Vor vierzig Jahren: Paul VI. kündigt NOM an

Rund um den traditionellen römischen Ritus und die ihm verbundenen Gemeinschaften.
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FranzSales
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Re: Vor vierzig Jahren: Paul VI. kündigt NOM an

Beitrag von FranzSales »

Wieso? Stehst Du nicht auf dem Boden des Konzils? Wir dürfen uns nicht beirren lassen. :dudu:
"Herr Jesus Christus, wir beten Dich an und benedeien Dich. In Deinem Heiligen Kreuz hast Du die Welt erlöst."

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ottaviani
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Re: Vor vierzig Jahren: Paul VI. kündigt NOM an

Beitrag von ottaviani »

träum weiter

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lifestylekatholik
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Re: Vor vierzig Jahren: Paul VI. kündigt NOM an

Beitrag von lifestylekatholik »

ottaviani hat geschrieben:träum weiter
Ich bin überzeugt, Franz sprach ironisch.
»Was muß man denn in der Kirche ›machen‹? In den Gottesdienſt gehen und beten reicht doch.«

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holzi
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Re: Vor vierzig Jahren: Paul VI. kündigt NOM an

Beitrag von holzi »

lifestylekatholik hat geschrieben:
ottaviani hat geschrieben:träum weiter
Ich bin überzeugt, Franz sprach ironisch.
Wir brauchen ganz dringend den hier Bild im Smilierepertoire!

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Libertas Ecclesiae
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Re: Vor vierzig Jahren: Paul VI. kündigt NOM an

Beitrag von Libertas Ecclesiae »

Heute auf den Tag genau vor 40 Jahren, am 30. November 1969, wurde der Novus Ordo Missae in Italien offiziell eingeführt. Aber wann war das eigentlich genau im deutschsprachigen Raum? Das Messbuch in deutscher Sprache ist meines Wissens etwas später erschienen. Trotzdem hatte man schon seit ca. 1966/67, sozusagen im "vorauseilenden Gehorsam", mit den Neuerungen begonnen. Das müssen ziemlich wilde Jahre gewesen sein, die Gläubigen wurden in den meisten Fällen so gut wie gar nicht auf diese radikalen Umstellungen im liturgischen Bereich vorbereitet, sondern einfach, sozusagen über Nacht, vor vollendete Tatsachen gestellt (Zelebration versus populum, Verwendung der deutschen Sprache, Einführung der Handkommunion etc.). Das ist eine Geschichte, die bis heute noch nicht richtig aufgearbeitet wurde. Theoretisch hätte man ja noch bis 1975 nach dem alten Missale zelebrieren können, was aber so gut wie nicht mehr der Fall gewesen ist.
„Die letzte Messe ist noch nicht gelesen.“
(Jelena Tschudinowa)

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ottaviani
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Re: Vor vierzig Jahren: Paul VI. kündigt NOM an

Beitrag von ottaviani »

es ging bis zum ersten fastensonntag 1976

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taddeo
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Re: Vor vierzig Jahren: Paul VI. kündigt NOM an

Beitrag von taddeo »

Libertas Ecclesiae hat geschrieben:Heute auf den Tag genau vor 40 Jahren, am 30. November 1969, wurde der Novus Ordo Missae in Italien offiziell eingeführt. Aber wann war das eigentlich genau im deutschsprachigen Raum? Das Messbuch in deutscher Sprache ist meines Wissens etwas später erschienen. Trotzdem hatte man schon seit ca. 1966/67, sozusagen im "vorauseilenden Gehorsam", mit den Neuerungen begonnen. Das müssen ziemlich wilde Jahre gewesen sein, ...
Mir hat mal ein Priester von dieser "Übergangszeit" erzählt, in der es noch kein gedrucktes Missale auf Deutsch gab, sondern nur "Lose-Blatt-Sammlungen" bzw. Ordner mit den neuen Texten. Das muß wohl ein ziemliches Chaos gewesen sein. Ein Mitbruder von ihm suchte bei der Messe verzweifelt den Text der Präfation und blätterte und blätterte ... in der Hoffnung, bald die gewünschte Seite zu finden, wandte er sich schließlich an die Gemeinde und sagte "Der Herr sei schon mal mit euch" ...

