: "Dan was auß der tauff krochen ist das mag sich rumen / das es schon priester Bischoff vnd Bapst geweyhet sey" (Luther, nach Bieritz, Liturgik, S.177)
Das bedeutet, dass im Grundsatz allen Christenmenschen die Priesterwürde eignet und sie ermächtigt, alle Sacramente voll wirksam zu vollziehen.
Luther geht aber noch weiter: "ob wol nit einem yglichen zympt / solch ampt zu haben" (ebd.). Es muss daher - wenigstens nach Luther, in der Tat ist das biblisch notwendige Sequenz - zu der Seite der reinen Kraft die der Macht hinzutreten. Diese Notwendigkeit erwächst unmittelbar aus dem Gebot der Nächstenliebe: Die Gemeinde soll nicht in die Gefahr geraten, dass sie sich über dem Streit, wer Celebrant sein soll, entzweit.
Das apostolische Wort von den Geistesgaben (1. Kor. 12, insb. 27-31) macht dies in einem noch anderen Lichte deutlich: Obschon jeder vielfältige Gaben hat, kann doch nicht jeder ein Meister in allen Disziplinen sein. Deswegen sollen nur die lehren, die lehren können usf. Genauso auch beim priesterlichen Dienst: Nur diejenigen, die hierin rein, lauter und begabt sind, sollen diesen Dienst ausüben.
Es ist nun hinzuzufügen, dass die priesterliche Gabe sich insofern von den anderen unterscheidet, als sie nicht zu den Individualgaben gehört, die etwa von Geburt an eingegeben sind, ebensowenig zu denen, die aus besonderer (cognitiver) Competenz erwachsen, sondern allein durch die Vollmacht der einen Heiligen Kirche vermittelt werden können (2. Tim. 1,6). Es handelt sich also um Gnadengaben besonderer Art, weil sie ihrerseits gleichsam verfügbar sind.
Das setzt sie freilich in besonderem Maße der Gefahr des Missbrauchs aus, wie wir es auch in der Geschichte oft erleben mussten, ist jedoch in ekklesiologischer Linie als Ausdruck der Vaterliebe zu verstehen, der uns den Sohn gesandt hat zur Versöhnung und den Heiligen Geist verliehen zum Trost bis die Welt gerichtet wird. Das heißt freilich nicht, dass wir eine besondere Macht über Gott selbst haben (aber das geht aus dem Umfeld von 2. Tim. 1,6 auch hervor), vielmehr erfüllt sich - besonders deutlich sichtbar in der Eucharistie - in jedem priesterlichen Wirken das Versprechen neu, das beim Geist beginnt, durch den Geist erfüllt wird und beim Geist endet: Der Geist leitet Hand und Sinn des Priesters, der Geist allein wirkt das Wunder des Sakraments und der Geist kehrt so - durch Leib und Blut unseres Erlösers - in besonderer Weise in den Herzen der Gläubigen ein, welche ja ohnehin durch die Heilige Taufe zu Geistestempeln geworden sind.
Es setzt sich deswegen das Amt aus zwei Seiten desselben Wesens zusammen: Die Kraft, die von der Taufe begründet wird, und die Macht, die von der Weihe begründet wird, und erst im Zusammenspiel wird das priesterliche Wirken zum Guten vollendet - denn, noch einmal, was hülfe es, wenn zwar das Wunder gewirkt würde, aber im falschen Geiste? So darf erst dann die priesterliche Geistesgabe genutzt werden, wenn Herz und Sinn in besonderer, dafür bestimmter Weise vom Geist regiert werden.
Ich will gerne zugeben, dass das eine sehr verkürzte und unzureichende Darstellung ist, die noch zahlreicher Erläuterungen bedürfte, aber ich bin ja auch noch kein Theologe.
Ich empfehle zu dem gesamten Themencomplex den VELKD-Text "Ordnungsgemäß berufen" (
link) sowie die kritischen Stellungnahmen dazu, etwa diejenige aus hochkirchlichen Kreisen (
link).
Salutatione fraterna
Cyriacus