Ehesakrament in den orthodoxen Kirchen

Ostkirchliche Themen.
Benutzeravatar
Linus
Beiträge: 15072
Registriert: Donnerstag 25. Dezember 2003, 10:57
Wohnort: 4121 Hühnergeschrei

Re: Ehesakrament in den orthodoxen Kirchen

Beitrag von Linus »

Jeremias hat geschrieben:"Leibfeindlichkeit" ist die Hinwendung zur Seele, auch wenn dabei körperliche Unbillen in Kauf genommen werden müssen. Es beschreibt die Abkehr von körperlichen Genüssen, da diese von Gott ablenken. "Leibfeindlich" ist die Schrift für mich deswegen, weil dort der Körper nur ein notwendiges Vehikel der Seele ist, aber eben nicht das Ziel des gläubigen Menschen. Leibfeindlichkeit beschreibt also die Gegenreaktion zur Veehrung des diesseitigen menschlichen Körpers sowie seiner vielen Genüsse.

Du solltest mal "Glauben aus dem Herzen" (ja ein Teil des Leibes!) von Georg Galitis, Georg Mantzaridis, Paul Wiertz lesen. Da gibts ein Kapitel drin, das erklärt wie wichtig der Leib ist um zur Theosis zu gelangen.
"Katholizismus ist ein dickes Steak, ein kühles Dunkles und eine gute Zigarre." G. K. Chesterton
"Black holes are where God divided by zero. - Einstein

Benutzeravatar
Nietenolaf
Beiträge: 3053
Registriert: Donnerstag 23. Oktober 2003, 14:26
Wohnort: Blasegast

Re: Ehesakrament in den orthodoxen Kirchen

Beitrag von Nietenolaf »

Jeremias hat geschrieben:... Es beschreibt die Abkehr von körperlichen Genüssen, da diese von Gott ablenken. "Leibfeindlich" ist die Schrift für mich deswegen, weil dort der Körper nur ein notwendiges Vehikel der Seele ist, aber eben nicht das Ziel des gläubigen Menschen. Leibfeindlichkeit beschreibt also die Gegenreaktion zur Veehrung des diesseitigen menschlichen Körpers sowie seiner vielen Genüsse.(...) Ein kurzes Googlen dieses von mir häufiger benutzten Begriffes zeigt, dass man da durchaus andere, sehr negative Definitionen mit verbindet. Darauf wäre ich nicht gekommen, daher danke für den Hinweis. Für meine oben abgegebene Definition, gibt es da ein besseres Wort?
Du glaubst an die Auferstehung der Toten, also samt des "notwendigen Vehikels" der Seele. Der heilige Ambrosius von Optina paraphrasiert "die heiligen Väter" und sagt: "Wir töten nicht den Leib, sondern die Leidenschaften." Das trifft eher das, wovon Du oben schreibst. Die "Tierfelle" (Körper) sind gottgegeben, die Leidenschaften nicht, sie sind Ausdruck der Schwäche und Dysbalance des gefallenen Menschen. Und zum Thema: Keuschheit ist natürlich ein Bestandteil der Ehe!
ἐὰν γὰρ ἀποϑάνῃ ἄνϑρωπος, ζήσεται συντελέσας ἡμέρας τοῦ βίου αὐτοῦ· ὑπομενῶ, ἕως ἂν πάλιν γένωμαι.

Benutzeravatar
Nassos
Beiträge: 9048
Registriert: Montag 1. Juni 2009, 01:48

Re: Ehesakrament in den orthodoxen Kirchen

Beitrag von Nassos »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
ChrisCross hat geschrieben:Die Ehe und die Leiblichkeit des Menschen sind von Gott eingesetzt und somit gewollt und nicht schlecht.
Hat das jemand behauptet? – Im Stand der gefallenen Natur ist die Geschlechtlichkeit des Menschen aber gleichwohl nicht mehr rein. Im Gegenteil, sie ist dreckig. Nicht nur physisch, sondern auch geistlich, weil instinktgesteuert und unserm Willen nicht direkt unterworfen.
Aha. Aber wird die Geschlechtlichkeit denn nicht durch das Sakrament der Ehe wieder geheiligt?
Ich glaube; hilf meinem Unglauben