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Niels
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Re: Vor vierzig Jahren: Paul VI. kündigt NOM an

Beitrag von Niels »

Libertas Ecclesiae hat geschrieben:In der Süddeutschen Zeitung vom 28. November hat Alexander Kissler einen Beitrag zum 4. Jahrestag der Einführung der Liturgiereform und zum Aufschwung der Alten Messe veröffentlicht.
Alexander Kissleri hat geschrieben:In der „Süddeutschen Zeitung“ vom 28. November frage ich anlässlich des 4. Jahrestages des Inkrafttretens der katholischen Liturgiereform: Ist sie gescheitert?
http://www.alexander-kissler.de/15..html

Kann man diesen Artikel irgendwo online nachlesen?
Mittlerweile ja, und zwar hier: http://www.introibo.net/temp/sz_91128.htm



Nachtrag
Inhaltlich bringt der Artikel nicht viel Neues, an mindestens einer Stelle ist er sogar falsch:
Anfang November hat mit dem Kölner Weihbischof Klaus Dick erstmals ein deutscher Bischof öffentlich die tridentinische Messe gefeiert (... ) Auch im Petersdom wurde bereits zweimal nach den Büchern des Trienter Konzils gefeiert.
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Niels
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Re: Vor vierzig Jahren: Paul VI. kündigt NOM an

Beitrag von Niels »

Interview mit Pater Recktenwald: http://www.kath.net/detail.php?id=24783
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cantus planus
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Re: Vor vierzig Jahren: Paul VI. kündigt NOM an

Beitrag von cantus planus »

Ein hochinteressanter Artikel: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-41146957.html

Eine Million Tradi-Sympathisanten in Deutschland? Die Zahl scheint mir hoch, aber wenn sogar der notorisch antikirchliche Spiegel sie kolportiert, könnte man fast annehmen, sie sei noch höher.
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Robert Ketelhohn
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Re: Vor vierzig Jahren: Paul VI. kündigt NOM an

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Der Artikel ist vom 13.09.1976.
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cantus planus
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Re: Vor vierzig Jahren: Paul VI. kündigt NOM an

Beitrag von cantus planus »

Ach so. Verzeihung. :tuete:
Ich war eben beim Googeln darauf gestoßen. Wie dem auch sei: ein hochinteressantes Zeitdokument!
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Berolinensis
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Re: Vor vierzig Jahren: Paul VI. kündigt NOM an

Beitrag von Berolinensis »

cantus planus hat geschrieben:Ach so. Verzeihung. :tuete:
Natürlich hätte einem das Titlbild auch zu denken geben können - Mao ist ja nun doch schon eine Weile tot :kugel:

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ottaviani
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Re: Vor vierzig Jahren: Paul VI. kündigt NOM an

Beitrag von ottaviani »

Ach das war noch ein Pioniergeist damals

HeGe
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Re: Vor vierzig Jahren: Paul VI. kündigt NOM an

Beitrag von HeGe »

Wirklich ein sehr interessanter Artikel, zeitgeschichtlich zumindestens. :daumen-rauf: Mich würde interessieren, wieviel von diesem Konflikt damals aber überhaupt in den normalen Pfarrgemeinden angekommen ist.

