Zu 2. Das von mir Zusammengefasste und von Dir unter 2. Benannte ist heute Morgen aus dem Gedächtnis zusammengefasst. Vielleicht begründet das im Folgenden Gesagte die Feststellung, M. pauschalisiere und habe auch nicht immer gut recherchiert.iustus hat geschrieben:1. Bitte schau genau nach! Steht das in einer Erweiterung gegenüber der Zweiten Auflage seines Buches. Ich kenne diese Klage aus der Zweiten Auflage nicht. Vielleicht habe ich Sie überlesen. Bitte zitiere doch mal!conscientia hat geschrieben:
Auch ist es nicht gut recherchiert: Mosebach hat die liturgietheologische Diskussion aus der Vor- wie der Nachkonzilszeit nicht zur Kenntnis genommen. Ganz peinlich ist der Schnitzer, der ihm gegen Ende seines Textes passiert ist: Er bedauert mit großen Worten, dass das alte Missale leider bei der Theologen, obwohl es zur Weltliteratur gehöre, nicht als solche zur Kenntnis genommen worden sei, und beruft sich dabei auf den Artikel über "Missale" oder "Sakramentare" (ich müsste es jetzt genau nachschauen) aus dem alten "Kindlers Literatur Lexikon" - dabei ist ihm gar nicht aufgefallen, dass der fragliche Artikel von einem Vertreter jener Gruppe von Gelehrten verfasst wurde, die hier im Forum auf sehr viel Liebe stößt - nämlich vom Maria Laacher P. Burkhart Neunheuser OSB, der, noch Guardini-Schüler, sein Berufsleben als Professor für Liturgiewissenschaft im Collegio Pontificio S. Anselmo der Benediktiner in Rom zugebracht hat - wahrhaftig "Theologie vom Feinsten" bietend.
2. Wieso widerlegt der Umstand, dass der fragliche Artikel von Pater Neunheuser (einem einzigen (!) Theologen) verfasst wurde, die These, das alte Missale sei leider bei "den Theologen", nicht als Weltliteratur zur Kenntnis genommen worden? Man kann M. allenfalls vorwerfen, zu pauschalisieren, wenn er von "den Theologen" spricht. Aber der Vorwurf "nicht gut recherchiert" trifft nicht.
Zu 1. Ich benutze die 1., 2002 erschiene Aufl. Darin pp. 99-117 "Liturgie ist Kunst". Damit bin ich einverstanden, wenn ich auch die Beispiele als nicht immer ganz sinnvoll gelungen ansehe. 110sq. erklärt M., dass die vielen Kreuzzeichen im alten Römischen Messkanon auf die gewandelten eucharistierten Mahlgaben hinweisende Zeichen seien, wobei die Zahl der Kreuzzeichen jeweils darauf hinweise, was die Mahlgaben bezeichnen sollen. Zwei Kreuzzeichen beim Supplices die Verkörperung des ganzen Christus, Fleisches und Blutes, in den Mahlgaben, fünf Kreuzzeichen als Hinweise auf die fünf Wunden Christi, drei Kreuze die heiligste Dreifaltigkeit, weil der aus fünf Wunden blutende Christus eine Person der Dreifaltigkeit ist. Ja es mag sein, dass dieses ein guter Beleg für die Auffassung des Tridentinums ist, das kein Teil der Messfeier Unnützes oder Überflüssiges enthalte (p. 109). Ich finde das nicht ganz so überzeugend, wenn man hört, dass vor der Liturgiereform so manch ein Priester dazu neigte, die Kreuzzeichen mit hohem Tempo zu vollziehen, sodass die Bewegung seiner Hände an eine Kreissäge erinnerte. Trifft die Bewertung der Häresie der Formlosigkeit dann nicht auch bestimmte Formen, die außerordentliche Gestalt der Messfeier zu vollziehen?
Das Zitat aus Kindlers Literaturlexikon Bd. IV. 1968, col. 2721, findet sich dann p. 112. Er erläutert die Vortrefflichkeit der Orationen p. 112 sq.
Dem stimme ich zu. Allerdings gilt das nicht nur für die Orationen im Missale 1962, sondern auch für die im Missale 1970/dt. 1975 und für die Orationen im Book of Common Prayer und in der Luth. Agende Bd. I von 1955.Mosebach p. 113 hat geschrieben:Die Orationen halten sich in klassischer Allgemeinheit, denn sie sind das öffentliche Beten der Kirche für alle Menschen, und doch enthalten sie einen Stoff, der auch den einzelnen stillen Leser zu treffen vermag.
Die Buchstaben sind von mir.Mosebach ibid. hat geschrieben: a) Von der Höhe eines solchen Gebets herabzusteigen, indem man sich vor Augen führt, welche Art von Sprachgebilden in dem in der Geschichte einzigartigen Gewaltstreich, "Liturgiereform" genannt, an die Stelle der alten Orationen gerückt wurden, das ist immer noch ein schmerzhaftes Unterfangen.
b) Als in einer Messe die Dame, der die Formulierung der Fürbitten anvertraut war, in dem heute typischen Ton aus salbungsvoller Sentimentalität und Zeitungsjargon vorbetete, flüsterte mir ein Freund zu: "Herr, gib, dass unsere Urlaubsphotos gelingen mögen!" Leider erweist sich die Ohnmacht der Satire hier besonders krass. Das Gebet für die Urlaubsphotos ist inzwischen zehntausendfach von der Realität eingeholt und übertroffen worden.
c) Der sprachliche Kitsch, der musikalische Kitsch, der Kitsch in Malerei und Architektur haben die öffentlichen Akte der Kirche vollkommen überflutet.
