ar26 hat geschrieben:@ Taddeo
Wobei die Frage erlaubt sei, ob denn ein Papst ein Missale vollständig abrogieren dürfte. Und selbst wenn, dann dürfte sein Nachfolger ebenso wieder ein Missale abrogieren und ein neues Missale einsetzen, das dem ursprünglichen ähnlich ist?
Dieser Papabilismus taugt nicht als Argumentation. Gewiss darf ein Papst ein neues Missale einsetzen; nur kann er sich wohl kaum derart gegen seine Vorgänger wenden und einen Jahrhunderte lang praktizierten Ritus für alle Erdenzeit verbieten. Damit stellte er sich nämlich über die Tradition.
Jein. Papst Paul VI. - der übrigens heute vor 46 Jahren zum Papst gewählt wurde - formuliert es in der Konstitution "Missale Romanum" nicht als Abrogation des bisherigen Ritus, sondern als dessen gott- und konzilsgewollte Fortschreibung im Einklang mit der kirchlichen Tradition:
[quote="Die Konstitution "Missale Romanum""]Das Römische Meßbuch, auf Grund eines Beschlusses des Konzils von Trient von Unserem Vorgänger, dem heiligen Pius V., im Jahre 1570 herausgegeben, gehört nach allgemeinem Urteil zu den vielen und segensreichen Ergebnissen, die dieses Konzil für die gesamte Kirche Christi zeitigte. Vier Jahrhunderte lang haben Priester des lateinischen Ritus sich seiner als Norm zur Feier des eucharistischen Opfers bedient, und Glaubensboten haben es in fast alle Länder gebracht. Zahllose heilige Menschen haben für ihr geistliches Leben aus seinen Schriftlesungen und Gebeten in reichem Maß wertvolle Anregungen geschöpft, aus jenen Texten also, deren Ordnung im wesentlichen auf Gregor den Großen zurückgeht.
Seit geraumer Zeit hat sich nun aber im christlichen Volk eine
liturgische Erneuerung in steigendem Maße entfaltet, die
nach einem Wort Unseres Vorgängers Pius XII. als Walten der Vorsehung Gottes gegenüber den Menschen unserer Zeit und als gnadenvolles Wirken des Heiligen Geistes in seiner Kirche anzusehen ist. Diese Erneuerungsbewegung hat weithin deutlich werden lassen,
daß die Texte des Römischen Meßbuches einer Überarbeitung und Erweiterung bedürfen. Einen Anfang machte Unser Vorgänger
Pius XII. durch die Neuordnung der Osternacht und der Karwoche, womit er gleichsam den
ersten Schritt tat, um das Römische Meßbuch dem Empfinden unserer Zeit anzupassen.
Das Zweite Vatikanische Konzil hat mit der Konstitution „Sacrosanctum Concilium“ die Grundlage für eine allgemeine Erneuerung des Römischen Meßbuches gelegt. Nach seinen Bestimmungen sollen Texte und Riten so geordnet werden, daß sie das Heilige, dem sie als Zeichen dienen, deutlicher zum Ausdruck bringen.[4]
Der Meßordo soll so überarbeitet werden, daß der eigentliche Sinn der einzelnen Teile und ihr wechselseitiger Zusammenhang deutlicher hervortreten und die fromme und tätige Teilnahme der Gläubigen erleichtert wird.[5] Damit den Gläubigen der Tisch des Gotteswortes reicher bereitet werde, soll die Schatzkammer der Bibel weiter aufgetan werden.[6] Ferner beschloß das Konzil, daß ein neuer Konzelebrationsritus geschaffen und in das Römische Pontifikale und Missale eingefügt werde.[7]
Diese
Erneuerung des Römischen Meßbuches ist jedoch nicht plötzlich und unvorbereitet gekommen. Ihr haben die Ergebnisse der
liturgiewissenschaftlichen Arbeiten während der letzten vier Jahrhunderte den Weg bereitet. Wie aus der Apostolischen Konstitution „Quo primum“ Unseres Vorgängers, des heiligen Pius V., hervorgeht, hatten
schon nach dem Konzil von Trient zur Revision des Römischen Meßbuches das S
tudium und der Vergleich der alten Handschriften, die sich in der Vatikanischen Bibliothek befanden oder die von überall her hinzugezogen wurden, nicht wenig beigetragen. Inzwischen sind sowohl
älteste liturgische Quellen neu erschlossen und veröffentlicht wie auch
Texte der Ostkirchen eingehender untersucht worden. Es ergab sich bei vielen der Wunsch, die dort vorhandenen Reichtümer des Glaubens und der Frömmigkeit nicht länger im Dunkel der Bibliotheken verborgen zu halten, sondern ans Licht zu bringen, um Herz und Sinn der Christen zu erleuchten und zu nähren.[/quote]
(Hervorhebungen von mir)
Man mag nun darüber streiten, ob das alles theologisch richtig, liturgisch sachgemäß oder historisch zutreffend war, was da behauptet wird. Vor allem kann man über die Qualität des Meßbuches selber streiten, das ja nach heutiger Kenntnis weithin "am grünen Tisch" zusammengeschustert wurde und nicht organisch aus seinem Vorgänger erwachsen ist, und das auch keine Legitimation durch das II. Vaticanum besitzt, die allein noch dem Ordo von 1965 zukommen würde.
Tatsache ist aber eindeutig, daß der Papst bei der Promulgation den bisherigen Ordo vollständig durch den "neuen", seiner zumindest publizierten Ansicht nach legitim aus dem Vorgänger erwachsenen Ordo ersetzen wollte. Er sah sich dabei nicht im Widerspruch zu seinen Vorgängern, sondern beruft sich ja ausdrücklich auf diese. Papalismus würde ich das auch nicht nennen, denn es ist nun mal nur der Papst, der liturgische Dinge letztverbindlich regeln kann.
Die Äußerung Papst Benedikts in seinem Motu Proprio, der alte Ordo sei nie rechtlich abrogiert worden, kann daher schon als eine kanonistische Spitzfindigkeit betrachtet werden, die man auch anders sehen könnte. Das will aber offenbar niemand, denn nicht einmal kirchenkritische Gruppen haben das versucht (sie haben wohl kein Interesse daran gehabt oder keinen Kanonisten gefunden, der sich dafür hergegeben hätte; angreifbar wäre diese These sicherlich).