Die Zahl der Unterstützer der Tradition scheint ja damals noch etwas höher gewesen zu sein, als heute, wobei man sinkende Zahlen natürlich immer in Relation zu den aktiven Katholiken überhaupt sehen muss.
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cantus planus
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Re: Vor vierzig Jahren: Paul VI. kündigt NOM an

Beitrag von cantus planus »

In den meisten Gemeinden ist man wohl nicht ohne Bedauern, aber im gutgemeinten Gehorsam dem gefolgt, was da von oben kam. Ich kenne das von meinen Eltern: sie bedauern die Entfernung der Seitenaltäre und des Hochaltars bis heute, den Wegfall der Andachten und vieler anderer Dinge. Sie meinen aber, dass müsse eben so sein. Gleichzeitig sind sie entsetzt darüber, dass es immer noch Gemeinschaften in der Kirche gibt, die genau das tun, was sie eigentlich seit ihrer Kindheit vermissen. Verwirrung ist das richtige Stichwort. Zwar sind sie gut katholisch und haben das richtige Bauchgefühl. Aber in vierzig Jahren ist der Verstand teilweise so vernebelt worden, dass das Bauchgefühl als falsch oder zumindest zweifelhaft angesehen wird.

Meiner Mutter habe ich mehrere Schriften von Georg May zur Lektüre gegeben. Sie war begeistert von der Klarheit der Aussagen und fand ihr Kirchenbild bestätigt. Schon am nächsten Tag las sie einen durch und durch modernistischen Artikel des Bischofs in ihrer Kirchenzeitung - und meinte prompt, Mays Aussagen seien heute wohl doch nicht mehr modern. Wie gesagt: reine Verwirrung. An vielen Punkten ist dagegen nicht mehr anzukommen, wie ich im Thread "Ich kapituliere..." nebenam im Refektor geschrieben habe. Oft muss man schmerzhafte und eigentlich untragbare Kompromisse machen, um nicht noch Streit in die eigene Familie zu tragen. Es hilft nur noch das Gebet und die eigene Überzeugung glaubhaft zu leben.
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conscientia
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Re: Vor vierzig Jahren: Paul VI. kündigt NOM an

Beitrag von conscientia »

Hi,
Verwirrung: in der Tat das richtige Stichwort.
Ich - Kind einer nordwestdeutschen Diasporagemeinde (Erzbm. Breslau im Exil) - kenne jedoch nur Leute, die die nachkonziliaren Reformen als Bestätigung einer Haltung empfunden haben, die sie nach Flucht und Ankunft in der Fremde bitter lernen mussten: nämlich dass christlicher Glaube und christliches Leben nur funktioniert, wenn ich mich selbst nicht als Konsument betätige, sondern aktiv mittue, aktiv Glauben lebe, auch: aktiv im Gottesdienst dabei bin. Partiell deutsche Messen z. B. hat es da schon 1950 gegeben. Nebenaltäre, Barockaltäre, merkwürdige Baßgeigen und Spitzenhemdchen: gab es nie.
Das Plus an Mitsprache (Pfarrgemeinderat) ist begrüßt worden. (Ich habe den Eindruck, die Bewertung hängt davon ab, welcher Pfarrer mit welchen Laien zusammenarbeitet.)
Verwirrung? Weil sich in der Kirche so viel geändert hat, was einem trotz liturgischer Bewegung wichtig war: Fastenregeln z. B., Namenstagsdatierung.
Von daher galten 1985 eher Typen wie Lefebvre oder Professor May als merkwürdig.
Heute? weiß ich nicht, müsste mal nachfragen.
Ciao
c.

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cantus planus
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Re: Vor vierzig Jahren: Paul VI. kündigt NOM an

Beitrag von cantus planus »

Ja, du sprichst einen weiteren wichtigen Punkt an: vielen gilt das II. Vaticanum als "Urkatastrophe". Dabei waren wir in Deutschland schon mehr als zwei Jahrzehnte vorher in etlichen Dingen "wesentlich weiter". Welche Entwicklungen es gab, und was sich genau unter wessen Federführung (es war beileibe nicht nur Bugnini!) in welchen Dokumenten niedergeschlagen hat, müsste einmal gründlich untersucht werden. Die Vorgeschichte des Konzils ist m. E. bisher nicht aufgearbeitet worden. Auch die unterschiedlichen Verhaltensweisen Johannes XXIII. und Pauls VI. und ihre Entscheidungen und Eingriffe müssten einmal wesentlich detailliert betrachtet werden.

