V. Schmemann-Lesezirkel

Gespräche über ausgewählte litterarische Texte.
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Hermann2007
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Re: V. Schmemann-Lesezirkel

Beitrag von Hermann2007 »

Nach einer Woche Urlaub bin ich wieder da: Zu der Mann-Frau-Diskussion zwei Splitter.

1. Vater Schmemann hat die Texte fürs Radio gemacht: Im Radio muss man mit mehr Kürze und stärker akzentuiert als im schriftlichen Bereich etwas rüberbringen - und im Radio sagt man leichter etwas, was man schriftlich, wenn es schwarz auf weiß dasteht, lieber genauer differenzieren würde. Ich merke das auch in meinem Job, dass Leute viel empfindlicher auf Geschriebenes als auf im Radio Gehörtes reagieren.

2. Das Thema Mann - Frau hat Schmemann recht viel beschäftigt, er hat darüber auch mit seiner Frau Juliana gesprochen (siehe seine "Aufzeichnungen"). Einmal sagt er, er sei mit Juliana (L.) zu der Ansicht gekommen, dass Männer mehr für die Struktur da seien, deshalb auch Männer in der Struktur der Kirche. Frauen hingegen würden das Leben hineinbringen. An anderer Stelle sagt er zu dem Thema, er glaube nicht, dass eine Frau Präsidentin der USA werden solle. (Seine Frau hat er aber sehr wohl darin unterstützt, Direktorin an einer Schule zu werden.)

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Stephanie
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Re: V. Schmemann-Lesezirkel

Beitrag von Stephanie »

Lieber Hermann, ja das ist natürlich schon richtig, wir werden hier das nicht endgültig aufdröseln können, was genau wirklich gemeint war. Ich bin halt darüber gestolpert, deutlich gestolpert - aber ich kann es auch so stehen lassen, in seiner (für mich) Unklarheit.

Kaptiel 4: Die Geburt der Gottesgebärerin
Die Ursache für die Marienverehrung in der Kirche ist Marias Gehorsam gegenüber Gott, ihre vertrauensvolle Verfügbarkeit. Maria stellt zugleich, wenn auch in Vollendung (weil bedingungsloses Vertrauen und Hingabe), die menschliche Suche nach Gott dar.

Die Marienverehrung hat in West und Ost unterschiedliche Schwerpunkte:
Im Westen liegt der Fokus auf der Reinheit, der Jungfräulichkeit - s. die Bezeichnung „Jungfrau Maria“
Im Osten liegt der Fokus auf der Mutterschaft, auf der Freude der Mitwirkung des Menschen an Gottes Kommen in die Welt - s. die Bezeichnung „Gottesgebärerin“

Christus ist mit uns verwandt!
(Diese Ungeheuerlichkeit ist mir in dieser Klarheit nie bewusst gewesen. Dieser Satz hat mich schlicht „weggepustet“ – ich musste tatsächlich nach Luft schnappen.)
Gott hat sich in Christus, in seiner menschlichen Natur uns verwandt gemacht, er bleibt uns in ihm direkt verbunden. Gott ist keine geheimnisvolle Erscheinung (wie das Mirakel von Delphi oder so), er nennt sich selbst den Menschensohn. Gott hat sich mit uns verbunden, um den Menschen zu vergöttlichen, ihn zum Teilhaber an der Gottheit zu machen, was die wahre Berufung des Menschen ist - d.h. durch Maria wurde uns dies ermöglicht (die wahre Berufung des Menschen wurde uns offenbart) und dies ist der Grund für die Liebe, Dankbarkeit und Verehrung seitens der Gläubigen
(Auch dies hatte ich nie so richtig kapiert. Natürlich habe ich die Verehrung der Mutter Christi ALS die Mutter Christi verstanden, aber nie mit dem Bezug, dass uns die wahre Berufung unseres Daseins dadurch enthüllt wurde)

Die Geburt der Gottesgebärerin steht nicht in der Bibel, weshalb feiert sie dann die Kirche?
Der Grund hierfür liegt in der Dankbarkeit und Verehrung aus oben genannten Gründen. Ihre Geburt steht natürlich nicht in der Bibel, denn ihre Geburt war ja etwas ganz und gar Gewöhnliches oder anders herum formuliert. Ihre Geburt war nichts Außergewöhnliches, kein Wunder – denn ihre Bedeutung liegt ja nicht in ihrer Geburt (im Unterschied zu Christus) sondern in ihrer späteren Hingabe an Gott und dem, was daraus entstand. Es sind manchmal die kleinen, scheinbar so unbedeutenden Dinge des Lebens, aus denen doch so viel Bedeutendes erwachsen kann.