Benutzeravatar
Linus
Beiträge: 15072
Registriert: Donnerstag 25. Dezember 2003, 10:57
Wohnort: 4121 Hühnergeschrei

Re: Ehesakrament in den orthodoxen Kirchen

Beitrag von Linus »

Natürlich.
"Katholizismus ist ein dickes Steak, ein kühles Dunkles und eine gute Zigarre." G. K. Chesterton
"Black holes are where God divided by zero. - Einstein

Fragesteller
Beiträge: 1691
Registriert: Freitag 18. Mai 2012, 10:41

Re: Ehesakrament in den orthodoxen Kirchen

Beitrag von Fragesteller »

Die Scheidungs- und Wiederverheiratungspraktiken dürften ja wohl in den katholischen Ostkirchen die gleichen sein wie in den orthodoxen. Wie verträgt sich das mit der römisch-katholischen Ehetheologie?
Nietenolaf hat geschrieben:Die Scheidung ist [...] kein Auflösen der Ehe, sondern nur das Konstatieren des traurigen Faktums, das keine Ehe (mehr) besteht.
Die ostkirchliche Regelung scheint also auf der Prämisse zu beruhen, dass Ehescheidung zwar schlecht sei und der Buße bedürfe, dass aber unter Umständen dennoch eine Zweitehe geschlossen werden könne, weil durch das Ende der ehelichen Gemeinschaft auch die Ehe an sich nicht mehr bestehe. Genau das würde der "Römer" ja leugnen: An anderen Stellen hier im Forum werden ja liberale Hinweise auf "Lebenswirklichkeit" und pastorale Angemessenheit gerade deshalb abgeschmettert, weil die sakramentale Ehe jure divino unauflöslich sei, von der Aufkündigung der Lebengemeinschaft oder anderen menschlichen Akten völlig unberührt bleibe, kein Mensch - und hätte er noch so gute Gründe - daran etwas ändern könne und eine etwaige kirchlich geduldete Zweitverpaarung daher notwendig keine Ehe, sondern dauerhafter Ehebruch sei. Wie ist die ostkirchliche Praxis unter diesen theoretischen Prämissen möglich?
Linus hat geschrieben: Zur Wiederverheiratung: die wird kat'oikonomian gewährt, der Ritus ist stark von einem Bußakt durchzogen, die Heirat wird anerkannt, ist mW aber nicht sakramental wie die erste Heirat.
Also keine sakramentale Zweitehe, sondern eine kat'oikonomian geduldete nichteheliche Lebensgemeinschaft? Wird das römischerseits üblicherweise so gedeutet? Rechtfertigen die Unterschiede im Ritus zwischen Erst- und Zweitehe diese Deutung?
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Man begründet diese Möglichkeit gemeinhin mit Mt 19,9, was meines Erachtens allerdings auf überaus unsicherem Boden steht; erst recht unvertretbar scheint mir in diesem Zusammenhang die extensive Auslegung des Ehebruchsbegriffs, wodurch die Zahl der akzeptierten Scheidungsgründe erheblich vermehrt wird.
Welche Rolle spielt diese Begründung? Ist der Ehebruch nur das Kriterium für die Zulassung einer Zweitehe, oder das, wonach entschieden wird, dass die Erstehe tatsächlich beendet ist? Nur im zweiten Fall würde das den oben geschilderten Prämissenkonflikt berühren.


Überhaupt wäre es sinnvoll, wenn ein Moderator diesen Strang mit den folgenden beiden Strängen vereinigen würde:
http://www.kreuzgang.org/viewtopic.php?f=21&t=15784
http://www.kreuzgang.org/viewtopic.php?f=21&t=3422
Von den Überschriften her wären gewisse thematische Differenzen gegeben, aber faktisch dreht sich die Diskussion überall fast nur um die Wiederverheiratungsfrage.

