Litteratur-Quiz (Beiträge aus 2005/06)

Gespräche über ausgewählte litterarische Texte.
Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Khatja hat geschrieben:ich denke mal, "Die Gabe" (?) - aber das Buch hab ich jetzt gerade nicht zu Hause, so kann ich es nicht überprüfen... aber die Auszüge klingen schon ganz danach!
Richtig. :ja:

Der Roman ist nicht nur zu großen Teilen in den dreißiger Jahren in Berlin entstanden, die Haupthandlung spielt auch da.

Noch zur Erklärung: In einer zweiten Zeitebene geht es in dem Buch um den russischen Autor Nikolaj Tschernyschewskij und dessen Roman "Was tun?" (schto delat'), daher der Hinweis im letzten Textauszug.

Jetzt darfst Du die nächste Aufgabe stellen!

Gruß
SD

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Khatja
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Beitrag von Khatja »

Ich weiß, worum es im Roman geht - insofern war Dein Hinweis an Robert, dass er ganz nahe dran sei, auch für mich ganz hilfreich! ;D Aber ich habe "Die Gabe" auf russisch gelesen...

Die nächste Aufgabe kann ich aber erst heute Abend stellen... Habt bitte ein bisschen Geduld! :)

Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Khatja hat geschrieben:Ich weiß, worum es im Roman geht - insofern war Dein Hinweis an Robert, dass er ganz nahe dran sei, auch für mich ganz hilfreich! ;D Aber ich habe "Die Gabe" auf russisch gelesen...

Die nächste Aufgabe kann ich aber erst heute Abend stellen... Habt bitte ein bisschen Geduld! :)
Bin schon gespannt!

"Die Gabe" war vor Jahren das erste Buch, das ich von Nabokov gelesen habe. Ich war damals unglaublich begeistert und liebe seither diesen Autor sehr.

Gruß
SD

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Alexander
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Beitrag von Alexander »

Hab nicht vor, Nabokovs Prosa zu lesen --- könnt mich für meine Engstirnigkeit und mittelalterliche Intoleranz steinigen.
*vertiefungenfürdiesteinevorschlitz*
*lolitaungelesenverbrennundumsfeuertanz*

Dabei hat mich so manches Gedicht von ihm beeindruckt...
Herr Gott,
großes Elend ist über mich gekommen.
Meine Sorgen wollen mich erdrücken,
ich weiß nicht ein noch aus.
Gott, sei gnädig und hilf.
Gib Kraft zu tragen, was du schickst,
laß die Furcht
nicht über mich herrschen.
(D. Bonhoeffer)

Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Alexander hat geschrieben:Hab nicht vor, Nabokovs Prosa zu lesen --- könnt mich für meine Engstirnigkeit und mittelalterliche Intoleranz steinigen.
*vertiefungenfürdiesteinevorschlitz*
*lolitaungelesenverbrennundumsfeuertanz*

Dabei hat mich so manches Gedicht von ihm beeindruckt...
Ich steinige grundsätzlich Leute nicht für ihren literarischen Geschmack. Außer Hesse-Liebhaber. Da hört der Spaß auf und fängt der Schund an. :P

Aber zu Nabokov:
Ich würde sagen, daß es weniger Intoleranz ist als Ignoranz, die Dich davon abhält, ihn zu lesen.

Es ist leider das Problem Nabokovs, daß alle wissend die Augenbrauen heben, sobald sein Name genannt wird. "Aha, das ist ja der mit dieser schlüpfrigen Geschichte ... "

Ich habe früher auch mal einen Bogen um den Autor gemacht, weil ich genau so gedacht habe. Dann hat mir ein Freund, der sich in Literatur wirklich auskannte, den Kopf gewaschen. Nachdem ich die Gabe gelesen hatte, war ich dann von meinen Vorurteilen kuriert. In der Tat ist Nabokov einer der größten Prosakünstler, die das 20. Jahrhundert hervorgebracht hat. Als ich dann später die "Lolita" las, stellte ich fest, daß auch dieses Buch nichts mit dem zu tun hat, was man daraus gemacht hat. Es ist ein großartiges Kunstwerk und in keiner Weise pornographisch oder obszön.

Du kannst Nabokov getrost ignorieren, lieber Alexander (auch wenn Du dann was verpaßt!). Aber wer Bücher verbrennen will, der sollte sie wenigstens vorher gelesen haben! ;D

Gruß
Steve
Zuletzt geändert von Stephen Dedalus am Freitag 30. September 2005, 19:33, insgesamt 1-mal geändert.

