Die Theologie von Joseph Ratzinger im Lichte der Tradition

Rund um den traditionellen römischen Ritus und die ihm verbundenen Gemeinschaften.
Raphael

Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von Raphael »

Josef Ratzinger hat geschrieben:Ethik des Universalen Friedens,

Wir sind also Gesandte an Christi statt, und Gott ist es, der durch uns mahnt. Wir bitten an Christi statt: Lasst euch mit Gott versöhnen!
(2 Korinther 5, 20)
Josef Ratzinger hat geschrieben:der praktischen Nächstenliebe und
Euch, die ihr mir zuhört, sage ich: Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen.
Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch misshandeln.
Dem, der dich auf die eine Wange schlägt, halt auch die andere hin, und dem, der dir den Mantel wegnimmt, lass auch das Hemd.

(Lukas 6, 27 ff.)
Josef Ratzinger hat geschrieben:der nötigen Überwindung des Eigenen
Wer sein Leben zu bewahren sucht, wird es verlieren; wer es dagegen verliert, wird es gewinnen.
(Lukas 17, 33)

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Sempre
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Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von Sempre »

Raphael hat geschrieben:
Josef Ratzinger hat geschrieben:Ethik des Universalen Friedens,

Wir sind also Gesandte an Christi statt, und Gott ist es, der durch uns mahnt. Wir bitten an Christi statt: Lasst euch mit Gott versöhnen!
(2 Korinther 5, 20)
Josef Ratzinger hat geschrieben:der praktischen Nächstenliebe und
Euch, die ihr mir zuhört, sage ich: Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen.
Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch misshandeln.
Dem, der dich auf die eine Wange schlägt, halt auch die andere hin, und dem, der dir den Mantel wegnimmt, lass auch das Hemd.

(Lukas 6, 27 ff.)
Josef Ratzinger hat geschrieben:der nötigen Überwindung des Eigenen
Wer sein Leben zu bewahren sucht, wird es verlieren; wer es dagegen verliert, wird es gewinnen.
(Lukas 17, 33)
:daumen-rauf: :daumen-rauf: :daumen-rauf:

Du hast die rechte Antwort auf "wir brauchen eine Ethik des Universalen Friedens".

Gruß
Sempre
Niemals sei gesagt es werde je zugelassen, daß ein zum Leben prädestinierter Mensch sein Leben ohne das Sakrament des Mittlers beendet. (St. Augustin, Gegen Julian, V-4)

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Gamaliel
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Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von Gamaliel »

@Raphael

Ich hoffe, Du stellst hier nicht auch noch eine Verbalkonkordanz online, denn dann können wir den Thread endgültig wegen Themaverfehlung schließen. :pfeif:

Vorschlag:

Kann nicht ein Moderator einen eigenen Thread zur Theologie Ratzingers eröffnen und dort die meisten bisherigen Beiträge hinverfrachten. In einem weiteren neuen Thread könnte man sich über das Elaborat Bischof Tissier´s austauschen. Hier reden wir dann weiter über die FSSPX und Rom!?

Raphael

Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von Raphael »

Sempre hat geschrieben:
Raphael hat geschrieben:
Josef Ratzinger hat geschrieben:Ethik des Universalen Friedens,

Wir sind also Gesandte an Christi statt, und Gott ist es, der durch uns mahnt. Wir bitten an Christi statt: Lasst euch mit Gott versöhnen!
(2 Korinther 5, 20)
Josef Ratzinger hat geschrieben:der praktischen Nächstenliebe und
Euch, die ihr mir zuhört, sage ich: Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen.
Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch misshandeln.
Dem, der dich auf die eine Wange schlägt, halt auch die andere hin, und dem, der dir den Mantel wegnimmt, lass auch das Hemd.

(Lukas 6, 27 ff.)
Josef Ratzinger hat geschrieben:der nötigen Überwindung des Eigenen
Wer sein Leben zu bewahren sucht, wird es verlieren; wer es dagegen verliert, wird es gewinnen.
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:daumen-rauf: :daumen-rauf: :daumen-rauf:

Du hast die rechte Antwort auf "wir brauchen eine Ethik des Universalen Friedens".

Gruß
Sempre
Nun, dann will ich 'mal hoffen, daß diese Sichtweise von der FSSPX bald geteilt wird und wir Römer Euch mit offenen Armen und geregeltem kanonischen Status in Empfang nehmen können. ;)

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Robert Ketelhohn
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Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Sempre hat geschrieben:Kardinal Ratzinger stellt die Frage, ob der Anspruch des Christentums, religio vera zu sein, durch den Fortgang der Aufklärung überholt sei. Dieser Frage hätten sich Kirche und Theologie heute zu stellen. Eine Antwort auf diese Frage hat er nicht.
Wir haben es hier mit einem exegetischen Problem zu tun. Du hast (offenbar im Gefolge Tissiers) Ratzinger komplett mißverstanden, du kennst sein Denken nicht (nicht um mich zu brüsten: ich habe es mit seiner Dissertation kennengelernt; das war vor zwanzig Jahren; daher kenne ich das Fundament), du kennst seine akademisch-vornehme, oft indirekte Formulierungskunst nicht. (Man muß die nicht mögen, aber man sollte sie verstehen.) In den ersten dreien der von dir oben zitierten Absätze referiert Ratzinger das Denken der Welt, mit welchem wir als Kirche heute konfrontiert sind. Das ist nicht seine Ansicht.
Sempre hat geschrieben:Die Philosophie der Aufklärung, die `moderne Vernunft' habe den hl. Thomas zerrissen … Ratzinger meint, die Kirche muss zwar, sei aber zur Zeit nicht in der Lage dazu, den Anspruch, religio vera zu sein, vor der `modernen Vernunft' zu verteidigen. Zu Problemen, die sich ergeben, wenn man die `moderne Vernunft' und den Glauben unter einen Hut bringen will, schreibt Bischof Tissier de Mallerais.
Nicht Thomas sei zerrissen worden, sondern die Einheit von Vernunft und Glauben (wie sie bei Thomas noch gegeben war). – Ratzinger kritisiert hier die „moderne Vernunft“, er identifiziert sich nicht mit ihr. Er erkennt sie ja gerade nicht als Aufklärung an – die eigentliche Aufklärung ist für ihn die Väterkirche –, und wenn er sie diskursiv doch so nennt, dann mußt du die Gänsefüßchen mithören, die innere Distanz des Professors zu einem von ihm analysierten (aber nicht akzeptierten) Phänomen.

Lies noch einmal, bitte, im Licht meiner Erläuterungen (selbst wenn du mir nicht auf den Schlag glauben möchtest) Ratzinger Paraphrase des heutigen „aufklärerischen“ Paradigmas: »Die Wahrheit als solche kennen wir nicht«: das ist ja das nackte Gegenteil von Aufklärung. Alles wird wieder trüb. Das erkennt Ratzinger selbstverständlich, und darum stellt er auch den trüben Glaubensartikel dieser „Aufklärung“ noch einmal heraus: »Eine umfassend das Ganze alles Wirklichen erklärende Evolutionstheorie ist zu einer Art „erster Philosophie“ geworden, die sozusagen die eigentliche Grundlage für das aufgeklärte Verständnis der Welt darstellt.« Darüber fordert er den »Disput über die Reichweite der Evolutionslehre als erster Philosophie«.

Sempre, mein Lieber, das heißt: Prof. Ratzinger ruft uns hier so laut und deutlich auf, wieder der Professor es eben kann, den Primat jenes Theologumenons der atheistischen und materialistischen Religion anzugreifen und zu bestreiten. Mit den Mitteln der Vernunft.
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Robert Ketelhohn
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Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Sempre hat geschrieben:Die Frage, auf die Ratzinger keine Antwort hat, ist folgende ...
Joseph Kardinal Ratzinger hat geschrieben:Das Christentum, könnten wir vereinfachend sagen, überzeugte durch die Verbindung des Glaubens mit der Vernunft und durch die Ausrichtung des Handelns auf die Caritas, auf die liebende Fürsorge für die Leidenden, Armen und Schwachen, über alle Standesgrenzen hinweg.