Wenn ich nur mehr Zeit hätte... *haarerauf*
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Bernado
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Re: Vor vierzig Jahren: Paul VI. kündigt NOM an

Beitrag von Bernado »

conscientia hat geschrieben: Partiell deutsche Messen z. B. hat es da schon 1950 gegeben. Nebenaltäre, Barockaltäre, merkwürdige Baßgeigen und Spitzenhemdchen: gab es nie.
Verwirrung auch hier. "Deutsche Messen" hat es im ganzen deutschen Sprachraum ab den 30er Jahren gegeben - ein Nord-Süd-Gefälle ist mir nicht greifbar, eines der Zentren der Bewegung lag in Österreich (Pius Parsch/Kloster Neuburg). Tatsächlich gab es nach dem Krieg sogar zunächst einen Rückgang des Trends - einige Fürsprecher der deutschen Sprache in der Liturgie waren sehr nah am Völkischen entlanggeschrammt (z. B. Theodor Bogler und Umfeld) und legten erst mal eine Denkpause ein.

Nebenaltäre gab es in Norddeutschland so, wie anderswo auch, viele davon waren in barocken Formen gehalten. Allerdings setzte in einigen Städten die Vernichtung dieser Altäre schon früher ein - in Hamburg wurde z.B. das Inventar des (reformierten) Mariendoms nach der Säkularisierung 1806 versteigert, einige der zahlreichen über die Reformation hinweg erhalten gebliebenen Nebenaltäre kamen so in katholischer Kirchen - über ihr späteres Schicksal bin ich nicht informiert. Auch an anderen Orten Norddeutschlands blieben die Nebenaltäre über die Reformation hinaus und in der ehemaligen DDR - wo man kein Geld für Vandalismus hatte - bis zum heutigen Tag erhalten, so daß in Brandenburg oder MeckPomm manche seit Jahrhunderten protestantische Kirche deutlich katholischer aussieht als der Betsaal der örtlichen Gemeinde zum neuen Frühling.

Und natürlich gab es auch in Norddeutschland Baßgeigen und Spitzenhemdchen wie anderswo auch - zumindest da, wo nicht bittere Armut dem entgegenstand. Es gab da vor ein paar Jahren mal eine schöne Ausstellung mit religiöser Kunst aus Hamburg - da konmnte man das sehr gut sehen. Ich fürchte fast, Deine Eltern und Du sind den Märchen von irgendwelchen Leuten auf den Leim gegangen, die sich und anderen einreden wollen, die Kirche in Norddeutschland sei schon immer "nachkonziliar" gewesen.

War sie nicht.
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Berolinensis
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Re: Vor vierzig Jahren: Paul VI. kündigt NOM an

Beitrag von Berolinensis »

Bernado hat geschrieben:Auch an anderen Orten Norddeutschlands blieben die Nebenaltäre über die Reformation hinaus und in der ehemaligen DDR - wo man kein Geld für Vandalismus hatte - bis zum heutigen Tag erhalten, so daß in Brandenburg oder MeckPomm manche seit Jahrhunderten protestantische Kirche deutlich katholischer aussieht als der Betsaal der örtlichen Gemeinde zum neuen Frühling.
Ja, das fällt mir auch immer wieder mit großer Betrübnis auf. Oft wird dort ja auch noch der Hochaltar versus Deum genutzt - was schon sehr ironisch ist, wenn man bedenkt, daß die Zelebration versus populum ja Luthers Idee war.