Natürlich ist jede Geburt, gerade in ihrer Gewöhnlichkeit, ein Wunder. Sie ist das Entstehen einer neuen Person, die einzigartig und unwiederholbar ist dar und ist deshalb ein Anfang ohne Ende (wegen des Ausblicks auf das ewige Leben).

Das Fest der Geburt der Gottesgebärerin ist also:
1. Eine Feier des Lebens: das Feiern des Auf-die-Welt-Kommens eines Menschen
2. Eine Feier des Auf-die-Welt-Kommens Mariens, denn wir wissen ja, da wir die Retrospektive inne haben, wer da auf die Welt gekommen ist, wessen Geburt wir also feiern
3. Eine Feier des geistlichen Erbes, welches Maria erfüllt hat, welches sie vorbereitet hat, welches ihren Glauben geformt hat, welches also ihre Glaubenserziehung war
Es ist also auch ein Fest der Menschheit über die Menschheit, denn diese hat daran Anteil!

„In der Tat, es gibt so viel Böses um uns herum, dass der Glaube an den Menschen, an seine Freiheit und an die Möglichkeit einer guten und positiven Vererbung [damit ist die Glaubenserziehung gemeint, das geistliche Erbe] in uns beinahe erloschen ist, oder sich in Skepsis und Misstrauen verwandelt hat.“
Und es ist diese Skepsis, dieses verzagte Misstrauen, dass uns die Kirche auffordert an diesem Tage abzulegen in dem sie die Geburt eines kleinen Mädchens feiert!
(Mein absoluter Lieblingssatz, ich hatte mir schon überlegt ihn mir an die Wand zu heften, direkt neben den Spiegel, in dem ich jeden Tag mein Gesicht sehe, wenn ich mich wieder geärgert, aufgeregt habe und irgendwie mutlos geworden bin ob der Lage der Welt oder das Verhalten von Christen - mich natürlich eingeschlossen)
Wird kaum der Gerechte gerettet, wo werde ich Sünder erscheinen? Die Last und Hitze des Tages habe ich nicht getragen. Die um die elfte Stunde kamen, denen zähle mich bei, Gott, und sei mein Erretter.

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Nassos
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Re: V. Schmemann-Lesezirkel

Beitrag von Nassos »

Ich möchte mich auf die von Vater Schmemann hervorgehobene Mutterschaft beziehen.
Durch die Einkleidung Christi in vergängliches Fleisch, durch Seine sündlose menschliche Natur, durch die Er uns in Seiner Auferstehung und Himmelfahrt vergöttlicht, werden wir Söhne Gottes, ja Götter der Gnade nach.

Somit wird die Allheilige als Mutter des fleischgewordenen Gottes zu unser aller Mutter. Der Heilige Nektarios, ein Größerer als Vater Schmemann, nennt in “Agni Parthene“ die Allheilige “Quell der Unsterblichkeit“.
Sie wird in der Ostkirche als “Lebensspendender Quell“ dargestellt
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Es ist das Wirken des Hl. Geistes, das Sie zu dem macht, was Sie ist, Seine Gnade.

Selbstverständlich ist die immerwährende Jungfrauenschaft nicht unwichtig, immerhin heißt die wunderschöne Hymne des Hl. Nektarios auf Deutsch “Reine Jungfrau“, rein wie unbearbeitete Schafswolle.
Auf den Ikonen der Ostkirche wird sie stets mit den drei Sternen dargestellt (auf den Schultern und Ihrer Kopfbedeckung): immerwährende Jungfrauenschaft (vor-während-nach Geburt, drei Sterne)

Und auf jeder Ikone findet man den Titel ΜΡ ΘΥ (Μήτηρ Θεού) Mutter Gottes.
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Beides ist essentiell.
Vt. Schmemann hat geschrieben: “Gott, der sich zum Menschen herablässt..., um ihn zu vergöttlichen... Gerade... diese erschütternde Offenbarung über... die wirkliche Berufung des Menschen, ist der Ursprung der dankbaren und liebevollen Beziehung zu Maria als unserer Verbindung mit Christus und in Christus mit Gott.
Die Verehrung der Allheiligen ist keine Übernahme aus der Antike, sondern liegt absolut im Konsens des Mysteriums der Werke Gottes.
Im orthodoxen Verständnis, im orthodoxen Sein kann man um diese Verehrung, die Ihr gebührt (nicht mehr, nicht weniger) nicht umhin.
Das ΜΡ ΘΥ auf Ihren Ikonen sowie das Ο ΩΝ (der Seiende) auf den Christusikonen symbolisieren das, da läuft nichts losgelöst...

