Ja, der Osten ist von dieser "Denke" frei geblieben, weil sich aufgrund der (auch staatlich gestützen) - man verzeihe mir den Ausdruck - monokonfessionellen Realität keinerlei Herausforderung dazu bestand. All die westlichen Feinheiten, nicht selten auf dem ersten Blick Spitzfindigkeiten, sind Auswuchs einer kirchlichen Herausforderung durch Andersdenkende. Der Kirche ist so etwas nicht unbekannt, denn die heißen Debatten um Christologie, Trinität, Ikonenverehrung etc. des ersten Jahrtausends sind ebenso Frucht einer Auseinandersetzung.Nietenolaf hat geschrieben:Vielleicht, wobei ich nicht behaupten will, daß der Osten frei von "punktuell-mechanisch-juridischem" Denken ist. Irgendwo nebenan wird diskutiert, ob die Altkatholiken (oder wer auch immer) ein "magisches Weiheverständnis" haben. Ich habe diese Diskussion nicht verfolgt, aber m.E. geht das magische Verständnis genau da los, wo man von "Wandlungsworten", Zaubersprüchen, "ex opere operato" redet, so daß selbst ein Nicht-Christ "gültig" taufen kann oder manche sich fragen, ob schwarze Messen nun "gültig, aber unerlaubt" sind oder wie man damit umgeht, wenn die Satanisten ja die Intention haben, "das zu tun, was die Kirche tut". Daher auch die nie enden wollenden Anfragen an die Orthodoxen, ob irgendwelche Taufen, Weihen, etc. "gültig" sind, wenn man denn nur bestimmte Handlungen in einer "gültigen" Sukzessionslinie (die sich quasi als eine Art Energiestrahl von den Aposteln über die Generatioen her zu uns erstreckt und den Geweihten zu einer Art Ladungsträger für genuin apostolische Heilsenergie macht) ausübt... das müßte ja dann "von rechtswegen" gültig sein und "anerkannt" werden! Aber nein, im Wesentlichen ist der christliche Osten von diesen Denkmustern frei geblieben. Nicht komplett, aber größtenteils.ad-fontes hat geschrieben:Es war nur ein gutgemeinter Versuch, die Unterschiede herauszuarbeiten.
Dabei habe ich - anscheinend zurecht - das Prozesshafte des Wandlungsgeschehens im orthodoxen Liturgieverständnis dem abendländischen "punktuell-mechanisch-juridischem" Denken gegenüber gestellt.
Wir wissen alle nicht, ob der Orthodoxie langfristig solche Debatten erspart bleiben - daß andere "draußen" waren, hat die Kirche auf jeden Fall anfangs nicht kalt gelassen, ich hoffe, das ist weiterhin so.
Ich merke es ja auch im engsten familiären Umfeld: wenn meine (orthodoxe) Frau mich fragt, wie "wir" eine spezielle Frage sehen, regt sie sich manchmal geradezu auf, wie logisch stringent die Lateiner etwas erklären. Es ist eben eine andere Herangehensweise: man kann das Mysterium einfach so stehen lassen, nicht gedanklich zu sehr bearbeiten - oder sich ihm nähern, ohne es zu entheiligen; doch gleichzeitig mit dem Ziel, all das zu entschleiern, was das Mysterium eher verhüllt als verziert.
Beides ist legitim, beides darf sein.