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Bernado
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Re: Vor vierzig Jahren: Paul VI. kündigt NOM an

Beitrag von Bernado »

cantus planus hat geschrieben:Ja, du sprichst einen weiteren wichtigen Punkt an: vielen gilt das II. Vaticanum als "Urkatastrophe". Dabei waren wir in Deutschland schon mehr als zwei Jahrzehnte vorher in etlichen Dingen "wesentlich weiter". Welche Entwicklungen es gab, und was sich genau unter wessen Federführung (es war beileibe nicht nur Bugnini!) in welchen Dokumenten niedergeschlagen hat, müsste einmal gründlich untersucht werden. Die Vorgeschichte des Konzils ist m. E. bisher nicht aufgearbeitet worden. Auch die unterschiedlichen Verhaltensweisen Johannes XXIII. und Pauls VI. und ihre Entscheidungen und Eingriffe müssten einmal wesentlich detailliert betrachtet werden.

Wenn ich nur mehr Zeit hätte... *haarerauf*
Sehr empfehlenswert ist die einführende Darstellung "Die liturgische Bewegung" von Didier Bonnetere von 1979. Bonneterre gehörte (er ist kürzlich verstorben) der Piusbruderschaft an, aber das Buch stammt noch aus der Zeit vor der Vertiefung des Bruches 1988.

Bonneterre konzentriert sich auf die Reformbewegungen in Frankreich, Belgien und (eher schon am Rande) Deutschland, praktisch ganz außen vor bleiben die USA, in denen sich auch wichtige Entwicklungen vollzogen haben. Das keine 200 Seiten starke Buch stellt mehr eine einführung in das thema als eine detaillierte Untersuchung des Gegenstandes, die römische Seite bleibt ganz außen vor. Es benennt und erschließt jedoch einiges an Quellen, die für eine intensivere Untersuchung zu bearbeiten wären.

Ansonsten gebe ich Dir recht: Das Thema wird offiziellerseits kaum wahrgenommen. Das hat auch mit dem Bestreben siegreicher Revolutionäre zu tun, die Geschichtlichkeit ihrer Revolution nicht allzu deutlich sichtbar werden zu lassen. Lieber tun sie so, als wäre das eigentlich (zeitweilige Verirrungen abgesehen) immer so gewesen und müsse dann auch so, wie sie es gemacht haben, immer so bleiben.
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conscientia
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Re: Vor vierzig Jahren: Paul VI. kündigt NOM an

Beitrag von conscientia »

@Bernardo: Vielen Dank für die Belehrung. Darüber, wie Luthertum in Niedersachsen in den 1970er u. 1980er Jahren aussah und wie es sich entwickelt hat von der Reformation her, weiß ich ganz gut selber (habe den einen oder anderen hochkirchlichen Pastor gekannt, die können einem ein Privatissimum darüber halten).
Trotzdem gilt: In meiner Heimatgemeinde gab es weder Baßgeigen noch Spitzenhemdchen - Ehrenwort, als Aushilfsküster habe ich den Inhalt der Sakristeischränke gekannt.
Mir und meinen Eltern hat niemand Märchen erzählt. Ich spreche von der römisch-katholischen Kirche im Hannöverschen, wie sie sich im fraglichen Zeitraum darstellte und wie ich sie selbst erlebt habe. Ich wage die Aussage über mich selbst: Ich bin kirchengeschichtlich gut genug orientiert, um festzustellen, dass die rk. Kirche in NW-Dtl. nicht immer "nachkonziliar" war.
@cp: Man wird aber wohl sagen müssen, dass sich zwischen 1945 und 1970 in der rkK in NW-Dtl. (und vielleicht schon vorher) manches an Reformbewegung vollzogen hat, was dann auf die vom Konzil angeordnete Reform der liturgischen Bücher und der Erneuerung der christlichen Spiritualität zulief. Quellen: Maria Laach (Grüssau), Haus Altenberg, Klosterneuburg.