Die Kraft des Christentums, die es zur Weltreligion werden ließ, bestand in seiner Synthese von Vernunft, Glaube und Leben; genau diese Synthese ist in dem Wort von der religio vera zusammenfassend ausgedrückt. Umso mehr drängt sich die Frage auf: Warum überzeugt diese Synthese heute nicht mehr? Warum gelten heute im Gegenteil Aufklärung und Christentum als einander widersprechend, ja ausschließend? Was hat sich an der Aufklärung, was am Christentum geändert, dass es so ist?
Kennst du die Antwort? :)
Sempre hat geschrieben: ... und das ist sein Grund warum:
Joseph Kardinal Ratzinger hat geschrieben:Diese Letztfrage [Primat des Logos vor der Materie] kann nicht mehr durch naturwissenschaftliche Argumente entschieden werden, und auch das philosophische Denken stößt hier an seine Grenzen. In diesem Sinn gibt es eine letzte Beweisbarkeit der christlichen Grundoption nicht.
Zu eigen macht sich Ratzinger die jüngere Philosophie und kommt so zu dem Schluss, dass die traditionellen Beweise der Vernünftigkeit der christlichen Grundannahme nicht mehr ziehen.
Sie ziehen ja auch nicht mehr. Das ist doch gerade das Problem. Die „christliche Grundoption“ ist nach Ratzinger darum nicht „im letzten beweisbar“, weil, was wir vorbringen können, nicht akzeptiert wird. Er sucht nach Wegen. Das ist legitim, ja bitter nötig (selbst wenn wir besser vom Scheitern der Suche ausgehen).
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Robert Ketelhohn
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Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Raphael hat geschrieben:Vielleicht beseitigt folgender Vortrag des vormaligen Präfekten des Glaubenskongregation Deine Bauchschmerzen:
Der Sieg der Einsicht über die Welt der Religionen
Danke für diesen Hinweis (den zu bringen ich auch schon versucht war, bloß habe ich’s hier schon gar zu oft getan …). Der Vergleich zwischen beiden Situationen, damals und heute, ist es ja, was Ratzinger so beschäftigt hat, und wenn man nicht beide Seiten dieses Vergleichs wahrnimmt, kann man schwer verstehen, worum es Ratzingern geht.
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Sempre
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Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von Sempre »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Sempre hat geschrieben:Kardinal Ratzinger stellt die Frage, ob der Anspruch des Christentums, religio vera zu sein, durch den Fortgang der Aufklärung überholt sei. Dieser Frage hätten sich Kirche und Theologie heute zu stellen. Eine Antwort auf diese Frage hat er nicht.
Wir haben es hier mit einem exegetischen Problem zu tun. Du hast (offenbar im Gefolge Tissiers) Ratzinger komplett mißverstanden, du kennst sein Denken nicht (nicht um mich zu brüsten: ich habe es mit seiner Dissertation kennengelernt; das war vor zwanzig Jahren; daher kenne ich das Fundament), du kennst seine akademisch-vornehme, oft indirekte Formulierungskunst nicht. (Man muß die nicht mögen, aber man sollte sie verstehen.) In den ersten dreien der von dir oben zitierten Absätze referiert Ratzinger das Denken der Welt, mit welchem wir als Kirche heute konfrontiert sind. Das ist nicht seine Ansicht.
Ja, stimmt. Er macht sich diese Ansicht nicht zu eigen.

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Lies noch einmal, bitte, im Licht meiner Erläuterungen (selbst wenn du mir nicht auf den Schlag glauben möchtest) Ratzinger Paraphrase des heutigen „aufklärerischen“ Paradigmas: »Die Wahrheit als solche kennen wir nicht«: das ist ja das nackte Gegenteil von Aufklärung. Alles wird wieder trüb. Das erkennt Ratzinger selbstverständlich, und darum stellt er auch den trüben Glaubensartikel dieser „Aufklärung“ noch einmal heraus: »Eine umfassend das Ganze alles Wirklichen erklärende Evolutionstheorie ist zu einer Art „erster Philosophie“ geworden, die sozusagen die eigentliche Grundlage für das aufgeklärte Verständnis der Welt darstellt.« Darüber fordert er den »Disput über die Reichweite der Evolutionslehre als erster Philosophie«.
Ja, stimmt. Das Paradigma ist blanker Obskurantismus und Ratzinger weiß das. Aber: Ratzinger sieht zur Zeit keinen Weg diesem Obskurantismus adäquat zu begegnen. Kirche und Theologen müssen sich darum kümmern, während Orthodoxie und Orthopraxie zu pflegen sind.

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Sempre, mein Lieber, das heißt: Prof. Ratzinger ruft uns hier so laut und deutlich auf, wieder der Professor es eben kann, den Primat jenes Theologumenons der atheistischen und materialistischen Religion anzugreifen und zu bestreiten. Mit den Mitteln der Vernunft.
Ja, Robert, Kardinal Ratzinger ruft laut und deutlich die Kirche und die Theologen dazu auf, einen Weg zu finden, das Christentum als religio vera zu verteidigen. Das bestreite ich nicht. Was die Mittel angeht, so geht es selbstverständlich um die Mittel der Vernunft.

Was aber versteht Papst Benedikt XVI. unter Vernunft? Dazu ein Ausschnitt aus seiner Weihnachtsansprache an die Kurie 2005:

Papst Benedikt XVI. hat geschrieben:Als im 13. Jahrhundert durch jüdische und arabische Philosophen das aristotelische Gedankengut mit dem mittelalterlichen Christentum, das in der platonischen Tradition stand, in Berührung kam, und Glaube und Vernunft Gefahr liefen, in unüberwindlichen Widerspruch zueinander zu treten, war es vor allem der hl. Thomas von Aquin, der im Aufeinandertreffen von Glauben und aristotelischer Philosophie eine Vermittlerrolle einnahm und so den Glauben in positive Beziehung stellte zu der Form der vernunftgemäßen Argumentation, die zu seiner Zeit herrschte. Das mühsame Streitgespräch zwischen moderner Vernunft und christlichem Glauben, das mit dem Prozeß gegen Galilei zuerst unter negativem Vorzeichen begonnen hatte, kannte natürlich viele Phasen, aber mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil kam die Stunde, in der ein Überdenken auf breiter Basis erforderlich geworden war. Sein Inhalt ist in den Konzilstexten natürlich nur in groben Zügen dargelegt, aber die Richtung ist damit im Wesentlichen festgelegt, so daß der Dialog zwischen Vernunft und Glauben, der heute besonders wichtig ist, aufgrund des Zweiten Vaticanums seine Orientierung gefunden hat. Jetzt muß dieser Dialog weitergeführt werden, und zwar mit großer Offenheit des Geistes, aber auch mit der klaren Unterscheidung der Geister, was die Welt aus gutem Grund gerade in diesem Augenblick von uns erwartet. So können wir heute mit Dankbarkeit auf das Zweite Vatikanische Konzil zurückblicken: Wenn wir es mit Hilfe der richtigen Hermeneutik lesen und rezipieren, dann kann es eine große Kraft für die stets notwendige Erneuerung der Kirche sein und immer mehr zu einer solchen Kraft werden.
Papst Benedikt XVI. unterscheidet die Vernunft eines Thomas von einer `modernen Vernunft'. Es geht laut Benedikt heute um das mühsame Streitgespräch zwischen moderner Vernunft und christlichem Glauben. Was versteht Benedikt XVI. nun unter `moderner Vernunft'? Er versteht darunter etwas, was das Zweite Vaticanum in die Kirche getragen hat. Was ist das Deiner Meinung nach anderes als die Philosophie der Aufklärung? Wie er im Disput mit Habermas verrät, sind es eine vom Glauben bereinigte Philosophie der Aufklärung und ein von der Philosophie der Aufklärung bereinigter Glaube, die zusammenpassen.

Wenn Ratzinger aufruft, den Primat jenes Theologumenons der atheistischen und materialistischen Religion mit den Mitteln der Vernunft anzugreifen und zu bestreiten, dann meint er jedenfalls nicht die Vernunft, mit der die Kirche traditionell streitet, sondern eine unbekannte moderne Vernunft, die zu entwickeln das Vaticanum II begonnen/eingeladen hat.

Gruß
Sempre

P.S.: Diesen Punkt behandelt Bernard Tissier de Mallerais ab dem Abschnitt A new Thomas Aquinas.
Zuletzt geändert von Sempre am Dienstag 9. März 2010, 23:23, insgesamt 1-mal geändert.
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Sempre
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Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von Sempre »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Sempre hat geschrieben:Die Frage, auf die Ratzinger keine Antwort hat, ist folgende ...
Joseph Kardinal Ratzinger hat geschrieben:Das Christentum, könnten wir vereinfachend sagen, überzeugte durch die Verbindung des Glaubens mit der Vernunft und durch die Ausrichtung des Handelns auf die Caritas, auf die liebende Fürsorge für die Leidenden, Armen und Schwachen, über alle Standesgrenzen hinweg.

Die Kraft des Christentums, die es zur Weltreligion werden ließ, bestand in seiner Synthese von Vernunft, Glaube und Leben; genau diese Synthese ist in dem Wort von der religio vera zusammenfassend ausgedrückt. Umso mehr drängt sich die Frage auf: Warum überzeugt diese Synthese heute nicht mehr? Warum gelten heute im Gegenteil Aufklärung und Christentum als einander widersprechend, ja ausschließend? Was hat sich an der Aufklärung, was am Christentum geändert, dass es so ist?
Kennst du die Antwort? :)
Das hast Du doch selbst bereits beantwortet, jedenfalls was die Aufklärung betrifft: Das, was heute unter Aufklärung läuft, ist blanker Obskurantismus. Was die Kirche betrifft: sie warnt nicht mehr klar und deutlich davor.