Fragesteller
Beiträge: 1691
Registriert: Freitag 18. Mai 2012, 10:41

Re: Ehesakrament in den orthodoxen Kirchen

Beitrag von Fragesteller »

Ist die folgende Beschreibung der englischen Wikipedia korrekt (die zitieren John Meyendorff, wo die Fußnote steht)?
The Sacrament or, more properly, Sacred Mystery of Marriage does not unite a man and a woman. Rather, it is the Church's recognition of a union that God has already begun to work in their lives.[1] As long as the union remains within the reality of this world, it will be subject to sin, pain, and death. But, through the Sacred Mystery, the union enters at the same time into a new reality: that of God's Kingdom. In Christ, marriage is restored to its initial perfection and in the sacrament, this union is made open to the possibility of what God intended marriage to be from the beginning: an eternal life of joy in union with Him.
Wenn man das so versteht, dann hat sitzt der oben beschriebene Prämissenkonflikt sogar noch tiefer und hat seine Wurzeln in einem ganz anderen Verständnis des Sakraments:
Nach westlichem Verständnis wären Materie die beiden künftigen Ehepartner, und Form das Eheversprechen, das sie einerseits auf weltlicher Ebene zu einem Paar macht, das andererseits aber das Sakrament konstituiert und daher iure divino unauflöslich ist, solange die Materie - die beiden beteiligten Menschen - besteht.
Nach östlichem Verständnis wäre Materie das nach weltlichen Maßstäben verbundene Paar, und Form der kirchliche Segen, der dieses Paar zugleich zum eschatologischen Zeichen macht und zum Himmel hin "aufschließt". Auch hier "gilt" das Sakrament, solange die Materie besteht - die Materie ist aber hier eben das Paar und seine eheliche Gemeinschaft, die faktisch enden kann. Natürlich soll die Ehe auch hier nicht aufgelöst werden, Wiederverheiratung ist ein Problem, aber eben nicht prinzipiell unmöglich.

Ist mein Eindruck hier richtig? Wenn ja, noch einmal die Frage: Wie stehen die katholischen Ostkirchen dazu?

Benutzeravatar
taddeo
Moderator
Beiträge: 19226
Registriert: Donnerstag 18. Januar 2007, 09:07

Re: Ehesakrament in den orthodoxen Kirchen

Beitrag von taddeo »

Fragesteller hat geschrieben:Wenn ja, noch einmal die Frage: Wie stehen die katholischen Ostkirchen dazu?
Wie sie dazu stehen, weiß ich nicht genau; aber zumindest kirchenrechtlich haben sie im CCEO praktisch zu 100% die römisch-katholischen Vorschriften übernommen, mit der Ausnahme, daß nur ein Priester das Ehesakrament spenden kann (nicht die Brautleute selber, wie es angeblich bei uns ist).

Fragesteller
Beiträge: 1691
Registriert: Freitag 18. Mai 2012, 10:41

Re: Ehesakrament in den orthodoxen Kirchen

Beitrag von Fragesteller »

taddeo hat geschrieben:
Fragesteller hat geschrieben:Wenn ja, noch einmal die Frage: Wie stehen die katholischen Ostkirchen dazu?
Wie sie dazu stehen, weiß ich nicht genau; aber zumindest kirchenrechtlich haben sie im CCEO praktisch zu 100% die römisch-katholischen Vorschriften übernommen, mit der Ausnahme, daß nur ein Priester das Ehesakrament spenden kann (nicht die Brautleute selber, wie es angeblich bei uns ist).
Ah, OK, das heißt, sie sind dann unauflöslich verheiratet. Du schreibst "angeblich"; ist das keine feststehende Lehre? (Kommt mir auch etwas seltsam vor).

Benutzeravatar
taddeo
Moderator
Beiträge: 19226
Registriert: Donnerstag 18. Januar 2007, 09:07

Re: Ehesakrament in den orthodoxen Kirchen

Beitrag von taddeo »

Fragesteller hat geschrieben:
taddeo hat geschrieben:
Fragesteller hat geschrieben:Wenn ja, noch einmal die Frage: Wie stehen die katholischen Ostkirchen dazu?
Wie sie dazu stehen, weiß ich nicht genau; aber zumindest kirchenrechtlich haben sie im CCEO praktisch zu 100% die römisch-katholischen Vorschriften übernommen, mit der Ausnahme, daß nur ein Priester das Ehesakrament spenden kann (nicht die Brautleute selber, wie es angeblich bei uns ist).
Du schreibst "angeblich"; ist das keine feststehende Lehre? (Kommt mir auch etwas seltsam vor).
Naja, kirchenrechtlich ist das eigentlich schon klar, zumindest derzeit. Und es ist auch kein großartig umstrittenes Thema.
Aber es wird unter den Theologen schon auch kontrovers diskutiert. Es ist nämlich durchaus nicht ohne "pastorale" Bedeutung. Kann man ein Sakrament spenden, wenn man das gar nicht will oder nicht weiß, daß man das tut?
Wenn man dazu zwingend einen Priester braucht, ist die Sache mit dem Spenden klar. Der macht das. Aber wissen und wollen das alle, die kirchlich heiraten? Wissen und wollen das zB die Protestanten, die aufs Standesamt gehen? Die spenden sich dort ein katholisches Sakrament und können nicht mal was dagegen machen.