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Khatja
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Beitrag von Khatja »

Also, hier ist meine Aufgabe. Der Text ist ein bisschen zu lang, aber es sind so schöne Worte, dass ich nicht mehr aufhören konnte ;)
Der Gläubige ist in inniger Liebe mit Gott verbunden; er kennt ihn; er lebt in ihm; er wirkt durch ihn und mit ihm. Die Wissenschaft verlangt von Gott einen ausführlichen Urkundebeweis; sie sieht ihn nicht; sie hört ihn nicht, sie fühlt ihn nicht, weil sie über das Irdische nicht hinüber kann, und dringt über die Mauer ja einmal ein Hauch des Himmels herein, dessen Ursprung der Gelehrte nicht zu erkennen vermag, so spricht er in seiner Verlegenheit von einer Wissenschaft des Verborgenen. Aber was ihm verborgen ist, das ist dem Gläubigen offenbar, denn mag die Wissenschaft behaupten, sie allein könne sehen, es gibt noch ganz andere Augen als die ihrigen, klare, helle, scharfe Augen, die nie und nimmer altern, die ohne Brille im kleinen Sonnenstäubchen und ohne Fernrohr in den unmeßbaren Welten das beglückende Wort der Offenbarung Gottes lesen. Wieviel solche Augen aber gibt es unter den Millionen Menschen, welche auf Erden wandeln? Es sind seit dem Dasein eures Geschlechtes tausend Generationen gekommen und wieder gegangen; der Glaube war für sie das Wort, welches es noch heute bei euch ist. Verschwindend nur ist die Zahl derer, für die er das ist, was er sein soll.
Viel Erfolg; das dürfte nicht sehr schwer sein! :)

Ecce Homo
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Beitrag von Ecce Homo »

Khatja hat geschrieben:Also, hier ist meine Aufgabe. Der Text ist ein bisschen zu lang, aber es sind so schöne Worte, dass ich nicht mehr aufhören konnte ;)
Der Gläubige ist in inniger Liebe mit Gott verbunden; er kennt ihn; er lebt in ihm; er wirkt durch ihn und mit ihm. Die Wissenschaft verlangt von Gott einen ausführlichen Urkundebeweis; sie sieht ihn nicht; sie hört ihn nicht, sie fühlt ihn nicht, weil sie über das Irdische nicht hinüber kann, und dringt über die Mauer ja einmal ein Hauch des Himmels herein, dessen Ursprung der Gelehrte nicht zu erkennen vermag, so spricht er in seiner Verlegenheit von einer Wissenschaft des Verborgenen. Aber was ihm verborgen ist, das ist dem Gläubigen offenbar, denn mag die Wissenschaft behaupten, sie allein könne sehen, es gibt noch ganz andere Augen als die ihrigen, klare, helle, scharfe Augen, die nie und nimmer altern, die ohne Brille im kleinen Sonnenstäubchen und ohne Fernrohr in den unmeßbaren Welten das beglückende Wort der Offenbarung Gottes lesen. Wieviel solche Augen aber gibt es unter den Millionen Menschen, welche auf Erden wandeln? Es sind seit dem Dasein eures Geschlechtes tausend Generationen gekommen und wieder gegangen; der Glaube war für sie das Wort, welches es noch heute bei euch ist. Verschwindend nur ist die Zahl derer, für die er das ist, was er sein soll.
Viel Erfolg; das dürfte nicht sehr schwer sein! :)
Karl May? "Am Jenseits"?

Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Beichtkind hat geschrieben:Viel Erfolg; das dürfte nicht sehr schwer sein! :)
Khatja hat geschrieben:Karl May? "Am Jenseits"?
Wow, da war aber jemand flott! :jump:

@Khatja

Wenn Du den russischen Schluß von *Dar* hast, könntest Du ihn dann mal ins Forum stellen? Ich würde ihn gerne mal im Original sehen und vor allem checken, ob Nabokov im Original das Reimschema der Onegin-Strophe beibehalten hat. In der dt. Übersetzung stimmt es ja nur zum Teil.

Danke und Gruß
Steve
Zuletzt geändert von Stephen Dedalus am Freitag 30. September 2005, 19:50, insgesamt 2-mal geändert.

