Monergist hat geschrieben:Das Bild von der Kirche als Heilanstalt findest Du beispielsweise in "Christianity is not a religion. It is psychotherapeutic science." (Metropolitan Hierotheos of Nafpaktos mit zahlreichen Fußnoten/Verweisen) oder in "Orthodoxy as therapy" (wieder Prof. Metallinos) noch weiter ausgeführt.
Metropolit Hierotheos von Nafpaktos ist viel angenehmer zu lesen als Prof. Metallinos. Letzterer wirkt wenig seriös, eher in unangenehmer Weise polemisch.
Hierotheos beklagt, dass nur noch wenige Ärzte im Orthodoxen Psychotherapiezentrum tatsächlich über die Fähigkeit zum Heilen verfügten, da nur wenige selbst geheilt seien. Der Verlust der Tradition liege hauptsächlich im Verlust der therapeutischen Methode und im Verlust befähigter Therapheuten. Zur Heilung reichten Glaube und Empfang der Sakramente nicht aus. Zusätzlich sei Askese notwendig: Vigilien, Studium, Gebet, Selbstkontrolle und Hesychia. Priester und Theologen seien nicht von Leidenschaften befreit und daher unfähig, den Kranken ein Arzt zu sein, und vielmehr selbst krank. Hinzu komme erschwerend ein Mangel an Bewusstsein der Krankheit. Das Psychotherapiezentrum weise so kaum tatsächliche Heilerfolge auf. Die meisten Kranken blieben krank.
Diesem Gedankengang kann ich mich grundsätzlich anschließen, ganz ohne die Situation der Orthodoxen einschätzen zu können oder zu wollen. Das Problem ist klar: Blinde führen Blinde in den Graben. Der Glaube allein reicht nicht, nur derjenige liebt Gott, der auch sein Willen tut. Sehr anspruchsvoll erscheint mir die Idee, ein jeder Priester müsse umfänglich geheiligt sein, bevor er seinen Schäfchen von Nutzen sein kann, aber die Richtung stimmt.
Monergist hat geschrieben:Kernpunkt des Ganzen ist - immer wieder - die Feststellung, dass nicht Gottes Gerechtigkeit uns an dem Eingang in den Himmel hindert, sondern unser sündhafter Zustand.
Ja, Gottes Gerechtigkeit hindert uns in keiner Weise. Im Gegenteil: sie spornt uns an.
Aber noch einmal zu Metallinos. Er legt Wert darauf, dass Paradies und Hölle nicht zwei verschiedene Orte seien. Gemäß seiner Begründung geht es dabei weniger eigentlich um Orte, sondern um `Werkzeuge'. Er identifiziert das Feuer der Hölle mit dem göttlichen Licht. Das göttliche Licht sei gleichzeitig `Werkzeug' der Folter der Verdammten und `Werkzeug' der Seligkeit der Seligen. Dazu habe ich auch wieder die Frage: Ist das Orthodoxer Mainstream oder eher eine Sichtweise unter anderen?
Und eine weitere Frage: Metallinos betont immer wieder, dass Himmel und Hölle ungeschaffene Realitäten seien. Ich verstehe, dass er darauf hinweist, wenn es nun so sein soll; ich verstehe aber nicht, warum er das so heftig betont. Was für unterschiedliche Konsequenzen ergeben sich denn, wenn Gott selbst ohne irgendwelche Agenten direkt die Hölle verursachte, im Gegensatz zu der Auffassung, dass Gott eine Institution Hölle zu demselben Zweck schafft? Schließlich ist es in beiden Fällen Gott, dessen Wille geschieht, schließlich kommt in beiden Fällen Gottes Gerechtigkeit zur Anwendung.
Gruß
Sempre
P.S. @Nietenolaf: Danke!
P.P.S.: Die Apotheke war früher Heilanstalt, Apotheker und Arzt nicht getrennte Berufe.