Aber in diesem Strang geht's um was anderes. Sorry an die Sakristane für das OT.

Fragesteller
Beiträge: 1691
Registriert: Freitag 18. Mai 2012, 10:41

Re: Ehesakrament in den orthodoxen Kirchen

Beitrag von Fragesteller »

Sind die folgenden Feststellungen zur Differenz von römisch-katholischem und orthodoxem Eheverständnis korrekt (ich habe etwas Ähnliches oben schon formuliert, vielleicht nun noch einmal schärfer)?

- "Was Gott verbunden hat, soll der Mensch nicht trennen": Römische Katholiken verstehen dieses "Nicht sollen" als "Nicht können": Eine einmal geschlossene Ehe kann nicht anders als durch den Tod aufgelöst werden. Die Kirche hat daher keine Vollmacht, irgendetwas zu gestatten oder nicht zu gestatten; würde sie eine "Wiederheirat" gestatten, wäre das im Prinzip die äußerlich nach einer Hochzeit aussehende feierliche Fixierung eines Ehebruchs. Orthodoxe verstehen das "Nicht sollen" als "Nicht dürfen": Die eheliche Gemeinschaft darf und soll nicht enden, kann es aber faktisch. Sie besteht nicht sozusagen im sakralen Sinne weiter, wenn sie sich nach weltlichen Maßstäben aufgelöst hat (ein oben zitierter russisch-orthodoxer Text sprach von "legalistischer Fiktion"). Diese Auflösung (und die folgende Wiederheirat) ist Sünde und hat prinzipiell zu unterbleiben; die Kirche hat aber die Vollmacht, mit dem faktischen Geschehen unterschiedlich umzugehen und unter Umständen kat'oikonomian eine Wiederheirat zu gestatten: Eben weil eine Ehescheidung nichts ist, was (wie aus katholischer Sicht) nicht geschehen kann, sondern etwas, was nicht geschehen darf (aber zur Verhütung von Schlimmerem doch gestattet werden kann).

- Dieses unterschiedliche Eheverständnis hat auch zu tun mit den unterschiedlichen liturgischen Handlungen, durch die die Ehe konstituiert ist: Im Westen ist es das Eheversprechen, das nur sekundär (aufgrund der Formpflicht) in einen Gottesdienst einschließlich Segen eingebunden ist. Deshalb hat die durch das Versprechen begründete eheliche Gemeinschaft selbst sakramentale Qualität und kann nicht aufgelöst werden, auch wenn das äußerlich so aussehen mag (ebenso wie eine konsekrierte Hostie, die an einem unwürdigen Ort aufbewahrt wird, dadurch nicht weniger Leib Christi ist). Im Osten wird die Ehe dagegen konstituiert durch den Segen, der nicht bestehen kann ohne etwas Natürliches, das gesegnet wird. Die eheliche Gemeinschaft ist dieses natürliche Objekt und hat an sich nichts Sakramentales oder Übernatürliches; ihr Bestehen oder Nichtbestehen ist nach natürlichen Maßstäben zu beurteilen. Scheidung kann folglich verboten werden (und das geschieht auch), aber nicht für unmöglich erklärt (sodass auch pastorale Ausnahmeregelungen möglich sind).

Benutzeravatar
Jeremias
Beiträge: 353
Registriert: Mittwoch 24. März 2010, 14:41

Re: Ehesakrament in den orthodoxen Kirchen

Beitrag von Jeremias »

Der erste Spiegelstrich ist im grossen und ganzen OK. Hierbei sollte man aber nochmal betonen, dass in der Orthodoxie der pastorale Aspekt im Vordergrund steht.
Die Ehe wird nach orthodoxem Verständnis übrigens nicht automatisch durch den Tod aufgehoben.