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Sempre hat geschrieben: ... und das ist sein Grund warum:
Joseph Kardinal Ratzinger hat geschrieben:Diese Letztfrage [Primat des Logos vor der Materie] kann nicht mehr durch naturwissenschaftliche Argumente entschieden werden, und auch das philosophische Denken stößt hier an seine Grenzen. In diesem Sinn gibt es eine letzte Beweisbarkeit der christlichen Grundoption nicht.
Zu eigen macht sich Ratzinger die jüngere Philosophie und kommt so zu dem Schluss, dass die traditionellen Beweise der Vernünftigkeit der christlichen Grundannahme nicht mehr ziehen.
Sie ziehen ja auch nicht mehr. Das ist doch gerade das Problem. Die „christliche Grundoption“ ist nach Ratzinger darum nicht „im letzten beweisbar“, weil, was wir vorbringen können, nicht akzeptiert wird. Er sucht nach Wegen. Das ist legitim, ja bitter nötig (selbst wenn wir besser vom Scheitern der Suche ausgehen).
Du bist derselben Auffassung: sie ziehen nicht mehr?

Glaubst Du das folgende?
Antimodernisteneid hat geschrieben: Erstens: Ich bekenne, dass Gott, der Ursprung und das Ende aller Dinge, mit dem natürlichen Licht der Vernunft durch das, was geschaffen ist, d. h. durch die sichtbaren Werke der Schöpfung, als Ursache mittels der Wirkung, mit Sicherheit erkannt und auch bewiesen werden kann.
Wenn Du das nicht glaubst, müssten wir zunächst eine grundsätzlichere Debatte führen, bevor wir uns weiter mit Ratzinger/Benedikt beschäftigen.

Gruß
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Bernado
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Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von Bernado »

Sempre hat geschrieben:
Antimodernisteneid hat geschrieben:Erstens: Ich bekenne, dass Gott, der Ursprung und das Ende aller Dinge, mit dem natürlichen Licht der Vernunft durch das, was geschaffen ist, d. h. durch die sichtbaren Werke der Schöpfung, als Ursache mittels der Wirkung, mit Sicherheit erkannt und auch bewiesen werden kann.
Wenn Du das nicht glaubst, müssten wir zunächst eine grundsätzlichere Debatte führen, bevor wir uns weiter mit Ratzinger/Benedikt beschäftigen.

Gruß
Sempre
Den Schlüssel zur Beantwortung dieser Frage hast Du selbst vorgezeigt, indem Du im ersten Teil deines Postings feststelltest, daß das, was sich heute als "Aufklärung" darstellt, Obskurantismus der übelsten Sorte ist.

Das "natürliche Licht der Vernunft" ist keine natürliche oder gar gottgegebene Konstante, sondern auch eine Resultante gesellschaftlicher Verhältnisse und Rahmenbedingungen. Und es leuchtet heute in Mitteleuropa deutlich weniger hell als vor ziemlich genau 100 Jahren, als Pius X. den Antimodernisteneid einführte.
„DIE SORGE DER PÄPSTE ist es bis zur heutigen Zeit stets gewesen, dass die Kirche Christi der Göttlichen Majestät einen würdigen Kult darbringt.“ Summorum Pontificum 2007 (http://www.summorum-pontificum.de/)

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Sempre
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Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von Sempre »

Bernado hat geschrieben:
Sempre hat geschrieben:
Antimodernisteneid hat geschrieben:Erstens: Ich bekenne, dass Gott, der Ursprung und das Ende aller Dinge, mit dem natürlichen Licht der Vernunft durch das, was geschaffen ist, d. h. durch die sichtbaren Werke der Schöpfung, als Ursache mittels der Wirkung, mit Sicherheit erkannt und auch bewiesen werden kann.
Wenn Du das nicht glaubst, müssten wir zunächst eine grundsätzlichere Debatte führen, bevor wir uns weiter mit Ratzinger/Benedikt beschäftigen.
Den Schlüssel zur Beantwortung dieser Frage hast Du selbst vorgezeigt, indem Du im ersten Teil deines Postings feststelltest, daß das, was sich heute als "Aufklärung" darstellt, Obskurantismus der übelsten Sorte ist.
Jein. Einerseits lehnt Robert die Verdunklung der heutigen Aufklärung ab, andererseits aber meint er, die traditionellen Beweise der Vernünftigkeit der christlichen Grundannahme zögen nicht mehr. Ziehen die nun nicht mehr, weil beim Hörer die Ohren auf Durchzug gestellt sind, oder ziehen sie aus sich selbst heraus nicht mehr, weil sie heute nicht mehr vernünftig sind? Das will ich von Robert wissen.

Bernado hat geschrieben:Das "natürliche Licht der Vernunft" ist keine natürliche oder gar gottgegebene Konstante, sondern auch eine Resultante gesellschaftlicher Verhältnisse und Rahmenbedingungen.
Dieser Satz enthält wohl den Kern der gegensätzlichen Positionen. Nachdem Du das auch fett betonst, verlange ich die Nachbesserung:
Bernado [von Sempre gefiltert] hat geschrieben:Das "natürliche Licht der Vernunft" ist sowohl eine natürliche oder gottgegebene Konstante, als auch eine Resultante gesellschaftlicher Verhältnisse und Rahmenbedingungen.
Die Fragestellung ist klar: was ist Vernunft? Ist Vernunft eine Funktion der gesellschaftlichen Verhältnisse und Rahmenbedingungen oder ist Vernunft eine natürliche oder gottgegebene Konstante oder beides?

Was die Bedeutung der Vernunft für die Ethik anbelangt, sagt Ratzinger klar: nein, die Ethik kann nicht einer Evolution unterliegen. Ansonsten aber lässt er das, was die Kirche traditionell als vernünftig angesehen hat, gerne am Wegesrand liegen, um die moderne, aufgeklärte (in Wahrheit verdunkelte) Vernunft aufzugreifen, um sie nach gegenseitiger Bereinigung mit dem Glauben zu versöhnen (Habermas-Debatte).

Gruß
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Robert Ketelhohn
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Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Sempre hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Sempre hat geschrieben:Kardinal Ratzinger stellt die Frage, ob der Anspruch des Christentums, religio vera zu sein, durch den Fortgang der Aufklärung überholt sei. Dieser Frage hätten sich Kirche und Theologie heute zu stellen. Eine Antwort auf diese Frage hat er nicht.
Wir haben es hier mit einem exegetischen Problem zu tun. Du hast (offenbar im Gefolge Tissiers) Ratzinger komplett mißverstanden, du kennst sein Denken nicht (nicht um mich zu brüsten: ich habe es mit seiner Dissertation kennengelernt; das war vor zwanzig Jahren; daher kenne ich das Fundament), du kennst seine akademisch-vornehme, oft indirekte Formulierungskunst nicht. (Man muß die nicht mögen, aber man sollte sie verstehen.) In den ersten dreien der von dir oben zitierten Absätze referiert Ratzinger das Denken der Welt, mit welchem wir als Kirche heute konfrontiert sind. Das ist nicht seine Ansicht.
Ja, stimmt. Er macht sich diese Ansicht nicht zu eigen.

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Lies noch einmal, bitte, im Licht meiner Erläuterungen (selbst wenn du mir nicht auf den Schlag glauben möchtest) Ratzinger Paraphrase des heutigen „aufklärerischen“ Paradigmas: »Die Wahrheit als solche kennen wir nicht«: das ist ja das nackte Gegenteil von Aufklärung. Alles wird wieder trüb. Das erkennt Ratzinger selbstverständlich, und darum stellt er auch den trüben Glaubensartikel dieser „Aufklärung“ noch einmal heraus: »Eine umfassend das Ganze alles Wirklichen erklärende Evolutionstheorie ist zu einer Art „erster Philosophie“ geworden, die sozusagen die eigentliche Grundlage für das aufgeklärte Verständnis der Welt darstellt.« Darüber fordert er den »Disput über die Reichweite der Evolutionslehre als erster Philosophie«.
Ja, stimmt. Das Paradigma ist blanker Obskurantismus und Ratzinger weiß das. Aber: Ratzinger sieht zur Zeit keinen Weg diesem Obskurantismus adäquat zu begegnen. Kirche und Theologen müssen sich darum kümmern, während Orthodoxie und Orthopraxie zu pflegen sind.

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Sempre, mein Lieber, das heißt: Prof. Ratzinger ruft uns hier so laut und deutlich auf, wieder der Professor es eben kann, den Primat jenes Theologumenons der atheistischen und materialistischen Religion anzugreifen und zu bestreiten. Mit den Mitteln der Vernunft.
Ja, Robert, Kardinal Ratzinger ruft laut und deutlich die Kirche und die Theologen dazu auf, einen Weg zu finden, das Christentum als religio vera zu verteidigen. Das bestreite ich nicht. Was die Mittel angeht, so geht es selbstverständlich um die Mittel der Vernunft.