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cantus planus
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Re: Vor vierzig Jahren: Paul VI. kündigt NOM an

Beitrag von cantus planus »

Ja, da stimme ich dir zu. Im Nordwesten (Bistümer Münster, Osnabrück, Hildesheim etc.) war vieles schon tief verwurzelt, was mit dem Konzil offiziell wurde. Der Abriss des Hochaltars, kaum dass das Konzil beendet war, war hier der sichtbare Schlußstein, nicht der Beginn.
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Re: Vor vierzig Jahren: Paul VI. kündigt NOM an

Beitrag von conscientia »

Bei uns ging das so weit, dass der Hochaltar, der ohnehin schon umschreitbar war, gerade mal zwei Meter nach vorne gestellt wurde.
Nebenaltäre gab's nicht, also konnte man sie nicht rausreißen.
Für die Aufweichung einer gesunden Frömmigkeit sowie der gepflegten Liturgie haben m. E. eher - nach 1985 - gewisse Diplom-Religionspädagogen gesorgt. Mit denen liege ich eher im Stellungskrieg als mit "dem Konzil" und seinen Folgen.
cp, wenn wir alt sind, schreiben wir mal ein Buch...

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Florianklaus
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Re: Vor vierzig Jahren: Paul VI. kündigt NOM an

Beitrag von Florianklaus »

cantus planus hat geschrieben:Ja, da stimme ich dir zu. Im Nordwesten (Bistümer Münster, Osnabrück, Hildesheim etc.) war vieles schon tief verwurzelt, was mit dem Konzil offiziell wurde. Der Abriss des Hochaltars, kaum dass das Konzil beendet war, war hier der sichtbare Schlußstein, nicht der Beginn.

Im Dom zu Münster war der Abriß nicht einmal notwendig, schon beim Wiederaufbau nach dem Krieg wurde der neue Altar in das Zentrum der Vierung gerückt. Nach der Liturgiereform mußte man lediglich Kreuz und Leuchter abräumen und sich auf die andere Seite des Altares stellen.
Zuletzt geändert von Florianklaus am Montag 21. Dezember 2009, 17:24, insgesamt 1-mal geändert.

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cantus planus
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Re: Vor vierzig Jahren: Paul VI. kündigt NOM an

Beitrag von cantus planus »

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Bernado
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Re: Vor vierzig Jahren: Paul VI. kündigt NOM an

Beitrag von Bernado »

conscientia hat geschrieben:@Bernardo: Vielen Dank für die Belehrung. Darüber, wie Luthertum in Niedersachsen in den 1970er u. 1980er Jahren aussah und wie es sich entwickelt hat von der Reformation her, weiß ich ganz gut selber (habe den einen oder anderen hochkirchlichen Pastor gekannt, die können einem ein Privatissimum darüber halten).
Trotzdem gilt: In meiner Heimatgemeinde gab es weder Baßgeigen noch Spitzenhemdchen - Ehrenwort, als Aushilfsküster habe ich den Inhalt der Sakristeischränke gekannt.
Mir und meinen Eltern hat niemand Märchen erzählt. Ich spreche von der römisch-katholischen Kirche im Hannöverschen, wie sie sich im fraglichen Zeitraum darstellte und wie ich sie selbst erlebt habe. Ich wage die Aussage über mich selbst: Ich bin kirchengeschichtlich gut genug orientiert, um festzustellen, dass die rk. Kirche in NW-Dtl. nicht immer "nachkonziliar" war.
@cp: Man wird aber wohl sagen müssen, dass sich zwischen 1945 und 1970 in der rkK in NW-Dtl. (und vielleicht schon vorher) manches an Reformbewegung vollzogen hat, was dann auf die vom Konzil angeordnete Reform der liturgischen Bücher und der Erneuerung der christlichen Spiritualität zulief. Quellen: Maria Laach (Grüssau), Haus Altenberg, Klosterneuburg.
Vielleicht einigen wir uns einmal über den Zeitraum, über den wir sprechen. Du schreibst mal von "nie" und mal von Deiner Inspektion der Sakristeischränke - und das, wozu ich mich hier äußern will, greift schon etwas vor die Zeit zurück, die die meisten der hier schreibenden noch persönlich erlebt haben.
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Bernado
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Re: Vor vierzig Jahren: Paul VI. kündigt NOM an