Insofern ist der zweite Spiegelstrich eher eine bestimmte Position innerhalb der Orthodoxie und nicht umfassendes Verständnis.

/edit
Rechtschreibung.
Orthodoxer. Physikdidaktiker. Rollenspieler. Liberaler. Konservativer. Modernist. Ökumenist.
Alles Titel, mit denen man mich bedenken kann, die deswegen mich trotzdem nicht gänzlich beschreiben.

HeGe
Moderator
Beiträge: 15079
Registriert: Montag 6. Oktober 2003, 18:56

Re: Ehesakrament in den orthodoxen Kirchen

Beitrag von HeGe »

Mythos und Wirklichkeit der Zweitehe in der Orthodoxie

Interessant. Ist es tatsächlich so, dass zum zweiten Mal verheiratete in der OK nicht an der Kommunion teilnehmen (sollen)?
- Nutzer nicht regelmäßig aktiv. -

Benutzeravatar
holzi
Beiträge: 7872
Registriert: Montag 28. November 2005, 15:00
Wohnort: Regensburg

Re: Ehesakrament in den orthodoxen Kirchen

Beitrag von holzi »

HeGe hat geschrieben:Mythos und Wirklichkeit der Zweitehe in der Orthodoxie

Interessant. Ist es tatsächlich so, dass zum zweiten Mal verheiratete in der OK nicht an der Kommunion teilnehmen (sollen)?
Kommt wohl auf den Priester/Bischof an. Ein Bekannter hat erzählt, dass seine Frau (aus Rumänien) wegen erstens der Heirat mit einem Nichtorthodoxen und zweitens wegen Wiederheirat für jeweils ein Jahr nicht kommunizieren durfte, also insgesamt zwei Jahre. Der Priester hat das offenbar mit seinem Bischof so abgesprochen.

Fragesteller
Beiträge: 1691
Registriert: Freitag 18. Mai 2012, 10:41

Re: Ehesakrament in den orthodoxen Kirchen

Beitrag von Fragesteller »

Geht es da um eine regulär kirchlich genehmigte orthodoxe Zweitehe oder um eine Zivilehe o. ä.?

Benutzeravatar
Protasius
Moderator
Beiträge: 7121
Registriert: Samstag 19. Juni 2010, 19:13

Re: Ehesakrament in den orthodoxen Kirchen

Beitrag von Protasius »

holzi hat geschrieben:
HeGe hat geschrieben:Mythos und Wirklichkeit der Zweitehe in der Orthodoxie

Interessant. Ist es tatsächlich so, dass zum zweiten Mal verheiratete in der OK nicht an der Kommunion teilnehmen (sollen)?
Kommt wohl auf den Priester/Bischof an. Ein Bekannter hat erzählt, dass seine Frau (aus Rumänien) wegen erstens der Heirat mit einem Nichtorthodoxen und zweitens wegen Wiederheirat für jeweils ein Jahr nicht kommunizieren durfte, also insgesamt zwei Jahre. Der Priester hat das offenbar mit seinem Bischof so abgesprochen.
Klingt danach, als ob der Ausschluß der Pönitenten und damit der wiederverheirateten Geschiedenen von der Kommunion die rigorose Regel ist, von der der Bischof in begründeten Fällen durch die Oikonomia absehen kann. Habe ich das richtig verstanden?
Der so genannte ‚Geist’ des Konzils ist keine autoritative Interpretation. Er ist ein Geist oder Dämon, der exorziert werden muss, wenn wir mit der Arbeit des Herrn weiter machen wollen. – Ralph Walker Nickless, Bischof von Sioux City, Iowa, 2009

Benutzeravatar
Marcus
Beiträge: 3077
Registriert: Dienstag 13. Juni 2006, 14:48

Re: Ehesakrament in den orthodoxen Kirchen

Beitrag von Marcus »

holzi hat geschrieben:
HeGe hat geschrieben:Mythos und Wirklichkeit der Zweitehe in der Orthodoxie