Was aber versteht Papst Benedikt XVI. unter Vernunft? Dazu ein Ausschnitt aus seiner Weihnachtsansprache an die Kurie 2005:

Papst Benedikt XVI. hat geschrieben:Als im 13. Jahrhundert durch jüdische und arabische Philosophen das aristotelische Gedankengut mit dem mittelalterlichen Christentum, das in der platonischen Tradition stand, in Berührung kam, und Glaube und Vernunft Gefahr liefen, in unüberwindlichen Widerspruch zueinander zu treten, war es vor allem der hl. Thomas von Aquin, der im Aufeinandertreffen von Glauben und aristotelischer Philosophie eine Vermittlerrolle einnahm und so den Glauben in positive Beziehung stellte zu der Form der vernunftgemäßen Argumentation, die zu seiner Zeit herrschte. Das mühsame Streitgespräch zwischen moderner Vernunft und christlichem Glauben, das mit dem Prozeß gegen Galilei zuerst unter negativem Vorzeichen begonnen hatte, kannte natürlich viele Phasen, aber mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil kam die Stunde, in der ein Überdenken auf breiter Basis erforderlich geworden war. Sein Inhalt ist in den Konzilstexten natürlich nur in groben Zügen dargelegt, aber die Richtung ist damit im Wesentlichen festgelegt, so daß der Dialog zwischen Vernunft und Glauben, der heute besonders wichtig ist, aufgrund des Zweiten Vaticanums seine Orientierung gefunden hat. Jetzt muß dieser Dialog weitergeführt werden, und zwar mit großer Offenheit des Geistes, aber auch mit der klaren Unterscheidung der Geister, was die Welt aus gutem Grund gerade in diesem Augenblick von uns erwartet. So können wir heute mit Dankbarkeit auf das Zweite Vatikanische Konzil zurückblicken: Wenn wir es mit Hilfe der richtigen Hermeneutik lesen und rezipieren, dann kann es eine große Kraft für die stets notwendige Erneuerung der Kirche sein und immer mehr zu einer solchen Kraft werden.
Papst Benedikt XVI. unterscheidet die Vernunft eines Thomas von einer `modernen Vernunft'. Es geht laut Benedikt heute um das mühsame Streitgespräch zwischen moderner Vernunft und christlichem Glauben. Was versteht Benedikt XVI. nun unter `moderner Vernunft'? Er versteht darunter etwas, was das Zweite Vaticanum in die Kirche getragen hat. Was ist das Deiner Meinung nach anderes als die Philosophie der Aufklärung? Wie er im Disput mit Habermas verrät, sind es eine vom Glauben bereinigte Philosophie der Aufklärung und ein von der Philosophie der Aufklärung bereinigter Glaube, die zusammenpassen.

Wenn Ratzinger aufruft, den Primat jenes Theologumenons der atheistischen und materialistischen Religion mit den Mitteln der Vernunft anzugreifen und zu bestreiten, dann meint er jedenfalls nicht die Vernunft, mit der die Kirche traditionell streitet, sondern eine unbekannte moderne Vernunft, die zu entwickeln das Vaticanum II begonnen/eingeladen hat.
In den ersten drei Punkten haben wir zueinander gefunden. Das ist schon einmal eine gute Grundlage. Darum gleich zu dem Stück aus Benedikts Weihnachtsansprache aus dem Advent 2005. Das ist interessant. Ich möchte Benedikts Gedanken versuchsweise folgendermaßen zusammenfassen: In der Väterzeit hat die Kirche sich das philosophische Werkzeug der Platoniker adaptiert, sich so als wahre Aufklärerin erzeigt und die Intellektuellen überzeugt. Im dreizehnten Jht. und der Folgezeit haben die Theologen um Thomas sich das neue aristotelische Werkzeug angeeignet und so wiederum in ihrer Zeit überzeugt. Heute müsse es nun erneut darum gehen, sich das aktuelle Werkzeug der Intellektuellen zu eigen zu machen, um auch jetzt Aufklärerin sein zu können und den faktischen Obskurantismus mit dem Licht des Glaubens erleuchten zu können.

Ich würde zwar einwenden, daß schon Thomas in der Übernahme aristotelischer Paradigmata in manchem zu weit ging. Daran krankt m. E. die ganze Schule. Daß es aber anders ging, zeigt Bonaventura, der trotz Übernahme der neuen, scholastischen Werkzeuge enger an der tradierten Philosophie blieb (und auch an der von den Platonikern übernommenen Begriffswelt). Aber auch in der Väterzeit gab es natürlich schon solches Hinausschießen übers Ziel. Origenes war vielleicht der erste, der Christentum und platonisches Heidentum völlig miteinander verpanschte, wie der Neuplatoniker Porphyrius es treffend ausdrückte. Auch im Arianismus finden wir platonische Gedankengebäude, denen die Bindung an die Offenbarung abgerissen ist.

Gleichwohl hätte der Glaube der Kirche ohne Adaption der platonischen philosophischen Begriffswelt (aber natürlich immer auch in Auseinandersetzung mit ihr) den zeitgenössischen Intellektuellen nicht vermittelt werden können. Die Kirche hätte kaum eine hochstehende, eine wissenschaftliche Theologie entwickeln können. Ebenso konnte man im dreizehnten Jht. nicht mehr einfach die Vätertheologie wiederholen. Die neuen Methoden aufzugreifen war notwendig, das kann man meines Earchtens kaum ernstlich bestreiten.

So ist auch plausibel, daß man sich heute wiederum neue Methoden adaptieren muß. Freilich muß man sich davor hüten, mit den Methoden auch die Inhalte zu verspeisen und hinunterzuschlucken (wie es leider auf breiter Front geschieht). So verstanden, möchte ich Benedikt also durchaus beipflichten. Allerdings scheint mir noch keineswegs sicher, daß das – sich jeweils die philosophische Begrifflichkeit der Welt anzueignen – noch einmal gelingen kann. Bereits die Aristotelesrezeption der Scholastik halte ich für einen Abstieg, und die Nicht-Aristoteliker der Scholastik, wie vor allen Bonaventura, sehe ich eher als Aufhalter solchen Abstiegs denn als Gipfelstürmer zu neuen Höhen. Um so schwieriger wird es heute, da es „die“ Methode, die zu adaptieren wäre, gar nicht gibt. Es gibt eine Vielzahl unterschiedlichster Entwürfe, die eigentlich nur in der resultierenden Ablehnung der Kirche und ihres Glaubens zusammengehen.

Ich stimme also zu, daß wir uns heute in vielen Disziplinen moderne Methoden sehr wohl zu eigen machen müssen. Zum Beispiel jene der Naturwissenschaft. Die Auseinandersetzung mit den Evolutionstheorien kann das beispielhaft zeigen. Oder eine ideologie-befreite historische Textkritik. Ich rechne aber eher nicht mit einem großartigen Erfolg. Zur Väterzeit traf die in philosophische Termini übersetzte Botschaft der Kirche auf die Bereitschaft der Intellektuellen zu hören, ja auf deren Durst nach der Wahrheit. Zur Zeit der Scholastik kämpfte die Kirche in neuen philosophischen Begriffen schon mehr gegen die hybride Neugier satten menschlichen Intellekts. Heute sind sie nicht bloß satt, sie versuchen uns ununterbrochen mit ihrem aus Übersättigung Erbrochenen einzudecken, um uns nicht mehr sehen und hören zu müssen. Ich fürchte darum, daß wir kaum noch offene Ohren finden können (und genau dies erlebt ja in der Tat auch Benedikt selbst).

Darum ist der Weg, den Benedikt, wie ich ihn hier zu interpretieren versucht habe, tastend vorschlägt, nicht verfehlt, irreführend oder abzulehnen. Aber ich warne davor, allzu große Hoffnungen daran zu knüpfen. Allein wir haben keine Alternative.
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Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

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Robert Ketelhohn hat geschrieben:
In den ersten drei Punkten haben wir zueinander gefunden. Das ist schon einmal eine gute Grundlage.
Ja, das ist sehr gut! Denn es betrifft zuerst den dogmatisierten Glauben und dann bin ich froh, dass Dein Textverständnis mit dem meinen übereinstimmt. Ich bin schließlich hier, weil all Dein `Geschreibsel' insgesamt beweist, dass die Grundlage hier kein Sentiment, sondern die Vernunft ist, wie die religio vera es verlangt.

Nun verrate mir aber eines: Warum benennt weder Kardinal Ratzinger noch Papst Benedikt den Obskurantismus als solchen? JPII hat das in bezug auf Zufallsevolution eindeutig getan. Ratzinger/Benedikt aber biedert sich den aufgeklärten Agnostikern an. Warum tut er das?

Und verrate mir ein weiteres. Wenn Du die Erkenntnis Gottes mit dem natürlichen Licht der Vernunft durch das, was geschaffen ist, vertrittst, aber gleichzeitig Aristoteles/Thomas eher skeptisch siehts, wie begründest Du dann die dogmatisch fixierte Erkenntnis Gottes mit dem natürlichen Licht der Vernunft?

Einstweilen Dank für Deinen ausführlichen Beitrag! Zu Deinem Optimismus, was die Naturwissenschaften betrifft, habe ich vor noch zu schreiben. Vorab ganz kurz: vergiß die! Die gebärden sich heute nur noch wie schlechtere Ingenieure und liefern sonst gar nichts.

Gruß
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Bernado
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Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von Bernado »

Sempre hat geschrieben:Die Fragestellung ist klar: was ist Vernunft? Ist Vernunft eine Funktion der gesellschaftlichen Verhältnisse und Rahmenbedingungen oder ist Vernunft eine natürliche oder gottgegebene Konstante oder beides?
Die Vernunft ist eine gottgegebene Eigenschaft des Menschen. Die Fähigkeit der Menschen, sich dieser Eigenschaft zu bedienen, wurde erstmals beschädigt/eingeschränkt durch die Folgen des Sündenfalls. Seitdem unterliegt sie einer Art konjunktureller Evolution: An einigen Orten und zu einigen Zeiten erhebt sie sich mehr zu ihrer ursprünglichen Größe, an anderen und zu anderen Zeiten weniger. Die Fähigkeit des Menschen, sich der Vernunft zu bedienen, ist sehr stark abhängig von den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen - womöglich stärker, als die Päpste Pius IX. und Pius X. sich das vorstellen konnten.