Gott hat durch Seine Gnade an Ihr der Menschheit eine wahre, immerwährende Königin geschenkt.
Und eine Mutter.
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Ehre und Lobpreis sei Gott.
Ich glaube; hilf meinem Unglauben

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Nassos
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Re: V. Schmemann-Lesezirkel

Beitrag von Nassos »

Ich freue mich schon auf das nächte Kapitel, denn in wenigen Tagen feiern wir den Einzug der Allheiligen Gottesgebärerin in den Tempel (21. November).
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Hermann2007
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Re: V. Schmemann-Lesezirkel

Beitrag von Hermann2007 »

Nassos hat geschrieben:Ich freue mich schon auf das nächte Kapitel, denn in wenigen Tagen feiern wir den Einzug der Allheiligen Gottesgebärerin in den Tempel (21. November).
Das Kapitel habe ich gerade gelesen, in den letzten Absätzen zieht Schmemann die Folgerungen aus diesem Fest:
Das Zentrum der Religion verlagert sich, ja mehr noch, der Schwerpunkt des Lebens verlagert sich. In der Welt wird eine Lehre eingeführt, die nichts höher stellt als den Menschen, denn Gott selbst nimmt das menschliche Bild an, um zu offenbaren, dass die Bestimmung des Menschen wie seine Berufung göttlich sind. In diesem Augenblick beginnt die Freiheit des Menschen. Es gibt nichts mehr über ihm, denn die Welt selbst ist für ihn da, sie ist eine Gabe Gottes, die ihm gegeben wird, damit sich sein göttliches Schicksal erfüllt.
Seit die Jungfrau Maria ins "Allerheiligste" getreten ist, wurde das Leben selbst zum Tempel. Und wenn wir das Fest der Einführung in den Tempel feiern, wird der göttliche Sinn des Menschen, die Größe und die Klarheit seiner Berufung gefeiert. Man kann sie nie aus dem menschlichen Gedächtnis löschen, nie ausmerzen.
...die Welt selbst ist für ihn da, sie ist eine Gabe Gottes, die ihm gegeben wird...das ist wie eine Antierzählung zur Sündenfall- und Paradiesvertreibungsgeschichte.

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Melody
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Re: V. Schmemann-Lesezirkel

Beitrag von Melody »

Nassos hat geschrieben:Gott hat durch Seine Gnade an Ihr der Menschheit eine wahre, immerwährende Königin geschenkt.
Und eine Mutter.
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Ehre und Lobpreis sei Gott.
Das sehe ich ja jetzt erst. Mei, ist das süß... :) :daumen-rauf:

Warum ist eigentlich dieser Strang eingeschlafen? Habt Ihr die Lektüre des Buches beendet?

Ich überlege gerade, dass ich gerne ein paar Bücher von meinem Bücherstapel abarbeiten würde (in erster Linie Mattei & Fiedrowicz - also nicht Schmemann, den hab ich nicht...), aber ich weiß, dass ich das alleine nicht schaffe. Wenn ich aber nun versuche, einen extra Thread dafür zu starten, wird dieser wahrscheinlich auch auf wenig Interesse stoßen, so wie Eurer nach anfänglicher Begeisterung auch eingeschlafen ist... *seufz*
Ewa Kopacz: «Für mich ist Demokratie die Herrschaft der Mehrheit bei Achtung der Minderheitenrechte, aber nicht die Diktatur der Minderheit»

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Nassos
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Re: V. Schmemann-Lesezirkel

Beitrag von Nassos »

Weil die Strangväterin Stephanie eine Auszeit hat. Sie hat ihn mitiniziiert und wir wollen und können ohne sie nicht weitermachen.
Sie übt uns quasi in Geduld und Demut. http://www.kreuzgang.org/viewtopic.php?p=54454#p54454

Hast Du diesen Strang mal gelesen, Melody?

Lieben Gruß,
Nassos
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