Interessant. Ist es tatsächlich so, dass zum zweiten Mal verheiratete in der OK nicht an der Kommunion teilnehmen (sollen)?
Kommt wohl auf den Priester/Bischof an. Ein Bekannter hat erzählt, dass seine Frau (aus Rumänien) wegen erstens der Heirat mit einem Nichtorthodoxen und zweitens wegen Wiederheirat für jeweils ein Jahr nicht kommunizieren durfte, also insgesamt zwei Jahre. Der Priester hat das offenbar mit seinem Bischof so abgesprochen.
Das war dann aber sicherlich nur eine zivile Eheschließung? Ansonsten wäre es ja irgendwie grotesk, dass die Kirche zwar die erneute Eheschließung billigt, aber die Frau zugleich für ein Jahr von der Kommunion ausschließt.
Jesus spricht: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.“ (Joh. 14,6)

Ralf

Re: Ehesakrament in den orthodoxen Kirchen

Beitrag von Ralf »

Marcus hat geschrieben:
holzi hat geschrieben:
HeGe hat geschrieben:Mythos und Wirklichkeit der Zweitehe in der Orthodoxie

Interessant. Ist es tatsächlich so, dass zum zweiten Mal verheiratete in der OK nicht an der Kommunion teilnehmen (sollen)?
Kommt wohl auf den Priester/Bischof an. Ein Bekannter hat erzählt, dass seine Frau (aus Rumänien) wegen erstens der Heirat mit einem Nichtorthodoxen und zweitens wegen Wiederheirat für jeweils ein Jahr nicht kommunizieren durfte, also insgesamt zwei Jahre. Der Priester hat das offenbar mit seinem Bischof so abgesprochen.
Das war dann aber sicherlich nur eine zivile Eheschließung? Ansonsten wäre es ja irgendwie grotesk, dass die Kirche zwar die erneute Eheschließung billigt, aber die Frau zugleich für ein Jahr von der Kommunion ausschließt.
Dieses Vorgehen der Eucharistischen Abstinenz als Akt der Buße ist nicht grotesk, sondern - wenn man sich mal u.a. die Apostolischen Canones anschaut - eine sehr gängige Praxis der Frühen Kirche.

Benutzeravatar
Marcus
Beiträge: 3077
Registriert: Dienstag 13. Juni 2006, 14:48

Re: Ehesakrament in den orthodoxen Kirchen

Beitrag von Marcus »

Gegen eine Bußzeit spricht ja auch nichts. Ich finde nur die Reihenfolge etwas ungewöhnlich. Ich denke eher, dass die Buße der erneuten Eheschließung vorausgehen sollte.
Jesus spricht: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.“ (Joh. 14,6)

Ralf

Re: Ehesakrament in den orthodoxen Kirchen

Beitrag von Ralf »

Marcus hat geschrieben:Gegen eine Bußzeit spricht ja auch nichts. Ich finde nur die Reihenfolge etwas ungewöhnlich. Ich denke eher, dass die Buße der erneuten Eheschließung vorausgehen sollte.
Der Bußakt folgt sinnigerweise immer der Vergebung, sind wir Katholiken ja auch von der Beichte so gewohnt.

Und die Christen, die sich besonders als Büßer empfanden (bspw. der Hl. Franz von Assisi hat sich ja nie anders gesehen), taten das, weil sich Gott als Vergebung erfahren hatten.

Also: erst Vergebung, dann Buße.

Benutzeravatar
Protasius
Moderator
Beiträge: 7121
Registriert: Samstag 19. Juni 2010, 19:13

Re: Ehesakrament in den orthodoxen Kirchen

Beitrag von Protasius »

Bei der feierlichen Buße kam die Vergebung aber erst nach der Bußzeit, man denke an die Büßer, die Aschermittwoch aus der Kirche geschickt wurden und Gründonnerstag rekonziliert wurden; der Ritus für diese öffentliche Buße findet sich im Pontificale Romanum bis ins 20. Jahrhundert, auch wenn es schon im Mittelalter sehr selten geworden war. Daß die Vergebung vor die Buße kommt, ist erst eine spätere Entwicklung. Papst Kallistus schrieb gegen die Montanisten, die lehrten, daß die Kirche nur bestimmte Sünden vergeben könne:
Ich vergebe die Sünden des Ehebruchs und der Unzucht denen, die gebüßt haben.
Der so genannte ‚Geist’ des Konzils ist keine autoritative Interpretation. Er ist ein Geist oder Dämon, der exorziert werden muss, wenn wir mit der Arbeit des Herrn weiter machen wollen. – Ralph Walker Nickless, Bischof von Sioux City, Iowa, 2009