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Khatja
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Beitrag von Khatja »

[Punkt] :jump:

Also ich selbst lese dieses Buch zur Zeit und staune mich immer wieder, wie schön da vieles geschrieben (und beschrieben) ist. Kann es nur weiter empfehlen!

Ecce Homo
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Beitrag von Ecce Homo »

Stephen Dedalus hat geschrieben:

Wow, da war aber jemand flott! :jump:
Darf ich jetzt???? :mrgreen: ;D

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Khatja
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Beitrag von Khatja »

@Stephen

Klar kann ich das machen - aber ich habe das Buch, wie gesagt, jetzt nicht bei mir, sondern bei meinen Eltern zu Hause. Am Sonntag hole ich es.

Wenn ich mich recht erinnere, bleibt da das Reimschema überall beibehalten.

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Khatja
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Beitrag von Khatja »

Beichtkind hat geschrieben:
Stephen Dedalus hat geschrieben:

Wow, da war aber jemand flott! :jump:
Darf ich jetzt???? :mrgreen: ;D

Na [Punkt] :freude:

Ecce Homo
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Beitrag von Ecce Homo »

Khatja hat geschrieben: Na [Punkt] :freude:
Also, ich bemühe mich. Das Zitat ist aus einem meiner Lieblingsbücher... :ja:

"Sie dachte an ihre Kindheit, an die Köchin Francoise, die nie Brot angeschnitten hatte, ohne zuerst mit dem Messer über den großen runden Laib ein Kreuzzeichen zu machen. Das Kind, das diesen Ritus des Brotschneidens mit anschaute, pflegte jeden Tag mit der Köchin in die Frühmesse zu gehen, nicht, weil es etwas von der Bedeutung der Messe verstand, sondern weil es alles so wunderbar und geheimnisvoll fand: die Kerzen, den Gesang vor Sonnenaufgang und den Anblick so vieler Erwachsener, die kein Frühstück zu sich nahmen, ehe nicht eine kleine weiße Oblate auf ihre Zunge gelegt worden war."
Leute, ich weiß, dass ihr dieses Buch so gut wie alle kennt... :ja: Bin gespannt, wie lange es dauert, bis jemand drauf kommt.... Hinterher sagt ihr alle "ACHSOOOO!" :mrgreen: ;D

Ecce Homo
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Beitrag von Ecce Homo »

Noch ein Tipp: Es gibt eine seeeeehr bekannte Verfilmung - die WIRKLICH JEDER kennt... ;D
Wunderschön und romantisch - mit richtig klasse offenem Ende... ;D

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Alexander
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Beitrag von Alexander »

Stephen Dedalus hat geschrieben:Ich würde sagen, daß es weniger Intoleranz ist als Ignoranz, die Dich davon abhält, ihn zu lesen.
zweifelsohne :)
Stephen Dedalus hat geschrieben:Aber wer Bücher verbrennen will, der sollte sie wenigstens vorher gelesen haben!
Na, das ist aber falsch. Was frommt's mir noch, ein Buch zu verbrennen, wenn ich es sowieso schon gelesen habe? ;D

Der größte Prosaiker des 20. Jh. ist in meinen Augen Thomas Mann. Sein Zyklus "Josephus und seine Brüder" ist eins der schädlichsten und täuflischsten Bücher, die die Welt je gesehen ha, übrigens. :P
Herr Gott,
großes Elend ist über mich gekommen.
Meine Sorgen wollen mich erdrücken,
ich weiß nicht ein noch aus.
Gott, sei gnädig und hilf.
Gib Kraft zu tragen, was du schickst,
laß die Furcht
nicht über mich herrschen.
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Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Alexander hat geschrieben:Na, das ist aber falsch. Was frommt's mir noch, ein Buch zu verbrennen, wenn ich es sowieso schon gelesen habe? ;D
Der Heizwert? ;D
Alexander hat geschrieben:Der größte Prosaiker des 20. Jh. ist in meinen Augen Thomas Mann. Sein Zyklus "Josephus und seine Brüder" ist eins der schädlichsten und täuflischsten Bücher, die die Welt je gesehen ha, übrigens :P
I wo, Thomas Mann gehört noch voll und ganz ins 19. Jahrhundert. Der hat sich bloß bei den Lebensdaten geirrt. Aber unsere Ansichten über "modern" und "unmodern" gehen ja sowieso auseinander :D

Über "schädlích und täuflisch" denke ich noch nach ...