Sie lebten möglicherweise in der Vorstellung, daß es da nur eine Aufwärtsbewegung geben könnte, und daß ein Niveau an menschlicher Vernunftfähigkeit, das einmal erreicht worden war, nicht wieder verloren gehen könne. Die seitherig Entwicklung hat gezeigt, daß das nicht so ist. Und insbesondere die Entwicklung des Erziehungswesens läßt befürchten, daß da noch Stadien des Verfalls und der propagierten Barbarei auf uns zu kommen, die wir uns heute ebenfalls nicht vorstellen können.
Was die Bedeutung der Vernunft für die Ethik anbelangt, sagt Ratzinger klar: nein, die Ethik kann nicht einer Evolution unterliegen. Ansonsten aber lässt er das, was die Kirche traditionell als vernünftig angesehen hat, gerne am Wegesrand liegen, um die moderne, aufgeklärte (in Wahrheit verdunkelte) Vernunft aufzugreifen, um sie nach gegenseitiger Bereinigung mit dem Glauben zu versöhnen (Habermas-Debatte)
Das halte ich für missverstanden, teilweise sogar für eine aus der Hermeneutik des Verdachts geborene unberechtigte Unterstellung. Ratzinger läßt gar nichts am Wegesrand liegen - aber er versucht auch nicht unentwegt, mit Leuten, die kein sagen wir mal Griechisch gelernt haben, auf Griechisch zu kommunizieren: Er weiß, daß denen das Organ dafür fehlt. Schärfer als viele andere sieht er den Kulturbruch, der sich ja nicht nur in der Kirche, sondern im ganzen ehedem christlichen Abendland in den letzten 100 Jahren verfestigt (begonnen hat er schon viel früher) hat, und versucht, eine Sprache zu finden, mit der er die, die auf der anderen Seite der Bruchlinie stehen, erreichen kann.

Mit Versöhnung hat das gar nichts zu tun - es wäre die Grundlage, endlich über das Stadium des Dialogs der Stummen mit den Tauben hinwegzukommen und miteinander über Inhalte streiten zu können. Im Gespräch mit Habermas signalisiert Ratzinger nirgendwo "Versöhnung" (das tut eher H.) - aber stellenweis ist ihm die Erleichterung anzumerken, daß er endlich mal einen Gesprächspartner gefunden hat, der über Begriffe verfügt, mit denen man sich über die Bedeutung von Gegenständen verständigen kann.

Seine einzigartige Stellung - und natürlich auch seine Isolation - in der Theologie der Gegenwart beruht darauf, daß er einer von ganz wenigen ist, die die Tiefe des Bruches, das ganze Ausmaß der Delegitimierung jeder Tradition in den Augen "der Welt" begriffen haben - und die dennoch versuchen, über den Bruch hinweg ein Gespräch zu führen, ohne sich von der eigenen Grundlage losreißen zu lassen.
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Robert Ketelhohn
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Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Sempre hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Kennst du die Antwort? :)
Das hast Du doch selbst bereits beantwortet, jedenfalls was die Aufklärung betrifft: Das, was heute unter Aufklärung läuft, ist blanker Obskurantismus. Was die Kirche betrifft: sie warnt nicht mehr klar und deutlich davor.
Ich meinte mehr noch die Frage, weshalb die Leute, und zumal die „Intellektuellen“, ihr Ohr viel eher solchem Obskurantismus leihen als rationaler Argumentation der Kirche.
Sempre hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Sie ziehen ja auch nicht mehr. Das ist doch gerade das Problem. Die „christliche Grundoption“ ist nach Ratzinger darum nicht „im letzten beweisbar“, weil, was wir vorbringen können, nicht akzeptiert wird. Er sucht nach Wegen. Das ist legitim, ja bitter nötig (selbst wenn wir besser vom Scheitern der Suche ausgehen).
Du bist derselben Auffassung: sie ziehen nicht mehr?
Es ist ja offensichtlich, daß sie „nicht mehr ziehen“. Mißversteh mich nicht: Der Defekt liegt nicht auf seiten der Botschaft, er liegt am Rezipienten. Und wenn alles richtig ist, was ich dir sage: wenn dein Telephon kaputt ist, kommt’s nicht an. Dann bleibt mir am Ende nichts übrig, als auf andre Übermittlungswege auszuweichen: Sackpost, E-Post, selber hingehen …
Sempre hat geschrieben:Glaubst Du das folgende?
Antimodernisteneid hat geschrieben:Erstens: Ich bekenne, dass Gott, der Ursprung und das Ende aller Dinge, mit dem natürlichen Licht der Vernunft durch das, was geschaffen ist, d. h. durch die sichtbaren Werke der Schöpfung, als Ursache mittels der Wirkung, mit Sicherheit erkannt und auch bewiesen werden kann.
Wenn Du das nicht glaubst, müssten wir zunächst eine grundsätzlichere Debatte führen, bevor wir uns weiter mit Ratzinger/Benedikt beschäftigen.
Das ist eine Aussage darüber, wie’s objektiv aussieht. Ja, selbstverständlich ist das wahr. Das Problem liegt auf der subjektiven Ebene. Vor ein paar Tagen habe ich mich dazu übrigens schon einmal geäußert, irgendwo hier im Kreuzgang: »Tatsächlich liegt die gefallene Natur freilich derart in den Banden des Scheol gefangen, daß sie ohne die zuvorkommende Gnade zu jener Erkenntnis nicht gelangen mag, zu welcher sie eigentlich erschaffen war.«

Wir haben es heute mit Mechanismen zu tun – und ich sage: nicht nur mit rein natürlichen –, welche die Menschen daran hindern, zu hören und hören zu wollen. Diese Behinderung ist so mächtig wie nie zuvor in der Geschichte des Heils.
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Robert Ketelhohn
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Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Sempre hat geschrieben:Nun verrate mir aber eines: Warum benennt weder Kardinal Ratzinger noch Papst Benedikt den Obskurantismus als solchen? JPII hat das in bezug auf Zufallsevolution eindeutig getan.
Kann ich nicht erkennen. Er hat sich eigentlich nur als Moralist deutlich geäußert – und der Sache damit keinen Gefallen getan, auch wenn er der Sache nach recht hatte. (Dominus Jesus und Ordinatio sacerdotalis waren natürlich auch „deutlich“ – aber nicht seine Worte.)
Sempre hat geschrieben:Ratzinger/Benedikt aber biedert sich den aufgeklärten Agnostikern an. Warum tut er das?
Das kann ich nun erst recht nicht erkennen. Nach der bisherigen Diskussion hat sich das eigentlich auch geklärt. Ratzinger sucht mit „denen“ ins Gespräch zu kommen. Er will herausfinden, welche Rezeptoren beim Gegenüber noch funktionieren und nicht verstopft oder defekt sind.
Sempre hat geschrieben:Und verrate mir ein weiteres. Wenn Du die Erkenntnis Gottes mit dem natürlichen Licht der Vernunft durch das, was geschaffen ist, vertrittst, aber gleichzeitig Aristoteles/Thomas eher skeptisch siehst, wie begründest Du dann die dogmatisch fixierte Erkenntnis Gottes mit dem natürlichen Licht der Vernunft?
Das ist ja schon Väterkonsens, acht- bis neunhundert Jahre eher. Dazu brauche ich keinen Aristoteles. Meine Einwände gegen Thomas haben also nichts mit dem zu tun, wo er Tradiertes bloß neu verpackt. Er stützt sich aber immer wieder auf Aristoteles als Autorität für des Wissen schlechthin, gerade auch für naturwissenschaftliche Kenntnisse. Das ist in jedem einzelnen Fall ein eklatanter Rückschritt gegenüber dem Stand der Kirchenväter des vierten oder fünften Jahrhunderts, und zwar Kontamination mit peripatetischem Obskurantismus. (Das betrifft kaum je den Glaubenskern, wohl aber allerhand drumherum.)

Ferner gebe ich zu, daß meine Rezeptoren mit der aquinatischen Verpackung generell ihre Mühe haben. Ich mag Verpackungen nicht, und mir will scheinen, als sei die Methode der alten Väter entschieden verpackungsärmer.
Sempre hat geschrieben:Einstweilen Dank für Deinen ausführlichen Beitrag! Zu Deinem Optimismus, was die Naturwissenschaften betrifft, habe ich vor noch zu schreiben. Vorab ganz kurz: vergiß die! Die gebärden sich heute nur noch wie schlechtere Ingenieure und liefern sonst gar nichts.
Ich habe das Beispiel der „Evolutionstheorien“ erwähnt. Du hast dich hier ja neulich selbst in diese Debatte gestürzt – und trefflich geschlagen.

