Andreas Gryphius

Gespräche über ausgewählte litterarische Texte.
Stefan

Andreas Gryphius

Beitrag von Stefan »

Thränen des Vaterlandes

Wir sind doch nunmehr gantz / ja mehr denn gantz verheeret!
Der frechen Völcker Schaar / die rasende Posaun
Das vom Blutt fette Schwerdt / die donnernde Carthaun /
Hat aller Schweiß / und Fleiß / und Vorrath auffgezehret.

Die Türme stehn in Glutt / die Kirch ist umgekehret.
Das Rathauß ligt im Grauß / die Starcken sind zerhaun /
Die Jungfern sind geschänd't / und wo wir hin nur schaun
Ist Feuer / Pest und Tod / der Hertz und Geist durchfähret.

Hir durch die Schantz und Stadt / rinnt allzeit frisches Blutt.
Dreymal sind schon sechs Jahr / als unser Ströme Flutt /
Von Leichen fast verstopfft / sich langsam fort gedrungen.

Doch schweig ich noch von dem / was ärger als der Tod /
Was grimmer denn die Pest / und Glutt und Hungersnoth /
Das auch der Seelen Schatz / so vilen abgezwungen.

Anno 1636

Stefan

Beitrag von Stefan »

Es ist alles eitel

Du sihst, wohin du sihst, nur Eitelkeit auff Erden.
Was diser heute baut, reist jener morgen ein.
Wo itzund Staedte stehn, wird eine Wisen seyn,
Auff der ein Schaefers-Kind wird spilen mit den Herden.

Was itzund praechtig blueht, sol bald zertretten werden.
Was itzt so pocht und trotzt ist Morgen Asch und Bein,
Nichts ist, das ewig sey, kein Ertz, kein Marmorstein.
Itzt lacht das Glueck uns an, bald donnern die Beschwerden.

Der hohen Thaten Ruhm, muß wie ein Traum vergehn.
Soll den das Spil der Zeit, der leichte Mensch bestehn?
Ach! was ist alles diß, was wir vor koestlich achten,

Als schlechte Nichtigkeit, als Schatten, Staub und Wind;
Als eine Wisen-Blum, die man nicht wider find't.
Noch wil was Ewig ist kein einig Mensch betrachten!

Seneca
Beiträge: 3
Registriert: Sonntag 10. Juli 2005, 19:12

Beitrag von Seneca »

Über die Geburt Jesu

Nacht, mehr denn lichte Nacht! Nacht, Lichter als der Tag!
Nacht, heller als die Sonn, in der das Licht geboren,
Das Gott, der Licht, in Licht wohnhaftig, ihm erkoren!
O Nacht, die alle Nächt und Tage trotzen mag!

O freudenreiche Nacht, in welcher Ach und Klag
Und Finsternis und, was sich auf die Welt verschworen,
Und Furcht und Höllen-Angst und Schrecken ward verloren!
Der Himmel bricht, doch fällt nunmehr kein Donnerschlag.

Der Zeit und Nächte schuf, ist diese Nacht ankommen
Und hat das Recht der Zeit und Fleisch an sich genommen
Und unser Fleisch und Zeit der Ewigkeit vermacht.

Der Jammer trübe Nacht, die schwarze Nacht der Sünden,
Des Grabes Dunkelheit muß durch die Nacht verschwinden.
Nacht, Lichter als der Tag! Nacht, mehr denn lichte Nacht!

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Ioreth
Beiträge: 69
Registriert: Donnerstag 30. Dezember 2004, 15:12

Beitrag von Ioreth »

Einsamkeit

VI.

IN diser Einsamkeit / der mehr denn öden Wüsten

Gestreckt auff wildes Kraut / an die bemoßte See:

Beschau ich jenes Thal und diser Felsen Höh'

Auff welchem Eulen nur und stille Vögel nisten.

Hir / fern von dem Pallast; weit von des Pövels Lüsten

Betracht ich: wie der Mensch in Eitelkeit vergeh'

Wie auff nicht festem Grund' all unser Hoffen steh'

Wie die vor Abend schmähn die vor dein Tag uns grüßten'.

Die Höl' / der rauhe Wald der Todtenkopff / der Stein

Den auch die Zeit aufffrist / die abgezehrten Bein

Entwerffen in dem Mutt unzehliche Gedancken.

Der Mauren alter Grauß / diß ungebau'te Land

Ist schön und fruchtbar nur / der eigentlich erkant

Daß alles / ohn ein Geist / den Gott selbst hält / muß wancken.
wenn alle stricke reissen häng ich mich auf.

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Ewald Mrnka
Beiträge: 7001
Registriert: Dienstag 30. November 2004, 11:06

Beitrag von Ewald Mrnka »

ROMA CAPUT RERUM
Rom ist das Haupt der Welt, voll Witz, wie ich befinde,
Voll Weisheit, voll Verstand, doch auch voll Läus und Grinde.
AN KLEANDRUM
Du fragst, warum ich nicht zu Rom will Bürger werden?
Weil Rom, von dem du sagst, nicht mehr auf dieser Erden.

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