Gruß
Steve

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Alexander
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Beitrag von Alexander »

Stephen Dedalus hat geschrieben:I wo, Thomas Mann gehört noch voll und ganz ins 19. Jahrhundert.
Ga-a-a-a-anz gewiß nicht. Genausowenig wie Feuchtwanger.
Herr Gott,
großes Elend ist über mich gekommen.
Meine Sorgen wollen mich erdrücken,
ich weiß nicht ein noch aus.
Gott, sei gnädig und hilf.
Gib Kraft zu tragen, was du schickst,
laß die Furcht
nicht über mich herrschen.
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Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Alexander hat geschrieben:
Stephen Dedalus hat geschrieben:I wo, Thomas Mann gehört noch voll und ganz ins 19. Jahrhundert.
Ga-a-a-a-anz gewiß nicht. Genausowenig wie Feuchtwanger.
Von Feuchtwanger habe ich das auch nicht behauptet. Der ist schon richtig im 20. Jahrhundert. Ein Großteil seines Werkes ist ja auch ohne die politischen Verwerfungen dieses Jahrhunderts gar nicht denkbar. Allerdings spielt Feuchtwanger in einer anderen Liga als TM und Nabokov. Er ist ein guter Erzähler, aber ein miserabler Stilist.

Gruß
Steve

Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

@ Beichtkind

Ich stehe noch auf dem Schlauch. Ich war mir sicher, diese Stelle zu kennen, aber in welche Richtung ich jetzt auch recherchiere, es läßt sich nicht verifizieren.

Es ist aber schon aus einer Übersetzung, oder?

Gruß
Steve

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Alexander
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Beitrag von Alexander »

Stephen Dedalus hat geschrieben:...aber ein miserabler Stilist.
Was für eine komische Wahrmehmung Feuchtwangers. Er ist einer der Großmeister der Weltliteratur (komischerweise im Ausland (auch Rußland) besser bekannt und mehr gelesen als in Deutschland).
Herr Gott,
großes Elend ist über mich gekommen.
Meine Sorgen wollen mich erdrücken,
ich weiß nicht ein noch aus.
Gott, sei gnädig und hilf.
Gib Kraft zu tragen, was du schickst,
laß die Furcht
nicht über mich herrschen.
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Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Alexander hat geschrieben:
Stephen Dedalus hat geschrieben:...aber ein miserabler Stilist.
Was für eine komische Wahrmehmung Feuchtwangers. Er ist einer der Großmeister der Weltliteratur (komischerweise im Ausland (auch Rußland) besser bekannt und mehr gelesen als in Deutschland).
Also, "Großmeister der Weltliteratur" ist imho doch deutlich zu hoch gegriffen. Wie gesagt, er ist ein guter Erzähler. Daß er so geschätzt wird, hat - so denke ich - mitunter mehr mit den Inhalten zu tun, die er behandelt, als mit der "absoluten" literarischen Qualität seiner Bücher. So ist die Wartesaal-Trilogie in brilliantes Beispiel politischer Hellsichtigkeit und auch Analyse. Ich würde mich aber schwer tun, ihn unter die Weltliteratur einzureihen, schon gar nicht aber unter deren Großmeister. Ich fürchte, Feuchtwanger wird in einhundert Jahren - wenn überhaupt noch - dann vornehmlich seiner historischen Aussagekraft wegen gelesen werden.

Gruß
Steve

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Alexander
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Beitrag von Alexander »

Stephen Dedalus hat geschrieben:
Alexander hat geschrieben:
Stephen Dedalus hat geschrieben:...aber ein miserabler Stilist.
Was für eine komische Wahrmehmung Feuchtwangers. Er ist einer der Großmeister der Weltliteratur (komischerweise im Ausland (auch Rußland) besser bekannt und mehr gelesen als in Deutschland).
Also, "Großmeister der Weltliteratur" ist imho doch deutlich zu hoch gegriffen. Wie gesagt, er ist ein guter Erzähler. Daß er so geschätzt wird, hat - so denke ich - mitunter mehr mit den Inhalten zu tun, die er behandelt, als mit der "absoluten" literarischen Qualität seiner Bücher. So ist die Wartesaal-Trilogie in brilliantes Beispiel politischer Hellsichtigkeit und auch Analyse. Ich würde mich aber schwer tun, ihn unter die Weltliteratur einzureihen, schon gar nicht aber unter deren Großmeister. Ich fürchte, Feuchtwanger wird in einhundert Jahren - wenn überhaupt noch - dann vornehmlich seiner historischen Aussagekraft wegen gelesen werden.