Freilich ohne den Gegner überzeugen zu können: Und genau das will ich hier ja dauernd vermitteln. Wir müssen uns der neuen Methoden natürlich bedienen, ohne Furcht, denn die Wahrheit wird nicht gegen sich selber zeugen. Wir müssen bloß die ideologischen Voraussetzungen abstreifen, unter denen sich die Welt dieser Instrumente bedient.

So zeigt nun beispielshalber die naturwissenschaftliche Überprüfung der Evolutionstheorien, daß diese nicht standhalten. Das scheint mir längst sehr klar. Auf dem Gebiet der historischen Forschung sehe ich die Dinge ganz ähnlich.

Aber solche Erfolge bedeuten nicht, daß wir damit auch Erfolg vor den Augen der Welt hätten. Die glauben dennoch nicht: uns nicht, den Fakten nicht, ihren Augen nicht. Das darf uns aber nicht irre machen. Erfolg ist kein Name Gottes.
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Ralf

Re: Die Theologie von Joseph Ratzinger im Lichte der Tradition

Beitrag von Ralf »

Wie Robert es schon mehrfach versucht hat klarzumachen: Ratzinger sagt, daß das Radio im Hirn des Empfängers mehrheitlich mittlerweile auf eine andere Frequenz eingestellt ist und deswegen die Botschaft auf der alten Frequenz nicht mehr gehört wird.

Es gibt zwei Möglichkeiten:

1. zu jedem Empfänger gehen und mühsam versuchen, die alte Empfangsregelung durchzusetzen, schließlich gibt es ja eine Minderheit, die weiter empfängt. Die Mehrheit ggf. beschimpfen, wenn sie nicht mehr die Frequenz ändern will. Das ist das Modell Piusbrüder.

2. den Sender so einzustellen, daß die unveränderte Botschaft auf der neuen Mehrheitsempfängerfrequenz ankommt. Gleichzeitig gilt es, der Minderheit klarzumachen, daß sich die Botschaft nicht geändert hat, lediglich die Sendefrequenz. Das ist das Modell Ratzinger.

Es ist eine Art der Inkulturation, wie sie seit jeher (Robert hat es erwähnt) Weg der Kirche war.

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Haiduk
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Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von Haiduk »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Sempre hat geschrieben:Ratzinger/Benedikt aber biedert sich den aufgeklärten Agnostikern an. Warum tut er das?
Das kann ich nun erst recht nicht erkennen. Nach der bisherigen Diskussion hat sich das eigentlich auch geklärt. Ratzinger sucht mit „denen“ ins Gespräch zu kommen. Er will herausfinden, welche Rezeptoren beim Gegenüber noch funktionieren und nicht verstopft oder defekt sind.
Wenn man das prüfen will, wäre eine pointiertere Kritik der gegnerischen Positionen aber doch besser. Wenn ein Arzt die Reflexe prüfen will, dann fummelt er ja auch nicht mit dem Wattestäbchen am Knie des Patienten herum: Er greift zum Gummihammer.

In diesem FAZ-Artikel hatte Ratzinger ja schon einiges gut erkannt. Das Problem sind zwei verschiedene Begriffe von Vernunft. Während hier die Vernunft aus den heilsamen Geboten Gottes und der Gnade des Heiligen Geistes kommt, herrscht dort die Vorstellung vor, daß Vernunft sich aus dem Widerstreit unterschiedlicher philosophischer Parteiungen evolutionistisch ergeben würde. Eine wahnwitzige Idee, angesichts der Tatsache, daß diese Parteiungen selbst ja gar keinen eigenen übergreifenden Wahrheitsbegriff mehr behaupten. Eben das scheint mir der springende Punkt zu sein, den man mehr in den Mittelpunkt stellen und mit geschichtlichen Analysen in Verbindung bringen sollte. Das 20. Jahrhundert ist voll von menschlichen Katastrophen, die sich geistesgeschichtlich allesamt auf diesen Aberglauben zurückführen lassen. Die Deutung geschichtlicher Katastrophen als Folge der Abwendung von Gott ist auch nicht neu. Man müßte es nur wiederbeleben. Damit erreicht man die Menschen immer.
Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel. (Mt. 5, 37)
Denn die Waffen unsres Kampfes sind nicht fleischlich, sondern mächtig im Dienste Gottes, Festungen zu zerstören. (2. Kor. 10,4)

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Robert Ketelhohn
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Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Haiduk hat geschrieben:
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Sempre hat geschrieben:Ratzinger/Benedikt aber biedert sich den aufgeklärten Agnostikern an. Warum tut er das?
Das kann ich nun erst recht nicht erkennen. Nach der bisherigen Diskussion hat sich das eigentlich auch geklärt. Ratzinger sucht mit „denen“ ins Gespräch zu kommen. Er will herausfinden, welche Rezeptoren beim Gegenüber noch funktionieren und nicht verstopft oder defekt sind.
Wenn man das prüfen will, wäre eine pointiertere Kritik der gegnerischen Positionen aber doch besser. Wenn ein Arzt die Reflexe prüfen will, dann fummelt er ja auch nicht mit dem Wattestäbchen am Knie des Patienten herum: Er greift zum Gummihammer.
Die große Preisfrage ist: Wo appliziert man den Gumminhammer? Am Knie oder am Deetz?
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Bernado
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Re: Die Theologie von Joseph Ratzinger im Lichte der Tradition

Beitrag von Bernado »

Ralf hat geschrieben:2. den Sender so einzustellen, daß die unveränderte Botschaft auf der neuen Mehrheitsempfängerfrequenz ankommt. Gleichzeitig gilt es, der Minderheit klarzumachen, daß sich die Botschaft nicht geändert hat, lediglich die Sendefrequenz. Das ist das Modell Ratzinger.
Wenn es denn nur das Modell Ratzinger wäre. Es gibt da auch das Modell "Aggiornamento" - und das ist natürlich auch verantwortlich dafür, daß den Piusbrüdern ein solcher Schreck in die Glieder gefahren ist, daß sie am liebsten sämtliche Knöpfe zur Senderverstellung überhaupt abdrehen und wegwerfen wollen.

Ich glaube, man muß noch ernster nehmen, was Robert geschrieben hat:
Wir haben es heute mit Mechanismen zu tun – und ich sage: nicht nur mit rein natürlichen –, welche die Menschen daran hindern, zu hören und hören zu wollen. Diese Behinderung ist so mächtig wie nie zuvor in der Geschichte des Heils.
Ob auch der letzte Satz stimmt, weiß ich nicht, aber daß da starke Störsender in Betrieb sind, kann nun wirklich niemand übersehen. Und die Störsender des "Unterschicht-Fernsehens", die einen guten Teil der Bevölkerung in Dauernarkose halten, sind wahrscheinlich noch nicht einmal die schlimmsten. Mindestens ebenso schlimm ist die Dauerberieselung mit relativistischem Gift, dem die Kinder in Kindergarten und Schule ausgesetzt werden, und was sie fast völlig daran hindert, auch nur die Rezeptionsorgane auszubilden, die der Mensch braucht und die in seiner Natur angelegt sind, damit er die Stimme des Gewissens und die Zuwendung Gottes wahrnehmen kann.

Das Tragische (aber vielleicht nicht Unerklärliche) ist, daß diese Entwicklung gerade in dem Moment zum Durchbruch gekommen ist, in dem die Kirche sich der Welt öffnen wollte wie noch nie zuvor und viele meinten, die Empfänger der ganzen Menschheit seien so auf das abgestimmt, was die Kirche ihnen zu sagen habe, daß man nur noch ein klein wenig mehr dem Volk aufs Maul scheuen müßte, um von ihm voll und ganz verstanden zu werden.
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Re: Die Theologie von Joseph Ratzinger im Lichte der Tradition

Beitrag von lifestylekatholik »

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Kirchenjahr
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Re: Die Theologie von Joseph Ratzinger im Lichte der Tradition

Beitrag von Kirchenjahr »

Antimodernisteneid hat geschrieben: Erstens: Ich bekenne, dass Gott, der Ursprung und das Ende aller Dinge, mit dem natürlichen Licht der Vernunft durch das, was geschaffen ist, d. h. durch die sichtbaren Werke der Schöpfung, als Ursache mittels der Wirkung, mit Sicherheit erkannt und auch bewiesen werden kann.
Robert Ketelhohn hat geschrieben:Das ist eine Aussage darüber, wie’s objektiv aussieht. Ja, selbstverständlich ist das wahr. Das Problem liegt auf der subjektiven Ebene. Vor ein paar Tagen habe ich mich dazu übrigens schon einmal geäußert, irgendwo hier im Kreuzgang: »Tatsächlich liegt die gefallene Natur freilich derart in den Banden des Scheol gefangen, daß sie ohne die zuvorkommende Gnade zu jener Erkenntnis nicht gelangen mag, zu welcher sie eigentlich erschaffen war.«
Robert, Deine Äußerung stellt die Aussagen des Aquinaten und des Antimodernisteneides in ein Licht, welches von vielen der heutigen glühenden Verfechter des Eides seltsamerweise nicht so interpretiert wird. Deine Äüßerung beeindruckt mich vor allem deshalb, weil sie auf scholastische Art einer "unanfechtbare Wahrheit" einen doch abweichenden Sinn gibt und nebenbei nicht einmal spitzfindig ist.