Beitrag von Bernado »

Florianklaus hat geschrieben:Im Dom zu Münster war der Abriß nicht einmal notwendig, schon beim Wiederaufbau nach dem Krieg wurde der Altar in das Zentrum der Vierung gerückt. Nach der Liturgiereform mußte man lediglich Kreuz und Leuchter abräumen und sich auf die andere Seite des Altares stellen.
Hatte man vorher auch keinen Tabernakel auf dem Hauptaltar? Wäre für einen Wiederaufbau in der Nachkriegszeit denkbar.

Das Problem des Vierungsaltars würde eine eigene Untersuchung verdienen - ich habe noch keine gelesen. Wie ich hier schon mal geschrieben hatte, tauchte das Problem des Hochaltars überhaupt erst auf, als in den Jahrzehnten und Jahrhunderten (damals ging das mit der Reformiererei noch nicht so schnell) nach dem Konzil von Trient in den meisten Kirchen der Lettner und der vor dem Lettner stehende Kreuzaltar entfernt wurden. Erst damit wurde die Entfernung zwischen Volk und dem Altar, an dem die "Gemeindemesse" gefeiert wurde, so groß, daß sie als störend empfunden werden mußte - und die Errichtung von Vierungsaltären (in der Nähe des früheren Kreuzaltars!) war eine der Reaktionen darauf. In den meisten großen Vierungskirchen erfolgte das schon in der ersten Hälfte des 20. Jh - in anderen tatsächlich erst in der Nachlkriegszeit. Es wäre interessant, der Frage nachzugehen, ob sich die Begründungen für die Einrichtung von Vierungsaltären zwischen sagen wir mal 1880 und 1960 inhaltlich deutlich verändert haben.
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Re: Vor vierzig Jahren: Paul VI. kündigt NOM an

Beitrag von conscientia »

Da ich die 40 schon überschritten habe, war ich vor der Wende 1989 schon 20. Ich kann mich an die Einführung des GL bewusst erinnern. Unsere Pfarre zuhause wurde 1950 neu gegründet, und schon vorher sind nur noch Kaseln in "gotischer" Form angeschafft worden. Die ältesten Rochetts waren aus Leinen mit Ziernähten, ohne komplizierte Fältelungen. Es gab auch selbst genähte Kaseln, die waren kunstvolle Applikationen, unifarben, in der je angezielten liturgischen Farbe (rorarote und marienblaue Paramente gab es nicht, da hieß es immer, es sei kein Geld dafür übrig).
Ich spreche vom Zeitraum 1950-85

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Bernado
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Re: Vor vierzig Jahren: Paul VI. kündigt NOM an

Beitrag von Bernado »

conscientia hat geschrieben:Ich spreche vom Zeitraum 1950-85
Aha. Da ich vorhin mit der "Deutschen Messe" schon in die 30er Jahre gegangen war und über die Errichtung der Vierungsaltäre ab etwa 1880 gesprochen hatte - von Trient ganz zu schweigen - magst Du sehen, daß ich da eine gestrecktere Perspektive eingenommen habe. Für die 50er - und vielleicht hier und da auch für die 40er - will ich dir bestimmt nicht widersprechen - es gab auch in den 20er Jahren schon Kritik am "weibischen Aufputz" der Spitzenrochetts. (Nein, ich habe das persönlich nicht miterlebt)
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Niels
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"Zerfall eines Ritus?"

Beitrag von Niels »

Helmut Hoping: "Vor vierzig Jahren erschien die offizielle Ausgabe des Missale Pauls VI."
http://www.die-tagespost.de/28/index2 ... &Itemid=1
:daumen-rauf:
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obsculta
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Re: "Zerfall eines Ritus?"

Beitrag von obsculta »

"Zerfall der Kirche?" würde ich sagen.

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