Benutzeravatar
Protasius
Moderator
Beiträge: 7121
Registriert: Samstag 19. Juni 2010, 19:13

Re: Ehesakrament in den orthodoxen Kirchen

Beitrag von Protasius »

Protasius hat geschrieben:Bei der feierlichen Buße kam die Vergebung aber erst nach der Bußzeit, man denke an die Büßer, die Aschermittwoch aus der Kirche geschickt wurden und Gründonnerstag rekonziliert wurden; der Ritus für diese öffentliche Buße findet sich im Pontificale Romanum bis ins 20. Jahrhundert, auch wenn es schon im Mittelalter sehr selten geworden war. Daß die Vergebung vor die Buße kommt, ist erst eine spätere Entwicklung. Papst Kallistus schrieb gegen die Montanisten, die lehrten, daß die Kirche nur bestimmte Sünden vergeben könne:
Ich vergebe die Sünden des Ehebruchs und der Unzucht denen, die gebüßt haben.
Ich habe nochmal nachgesehen, anscheinend ist die Absolution am Ende der feierlichen Buße von der sakramentalen Absolution in der Beichte verschieden und es war Sache des Beichtvaters und des Bischofs zu entscheiden, ob eine öffentliche Buße angebracht und fruchtbringend ist.
Der so genannte ‚Geist’ des Konzils ist keine autoritative Interpretation. Er ist ein Geist oder Dämon, der exorziert werden muss, wenn wir mit der Arbeit des Herrn weiter machen wollen. – Ralph Walker Nickless, Bischof von Sioux City, Iowa, 2009

Benutzeravatar
taddeo
Moderator
Beiträge: 19226
Registriert: Donnerstag 18. Januar 2007, 09:07

Re: Ehesakrament in den orthodoxen Kirchen

Beitrag von taddeo »

Marcus hat geschrieben:Gegen eine Bußzeit spricht ja auch nichts. Ich finde nur die Reihenfolge etwas ungewöhnlich. Ich denke eher, dass die Buße der erneuten Eheschließung vorausgehen sollte.
Die zweite Ehe IST ja die Bußzeit - nur sagt das vorher keiner laut. :tuete:
(Aber wenn man die bis zu 85% Scheidungsrate von Zweitehen anschaut, scheint es wohl zu stimmen.)

Benutzeravatar
martin v. tours
Beiträge: 3471
Registriert: Sonntag 2. November 2008, 21:30

Re: Ehesakrament in den orthodoxen Kirchen

Beitrag von martin v. tours »

Das ist doch das schöne an der Ehe. Man kann gemeinsam die Probleme lösen, die man nicht gehabt hätte, wäre man alleine geblieben. :blinker:
Nach dem sie nicht erreicht hat, daß die Menschen praktizieren, was sie lehrt, hat die gegenwärtige Kirche beschlossen, zu lehren, was sie praktizieren.
Nicolás Gómez Dávila

Benutzeravatar
taddeo
Moderator
Beiträge: 19226
Registriert: Donnerstag 18. Januar 2007, 09:07

Re: Ehesakrament in den orthodoxen Kirchen

Beitrag von taddeo »

martin v. tours hat geschrieben:Das ist doch das schöne an der Ehe. Man kann gemeinsam die Probleme lösen, die man nicht gehabt hätte, wäre man alleine geblieben. :blinker:
Das ist aber schon der Idealfall, den Du da schilderst.
Oft genug soll einer allein die Probleme lösen, die er allein gar nicht hätte. Und daran scheitert es oft genug.

Benutzeravatar
Ewald Mrnka
Beiträge: 7001
Registriert: Dienstag 30. November 2004, 11:06

Re: Ehesakrament in den orthodoxen Kirchen

Beitrag von Ewald Mrnka »

taddeo hat geschrieben:
martin v. tours hat geschrieben:Das ist doch das schöne an der Ehe. Man kann gemeinsam die Probleme lösen, die man nicht gehabt hätte, wäre man alleine geblieben. :blinker:
Das ist aber schon der Idealfall, den Du da schilderst.
Oft genug soll einer allein die Probleme lösen, die er allein gar nicht hätte. Und daran scheitert es oft genug.
Das hast Du sehr schön gesagt! :breitgrins:
Wer die wirklichen Herrschenden identifizieren will, braucht sich nur zwei Fragen zu stellen:
WEN und WAS darfst Du NICHT kritisieren?
WESSEN INTERESSEN verfolgt das System?