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Bernado
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Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von Bernado »

Haiduk hat geschrieben:Wenn man das prüfen will, wäre eine pointiertere Kritik der gegnerischen Positionen aber doch besser. Wenn ein Arzt die Reflexe prüfen will, dann fummelt er ja auch nicht mit dem Wattestäbchen am Knie des Patienten herum: Er greift zum Gummihammer.
Damit versucht sich Josef Ratzinger ja auch des Öfteren - die bekanntesten, aber beileibe nicht die einzigen Beispiele sind seine Predigt gegen die Diktatur des Relativismus und die Regensburger Rede, die ja viel mehr enthält als ein gezielt gesetztes Zitat eines byzantinischen Kaisers.

Der Gegner ist flexibel: Tastest du ihn mit Watestäbchen ab, zeigt er eine Oberfläche aus Granit. Kommst Du ihm mit dem Gummihammer (und viel härteres steht Josef Ratzinger allerdings kaum zu Gebote), hüllt er sich in Flausch unhd Federn.
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Sempre
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Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von Sempre »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Sempre hat geschrieben:
Joseph Kardinal Ratzinger hat geschrieben:Diese Letztfrage [Primat des Logos vor der Materie] kann nicht mehr durch naturwissenschaftliche Argumente entschieden werden, und auch das philosophische Denken stößt hier an seine Grenzen. In diesem Sinn gibt es eine letzte Beweisbarkeit der christlichen Grundoption nicht.
Zu eigen macht sich Ratzinger die jüngere Philosophie und kommt so zu dem Schluss, dass die traditionellen Beweise der Vernünftigkeit der christlichen Grundannahme nicht mehr ziehen.
Sie ziehen ja auch nicht mehr. Das ist doch gerade das Problem. Die „christliche Grundoption“ ist nach Ratzinger darum nicht „im letzten beweisbar“, weil, was wir vorbringen können, nicht akzeptiert wird. Er sucht nach Wegen. Das ist legitim, ja bitter nötig (selbst wenn wir besser vom Scheitern der Suche ausgehen).
Robert Ketelhohn hat geschrieben:
Es ist ja offensichtlich, daß sie „nicht mehr ziehen“. Mißversteh mich nicht: Der Defekt liegt nicht auf seiten der Botschaft, er liegt am Rezipienten. Und wenn alles richtig ist, was ich dir sage: wenn dein Telephon kaputt ist, kommt’s nicht an. Dann bleibt mir am Ende nichts übrig, als auf andre Übermittlungswege auszuweichen: Sackpost, E-Post, selber hingehen ...
Wenn Du das Problem beim Rezipienten siehst, sind wir uns einig. Nicht aber mit Joseph Kardinal Ratzinger, der -wie zitiert- den Grund darin sieht, dass das philosophische Denken an seine Grenzen stoße.

Gruß
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Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von Sempre »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:
In den ersten drei Punkten haben wir zueinander gefunden. Das ist schon einmal eine gute Grundlage. Darum gleich zu dem Stück aus Benedikts Weihnachtsansprache aus dem Advent 2005. Das ist interessant. Ich möchte Benedikts Gedanken versuchsweise folgendermaßen zusammenfassen: In der Väterzeit hat die Kirche sich das philosophische Werkzeug der Platoniker adaptiert, sich so als wahre Aufklärerin erzeigt und die Intellektuellen überzeugt. Im dreizehnten Jht. und der Folgezeit haben die Theologen um Thomas sich das neue aristotelische Werkzeug angeeignet und so wiederum in ihrer Zeit überzeugt. Heute müsse es nun erneut darum gehen, sich das aktuelle Werkzeug der Intellektuellen zueigen zu machen, um auch jetzt Aufklärerin sein zu können und den faktischen Obskurantismus mit dem Licht des Glaubens erleuchten zu können.

[...]

So ist auch plausibel, daß man sich heute wiederum neue Methoden adaptieren muß. Freilich muß man sich davor hüten, mit den Methoden auch die Inhalte zu verspeisen und hinunterzuschlucken (wie es leider auf breiter Front geschieht).
Joseph Kardinal Ratzinger aber will sich nicht Werkzeuge und Methoden zu eigen machen und Inhalte draußenlassen. Er will die Kultur der Aufklärung (die Kultur der Freiheitsrechte) bereinigen und übernehmen. Die zu übernehmenden Inhalte sind:
Joseph Kardinal Ratzinger (Part 3) hat geschrieben:we have arrived at important acquisitions which can pretend to a universal validity. These include: the acquisition that religion cannot be imposed by the state, but that it can only be accepted in freedom; respect of the fundamental rights of man equal for all; the separation of powers and control of power.
Er sieht die Menschenrechte als eigentlich und wahrhaft christlich an:
Joseph Kardinal Ratzinger (Part 4) hat geschrieben: It was and is the merit of the Enlightenment to have again proposed these original values of Christianity [separation of church and state, freedom of faith] and of having given back to reason its own voice. In the pastoral constitution, On the Church in the Modern World [Gaudium et Spes], Vatican Council II underlined again this profound correspondence between Christianity and the Enlightenment, seeking to come to a true conciliation between the Church and modernity, which is the great heritage that both sides must defend.

Given all this, it is necessary that both sides engage in self-reflection and be willing to correct themselves. Christianity must always remember that it is the religion of the "Logos."
Die frühe Kirche habe Religionsfreiheit gefordert (ibid.) und die Aufklärer hätten dem Christentum seine ihm eigene Vernunft wiedergegeben.

Der hl. Geist muss wohl in den vergangenen Jahrhunderten bis zum Vaticanum II. bei den Aufklärern geweht haben.

Gruß
Sempre

Cardinal Ratzinger On Europe's Crisis of Culture (Part 1)
Cardinal Ratzinger On Europe's Crisis of Culture (Part 2)
Cardinal Ratzinger On Europe's Crisis of Culture (Part 3)
Cardinal Ratzinger On Europe's Crisis of Culture (Part 4)
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Ralf

Re: Die Theologie von Joseph Ratzinger im Lichte der Tradition

Beitrag von Ralf »

Bernado hat geschrieben:
Ralf hat geschrieben:2. den Sender so einzustellen, daß die unveränderte Botschaft auf der neuen Mehrheitsempfängerfrequenz ankommt. Gleichzeitig gilt es, der Minderheit klarzumachen, daß sich die Botschaft nicht geändert hat, lediglich die Sendefrequenz. Das ist das Modell Ratzinger.
Wenn es denn nur das Modell Ratzinger wäre. Es gibt da auch das Modell "Aggiornamento" - und das ist natürlich auch verantwortlich dafür, daß den Piusbrüdern ein solcher Schreck in die Glieder gefahren ist, daß sie am liebsten sämtliche Knöpfe zur Senderverstellung überhaupt abdrehen und wegwerfen wollen.
Nicht ganz, denn bei dem Modell "Aggiornamento" fehlt ein entscheidendes Wort, die unveränderte Botschaft. Für dieses ist die Lehre nicht mehr die substantiell selbe wie vor dem letzten Konzil und selbiges nicht im Licht der Tradition zu sehen.

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Gamaliel
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Re: Die Theologie von Joseph Ratzinger im Lichte der Tradition

Beitrag von Gamaliel »

Ralf hat geschrieben:
Bernado hat geschrieben:
Ralf hat geschrieben:2. den Sender so einzustellen, daß die unveränderte Botschaft auf der neuen Mehrheitsempfängerfrequenz ankommt. Gleichzeitig gilt es, der Minderheit klarzumachen, daß sich die Botschaft nicht geändert hat, lediglich die Sendefrequenz. Das ist das Modell Ratzinger.
Wenn es denn nur das Modell Ratzinger wäre. Es gibt da auch das Modell "Aggiornamento" - und das ist natürlich auch verantwortlich dafür, daß den Piusbrüdern ein solcher Schreck in die Glieder gefahren ist, daß sie am liebsten sämtliche Knöpfe zur Senderverstellung überhaupt abdrehen und wegwerfen wollen.
Nicht ganz, denn bei dem Modell "Aggiornamento" fehlt ein entscheidendes Wort, die unveränderte Botschaft. Für dieses ist die Lehre nicht mehr die substantiell selbe wie vor dem letzten Konzil und selbiges nicht im Licht der Tradition zu sehen.
Dieses Wort steht zwar in Deinem "Modell Ratzinger" drinnen, allerdings ist damit weder gesagt, noch bewiesen, daß:

1. das "Modell Ratzinger" theoretisch überhaupt funktionsfähig ist, es also möglich ist eine unveränderte Glaubensbotschaft auf einer "anderen Frequenz" zu senden.
2. - die Funktionsfähigkeit des Modells vorausgesetzt - sich Kardinal Ratzinger/Papst Benedikt XVI. in der Praxis auch tatsächlich an dieses Modell gehalten hat/hält.

Ralf

Re: Die Theologie von Joseph Ratzinger im Lichte der Tradition

Beitrag von Ralf »

Ich spreche auch nicht von Beweisen.