Mein Kommentar: a) Mosebachs Aussage ist richtig in Bezug auf selbst getextete Orationen, wie jüngere Priester und Pastis sie immer wieder meinen bringen zu müssen (offensichtlich hat ihnen kein Spiritual, kein Seminarregens beigebracht, dass die alten besser sind, auch in der Verdeutschung, und sie diese Wahrheit konkret durch tägliche Meditation üben lassen). Solch ein Beispiel bringt Mosebach nicht, so etwas kennt er scheinbar nicht. Hat er sich ernsthaft mit dem dt. Messbuch 1975 auseinandergesetzt, indem er mindestens ein Jahr die Liturgie in der Pfarrkirche um die Ecke mitgefeiert hat, vielleicht auch Verantwortung (als Tenor im Kirchenchor, Lektor, Kommunionhelfer, Messdienerleiter und -ausbilder) tragend?
b) Statt dessen bringt Mosebach ein Beispiel aus dem Bereich der Fürbitten. Seine Aussagen über selbst formulierte Fürbitten sind richtig, der Zusammenhang mit der angeblichen Abschaffung der alten Orationen falsch. Es bleibt aber festzuhalten: Das Anliegen, das Gläubigengebet wieder einzuführen, war richtig; das Messbuch gibt im Anhang sinnvolle Beispiele; jeder Priester kann diese nehmen; das Gläubigengebet ist einer der wenigen Teile der hl. Messe, zu denen es keine konkreten Textvorschriften gibt. Dass in dreißig Jahren Praxis des Gläubigengebets noch keine inhaltlich und formal so gültigen Lösungen vorhanden sein können wie für die Orationen des Messbuchs, an denen Generationen von Betern mitgeschrieben und -formuliert haben, ist verständlich. Mosebach erwähnt das in seiner arroganten Einseitigkeit nicht. In welcher Welt lebt er? Hat er sich ernsthaft mit der vom Vaticanum II angeordneten Messreform auseinandergesetzt? Wenn er wenigstens geschrieben hätte: Orientiert euch an den Ektenien des byzantinischen Ritus oder an der Litanei im Book of Common Prayer! Aber so....
c) Was Mosebach schreibt, mag ja sein.
Aber des sprachliche Kitsches gab es in Andachts- und spirituellen Büchern der Vorkonzilszeit, besonders aus der Zeit vor 1914/18 ("hier tue einen tiefen Seufzer"), nicht wenig, ebenso des musikalischen Kitsches (was in meiner Jugend vor 25 Jahren alte Leute so toll fanden: "Segne du, Maria, segne mich dein Kind" oder das "Heilig" aus der Deutschen Messe F. Schuberts oder die "Grüssauer Marienrufe" "Muttergohottes, wir ruhufen zu dir"), auch des Kitsches in Malerei und Architektur (ich empfinde immer noch Bauhaus als positiv gegenüber den Kirchgebäuden des Historismus). Der ordentlichen Gestalt der Messfeier Kitsch vorzuwerfen, ohne den Kitsch in der außerordentlichen zu erörtern, greift zu kurz. Auch hier die Frage: In welcher Welt lebt Mosebach? Meint er wirklich, die Welt der Vorzeigehochämter etwa auf der Homepage von "Pro missa tridentina" mit dem dort vertretenen Kitsch der glitzernen brokatenen Bassgeigen, Pontifikalornate, Pontifikalschuhe, Gardinenrochetts (oder -chorhemden) sei weniger kitschig als die von ihm p. 113sq. benannten modernen Kitschbeispiele: "beigefarbene Treviradecken", "drei dicke Kerzen in handgetöpferten Tonschalen", "ein nach den missverstandenen Prinzipien des japanischen Ikebana geschaffenes Gesteck aus Wurzeln und Trockenblumen die Tischplatte, in deren Mitte sich statt eines Kreuzes das Mikrophon erhebt"? Kleiner Hinweis am Rande: bei meinem Heimatpfarrer, noch vor dem heiße Herbst 1983, gab es keine Ikebana-Gestecke und kein Mikrophon. Der geistliche Herr meinte, man müsse so kultiviert und geübt sprechen, dass die reine menschliche Stimme den ganzen Raum erfülle (das galt auch für 12-Jährige), und in jeder hl. Messe befand sich - bei celebratio versus populum - auf der dem Celebrans gegenüberliegenden Seite des Altartisches ein Kreuz. Wo ist da das Problem?
Und so müsste ich das ganze Buch kommentieren, dabei auch Fachliteratur heranziehend. Zwei kleinere Beispiele dafür, dass ich das Buch für nicht gut recherchiert halte.
Darum erlaube ich mir, nach der Lektüre des Buches einen solchen Hals auf Mosebach und besonders Mosebachinen und Mosebachiten zu haben, dass.... (ich will aber nicht gesperrt werden).
A guets Nächtle
c.