Fragesteller
Beiträge: 1691
Registriert: Freitag 18. Mai 2012, 10:41

Re: Ehesakrament in den orthodoxen Kirchen

Beitrag von Fragesteller »

Protasius hat geschrieben:
Protasius hat geschrieben:Bei der feierlichen Buße kam die Vergebung aber erst nach der Bußzeit, man denke an die Büßer, die Aschermittwoch aus der Kirche geschickt wurden und Gründonnerstag rekonziliert wurden; der Ritus für diese öffentliche Buße findet sich im Pontificale Romanum bis ins 20. Jahrhundert, auch wenn es schon im Mittelalter sehr selten geworden war. Daß die Vergebung vor die Buße kommt, ist erst eine spätere Entwicklung. Papst Kallistus schrieb gegen die Montanisten, die lehrten, daß die Kirche nur bestimmte Sünden vergeben könne:
Ich vergebe die Sünden des Ehebruchs und der Unzucht denen, die gebüßt haben.
Ich habe nochmal nachgesehen, anscheinend ist die Absolution am Ende der feierlichen Buße von der sakramentalen Absolution in der Beichte verschieden und es war Sache des Beichtvaters und des Bischofs zu entscheiden, ob eine öffentliche Buße angebracht und fruchtbringend ist.
Und die sakramentale Absolution kam vorher? Nur das würde ja Ralfs Argumentation entsprechen.

Benutzeravatar
Protasius
Moderator
Beiträge: 7121
Registriert: Samstag 19. Juni 2010, 19:13

Re: Ehesakrament in den orthodoxen Kirchen

Beitrag von Protasius »

Fragesteller hat geschrieben:
Protasius hat geschrieben:
Protasius hat geschrieben:Bei der feierlichen Buße kam die Vergebung aber erst nach der Bußzeit, man denke an die Büßer, die Aschermittwoch aus der Kirche geschickt wurden und Gründonnerstag rekonziliert wurden; der Ritus für diese öffentliche Buße findet sich im Pontificale Romanum bis ins 20. Jahrhundert, auch wenn es schon im Mittelalter sehr selten geworden war. Daß die Vergebung vor die Buße kommt, ist erst eine spätere Entwicklung. Papst Kallistus schrieb gegen die Montanisten, die lehrten, daß die Kirche nur bestimmte Sünden vergeben könne:
Ich vergebe die Sünden des Ehebruchs und der Unzucht denen, die gebüßt haben.
Ich habe nochmal nachgesehen, anscheinend ist die Absolution am Ende der feierlichen Buße von der sakramentalen Absolution in der Beichte verschieden und es war Sache des Beichtvaters und des Bischofs zu entscheiden, ob eine öffentliche Buße angebracht und fruchtbringend ist.
Und die sakramentale Absolution kam vorher? Nur das würde ja Ralfs Argumentation entsprechen.
Wenn ich den Artikel in der Catholic Encyclopedia richtig verstanden habe, dann ja. Da die feierliche Buße in der frühen Kirche teilweise Jahre dauern konnte, wäre es sehr gefährlich gewesen den Pönitenten erst am Ende der Bußzeit zu absolvieren, wenn er nicht zwischendrin verstirbt. Wenn man diese Ansicht übernimmt, erklärt es sich auch, wieso nach einigen Synoden in Ermangelung eines Priesters Diakone einen sterbenden Büßer absolvieren konnten, um ihm das Viaticum reichen zu können; wenn diese Absolution eines Büßers von der sakramentalen Absolution verschieden war, gerät man auch nicht in Konflikt zur in der Priesterweihe übertragenen Binde- und Lösegewalt.
Der so genannte ‚Geist’ des Konzils ist keine autoritative Interpretation. Er ist ein Geist oder Dämon, der exorziert werden muss, wenn wir mit der Arbeit des Herrn weiter machen wollen. – Ralph Walker Nickless, Bischof von Sioux City, Iowa, 2009

Antworten Vorheriges ThemaNächstes Thema