Wie es am Schluß zu bewerten ist, werden andere nach uns mit einem gewissen zeitlichen Abstand besser beurteilen können als wir (fehlende Parusie vorausgesetzt).

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Robert Ketelhohn
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Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Sempre hat geschrieben:Wenn Du das Problem beim Rezipienten siehst, sind wir uns einig. Nicht aber mit Joseph Kardinal Ratzinger, der -wie zitiert- den Grund darin sieht, dass das philosophische Denken an seine Grenzen stoße.
Das Zitat wollen wir uns denn doch noch mal genauer anschauen:
Letzten Endes geht es um die Frage, ob die Vernunft beziehungsweise das Vernünftige am Anfang aller Dinge und auf ihrem Grunde steht oder nicht … ob wahr bleibt, was die Grundüberzeugung des christlichen Glaubens und seiner Philosophie bildet: In principio erat verbum – am Anfang aller Dinge steht die schöpferische Kraft der Vernunft. Der christliche Glaube ist heute wie damals die Option für die Priorität der Vernunft und des Vernünftigen. Diese Letztfrage kann nicht mehr durch naturwissenschaftliche Argumente entschieden werden, und auch das philosophische Denken stößt hier an seine Grenzen. In diesem Sinn gibt es eine letzte Beweisbarkeit der christlichen Grundoption nicht. Aber kann die Vernunft auf die Priorität des Vernünftigen vor dem Unvernünftigen, auf die Uranfänglichkeit des Logos verzichten, ohne sich selbst aufzuheben? Die Vernunft kann gar nicht anders, als auch das Unvernünftige nach ihrem Maß, also vernünftig zu denken, womit sie implizit doch wieder den eben geleugneten Primat der Vernunft aufrichtet.
Das »philosophische Denken«, das »hier an seine Grenzen« stoße, ist jenes der Moderne. Man könnte auch sagen, es habe sich durch gewisse axiomatische Voraussetzungen selbst gefangengesetzt. Im Zusammenhang mit den Bemerkungen zur Evolutionstheorie, deren „Primat“ wir in Frage zu stellen hätten, sagt Ratzinger das selbst. Im oben zitierten Stück weist er dem heutigen Denken – indem er seine fundamentale Inkonhärenz andeutet – einen logischen – und ich möchte sagen: gewissermaßen cartesischen – Weg aus der selbstgebauten Aporie.

Man muß ja Descartes nicht mögen. Aber wenn man mit seiner Hilfe die Ohrenstöpsel der Zeitgenossen herausbrächte – und den Versuch dazu sehe ich hier bei Ratzinger –, dann wäre das ein Gewinn.

Man kann über solche Versuche trefflich streiten, man kann sie für untauglich halten, man kann versuchen, bessere zu unterbreiten – aber man kann redlicherweise nicht krähen: Unglaube, Unglaube, er redet anders als Doktor St. Englisch vor einem Dreivierteljahrtausend! und nur lauter Verrat und Ketzerei wittern. Damit verfehlt man komplett die Sache, um die es geht (und um die auch zu kämpfen ist), man verschließt sich jeder produktiven Kommunikation und sperrt sich ein in den sterilen – nein, nicht Elfenbeinturm – Gummizellenturm.

Rauskommen, kämpfen – gegen die Richtigen! –, Hand in Hand mit den Mitstreitern, diese auch korrigierend, wo nötig, aber sie niemals für den Feind halten und ihnen darum auch, bitte sehr, niemals ins Gemächt dreschen. So lautet die Ansage. Und am Ende gemeinsam obsiegen – oder untergehen. Wobei wir wissen, daß wir, ohne zu sterben, nicht leben werden.
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Haiduk
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Re: Die Theologie von Joseph Ratzinger im Lichte der Tradition

Beitrag von Haiduk »

Gamaliel hat geschrieben:
Ralf hat geschrieben:
Bernado hat geschrieben:
Ralf hat geschrieben:2. den Sender so einzustellen, daß die unveränderte Botschaft auf der neuen Mehrheitsempfängerfrequenz ankommt. Gleichzeitig gilt es, der Minderheit klarzumachen, daß sich die Botschaft nicht geändert hat, lediglich die Sendefrequenz. Das ist das Modell Ratzinger.
Wenn es denn nur das Modell Ratzinger wäre. Es gibt da auch das Modell "Aggiornamento" - und das ist natürlich auch verantwortlich dafür, daß den Piusbrüdern ein solcher Schreck in die Glieder gefahren ist, daß sie am liebsten sämtliche Knöpfe zur Senderverstellung überhaupt abdrehen und wegwerfen wollen.
Nicht ganz, denn bei dem Modell "Aggiornamento" fehlt ein entscheidendes Wort, die unveränderte Botschaft. Für dieses ist die Lehre nicht mehr die substantiell selbe wie vor dem letzten Konzil und selbiges nicht im Licht der Tradition zu sehen.
Dieses Wort steht zwar in Deinem "Modell Ratzinger" drinnen, allerdings ist damit weder gesagt, noch bewiesen, daß:

1. das "Modell Ratzinger" theoretisch überhaupt funktionsfähig ist, es also möglich ist eine unveränderte Glaubensbotschaft auf einer "anderen Frequenz" zu senden.
2. - die Funktionsfähigkeit des Modells vorausgesetzt - sich Kardinal Ratzinger/Papst Benedikt XVI. in der Praxis auch tatsächlich an dieses Modell gehalten hat/hält.
In 1. Kor. 9, wo der hl. Paulus die Rechte und Freiheiten des Apostels diskutiert, kommt er zu dem Ergebnis, daß das allemal möglich ist. Er sagt dort aber auch, daß man in der Kampfbahn so laufen soll, daß man am Ende den Siegerpreis erhält. Daß das bei Ratzinger funktioniert, ist aber nun mal nicht zu erkennen.

Meiner Auffassung liegt das nicht zuletzt daran, daß die Empfänger von heute anders geartet sind, als die "Griechen" (= die Philosophen). Bei den Philosophen von damals war die Grundhaltung diejenige, daß die Suche nach Weisheit dem natürlichen Trieb entsprang, die Wahrheit tatsächlich zu finden. Eben das scheint mir bei der säkularen Geisteswelt von heute aber gar nicht mehr der Fall zu sein. Man sieht sich stattdessen eher als Rädchen in einer großen Maschine, die als Gesamtheit Vernunft produzieren soll/will.

Statt sich mit der Rolle eines Rädchens zu begnügen, müßte herausgearbeitet werden, weshalb diese Maschine gar nicht funktionieren kann. Diese verschiedenen Parteiungen streiten ja nicht wirklich gegeneinander. Sie bestätigen einander vielmehr in ihrer Relativität. Der Nihilismus wird aber auch dann nicht omnipotent/allmächtig, wenn er omnipräsent/allgegenwärtig ist, weil der Verneiner in ihm wohnt.

"Erhebt sich nun der Satan gegen sich selbst und ist mit sich selbst uneins, so kann er nicht bestehen, sondern es ist aus mit ihm." (Markus 3, 26)
Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel. (Mt. 5, 37)
Denn die Waffen unsres Kampfes sind nicht fleischlich, sondern mächtig im Dienste Gottes, Festungen zu zerstören. (2. Kor. 10,4)

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Robert Ketelhohn
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Re: FSSPX & Rom: Auf dem Weg zur Einheit?

Beitrag von Robert Ketelhohn »

Ich muß hier mal langsam Pause machen, so viel Zeit hab’ ich nicht! ;D
Aber nach kurzem Querlesen handelt es sich da teilweise um Einschätzungen
der Wirklichkeit und der Geschichte, die ich absolut nicht teile. Das kann man
ja hier im Kreuzgang auch immer wieder nachlesen. Solche Kritik lasse ich mir
nicht nehmen, aber dem so Kritisierten spreche ich deshalb nicht den rechten
Glauben ab.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

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Gamaliel
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Re: Die Theologie von Joseph Ratzinger im Lichte der Tradition

Beitrag von Gamaliel »

Haiduk hat geschrieben:
Gamaliel hat geschrieben:Dieses Wort steht zwar in Deinem "Modell Ratzinger" drinnen, allerdings ist damit weder gesagt, noch bewiesen, daß:

1. das "Modell Ratzinger" theoretisch überhaupt funktionsfähig ist, es also möglich ist eine unveränderte Glaubensbotschaft auf einer "anderen Frequenz" zu senden.
2. - die Funktionsfähigkeit des Modells vorausgesetzt - sich Kardinal Ratzinger/Papst Benedikt XVI. in der Praxis auch tatsächlich an dieses Modell gehalten hat/hält.
In 1. Kor. 9, wo der hl. Paulus die Rechte und Freiheiten des Apostels diskutiert, kommt er zu dem Ergebnis, daß das allemal möglich ist.
Ich will mich hier auf keine exegetischen Dispute einlassen, aber mir scheint, die angegebene Stelle trägt zu einer möglichen Beantwortung der Fragen nichts bei. Beim hl. Paulus geht es um die Anpassung in äußeren Verhaltensweisen (im Zusammenhang mit den mosaischen Zeremonialgesetzen) an sein jeweiliges Umfeld und nicht um eine eventuelle Anpassung des Glaubensinhalts an seine Hörer.

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