Gruß
Steve
Also, in der ganzen Welt gilt er als ein Großmeister,das ist nun mal so --- nur das deutsche Volk hat ihn ziemlich verkannt. Das ist nicht das einzige Beispiel: wenn Du z.B. in Rußland nach den Namen der großen deutschen Dichter fragst, bekommt du wahrscheinlichh eine solche Liste in einem Atemzug vorgesagt: Goethe, Schiller, Heine. Aber wer liest schon in Deutschland Heine (außer seinem nicht allzu herausragenden "Deutschland-ein Wintermärchen", welches in Thüringen in der Schule behandelt wird)? Heine ist übrigens mein Lieblingsdichter unter den deutschen Poeten.
Und ich darf Dir zusichern, daß ich Feuchtwangers Josephus-Zyklus oder den Jud Süß eher aus ästhetischem und psychologischem Genuß als um der historischen Aussage willen gelesen habe.
Ja, auch im "Exil" was es nicht die politische Situation und das Emigrantenleben, die mich Emigranten gefesselt hat.

Es ist natürlich auch eine Sache des Spektrums, das man von ihm kennt --- seine Bücher sind nicht etwa gleichwertig.
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Alexander hat geschrieben:Also, in der ganzen Welt gilt er als ein Großmeister,das ist nun mal so --- nur das deutsche Volk hat ihn ziemlich verkannt. Das ist nicht das einzige Beispiel: wenn Du z.B. in Rußland nach den Namen der großen deutschen Dichter fragst, bekommt du wahrscheinlichh eine solche Liste in einem Atemzug vorgesagt: Goethe, Schiller, Heine. Aber wer liest schon in Deutschland Heine (außer seinem nicht allzu herausragenden "Deutschland-ein Wintermärchen", welches in Thüringen in der Schule behandelt wird)?
Das kann ich so aus meiner Erfahrung gar nicht bestätigen. Im angelsächsischen Bereich ist m. W. Feuchtwanger quasi unbekannt. Ein bißchen anders mag das im romanischen Bereich sein, aber da hat er einfach durch seine Themen (Goya zum Beispiel) ein etwas besseres Entree.

Heine ist aber in Deutschland doch relativ präsent! Sein Nachteil ist allenfalls, daß er als Dichter nicht so sehr zur Schullektüre werden konnte wie die großen Romanciers und Epiker. Auch das ist aber typisch für Deutschland. Wir haben unsere Dichter nie in gleicher Weise geschätzt und geliebt wie etwa die Briten oder die Russen. Und natürlich hängt ihm auch in gewisser Weise seine Abwesenheit zwischen 1933 und 1945 noch nach...

Es ist ja schön, daß Feuchtwanger in anderen Ländern gelesen wird. Nur das alleine macht ihn noch nicht zum Großmeister. Denn was würde dieses Kriterium allein über unseren größten deutschen Erzähler aussagen, der im Ausland fast völlig unbekannt ist: Theodor Fontane!? (oder wird der in Rußland auch so verehrt? Das würde mir natürlich die Russen noch lieber machen, als sie mir ohnehin schon sind.) ;)

Gruß
Steve

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Alexander
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Beitrag von Alexander »

Stephen Dedalus hat geschrieben:Denn was würde dieses Kriterium allein über unseren größten deutschen Erzähler aussagen, der im Ausland fast völlig unbekannt ist: Theodor Fontane!? (oder wird der in Rußland auch so verehrt? Das würde mir natürlich die Russen noch lieber machen, als sie mir ohnehin schon sind.) ;)
Er ist im Ausland wenig bekannt und hat die Gemüter in anderen Ländern wenig beeinflußt, in der Tat. Somit gehört sein Werk nicht in die Schublade "Weltliteratur". Was ihn nicht herabsetzen soll.
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Beitrag von Alexander »

Herr Gott,
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Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Alexander hat geschrieben:
Stephen Dedalus hat geschrieben:Denn was würde dieses Kriterium allein über unseren größten deutschen Erzähler aussagen, der im Ausland fast völlig unbekannt ist: Theodor Fontane!? (oder wird der in Rußland auch so verehrt? Das würde mir natürlich die Russen noch lieber machen, als sie mir ohnehin schon sind.) ;)
Er ist im Ausland wenig bekannt und hat die Gemüter in anderen Ländern wenig beeinflußt, in der Tat. Somit gehört sein Werk nicht in die Schublade "Weltliteratur". Was ihn nicht herabsetzen soll.
Aha.

Also definierst Du den Begriff Weltliteratur aber auch ein bißchen anders als ich. Für mich ist er in erster Linie qualitativ. Allein die Bekanntheit in einem anderen Land reicht nicht aus. Sonst könnte man auch Rosamunde Pilcher zur Weltliteratur zählen, und damit hätte ich Probleme (oder Hermann Hesse, was noch schlimmer wäre). :D

Fontane ist für mich eigentlich Weltliteratur. Es haben bloß noch nicht alle gemerkt.

Gruß
Steve

Ecce Homo
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Beitrag von Ecce Homo »

Stephen Dedalus hat geschrieben:@ Beichtkind

Ich stehe noch auf dem Schlauch. Ich war mir sicher, diese Stelle zu kennen, aber in welche Richtung ich jetzt auch recherchiere, es läßt sich nicht verifizieren.

Es ist aber schon aus einer Übersetzung, oder?

Gruß
Steve
:mrgreen: Ja, Übersetzung aus dem Englischen... sorry, das hatte ich noch schreiben wollen - dann hatte ich das vergessen. In Deutsch ist das Buch nur antiquarisch erhältlich....

Ein weiterer Tipp: Die Sache ist eine wahre Geschichte, nur in Romanform geschrieben worden - die Autorin hat die betreffende Person interviewt und dann das Buch geschrieben...

Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Hm, also ich hatte erst so in Richtung Lourdes und Bernadette Soubirous gedacht. Aber Werfel isses ja nicht und einen anderen Roman dazu kenne ich nicht. Wahrscheinlich bin ich völlig auf dem falschen Dampfer.

Gruß
Steve

Petra
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Registriert: Samstag 4. Oktober 2003, 19:30

Beitrag von Petra »

Gestern Abend habe ich noch gedacht, manno, wie leicht.
Aber die beiden letzten Infos.....Beichtkind, bist du dir da sicher?

Ist denn das Werk im zweiten Drittel des letzten Jahrhunderts geschrieben worden? Und starb der Autor in der Mitte des Lebens?

Stephen Dedalus
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Beitrag von Stephen Dedalus »

Naja, damals vielleicht. Aber heute bei Amazon keine einzige aktuelle und lieferbare Ausgabe!

Gruß
SD

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Alexander
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Beitrag von Alexander »

Stephen Dedalus hat geschrieben:(oder wird der in Rußland auch so verehrt? Das würde mir natürlich die Russen noch lieber machen, als sie mir ohnehin schon sind.) ;)
Zumindest hab ich das gefunden: Effie Briest, ein Gedicht und das hier. Von allen möglichen Biographien und literaturwissenschaftlichen Betrachtungen ganz zu schweigen.
Herr Gott,
großes Elend ist über mich gekommen.
Meine Sorgen wollen mich erdrücken,
ich weiß nicht ein noch aus.
Gott, sei gnädig und hilf.
Gib Kraft zu tragen, was du schickst,
laß die Furcht
nicht über mich herrschen.
(D. Bonhoeffer)

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Beitrag von Ecce Homo »

Petra hat geschrieben:Gestern Abend habe ich noch gedacht, manno, wie leicht.
Aber die beiden letzten Infos.....Beichtkind, bist du dir da sicher?

Ist denn das Werk im zweiten Drittel des letzten Jahrhunderts geschrieben worden? Und starb der Autor in der Mitte des Lebens?
Also, wann das Buch im Original geschrieben worden ist, konnte ich nicht wirklich rausbringen... (das Einzige, was ich diesbezüglich gefunden habe, ist, dass die 9. Auflage 1956 erschienen ist) dafür habe ich noch einige Infos zur Autorin:

Eine gute Freundin, die katholisch war, brachte sie dazu, auch katholisch zu werden. Sie schrieb die - wirklich tragischen - Erlebnisse dieser Freundin in dem Buch nieder, aus dem ich zitierte (natürlich mit geändertem Namen); die Autorin des Buches ist 1981 gestorben, mit ihrer Freundin, deren Erzählungen wir diesen herrlichen Roman verdanken, an ihrer Bettseite...

- wirklich, ihr kennt zumindest den Film alle...
Der Film ist 1959 zum ersten Mal gelaufen... - bis heute leider noch nicht auf DVD erhältlich :nein: - ich hoffe, das kommt noch! :freude: :ja:

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