Kreuzzeichen hat geschrieben:Guck, Yeti ... bin ich wenigstens noch für Überraschungen und Informationen gut. "Unterschwellig gegen..." Kann ich gar nicht so sagen. Was mich an Diskussionen immer stört ist nicht Widerspruch, sondern wenn mir Haltungen unterstellt werden oder ich schubladisiert werde.
Was heißt
"schubladisiert"? Dass man einen Standpunkt einordnet - wenn man ihn denn hat - wird man kaum verhindern können und eigentlich auch nicht wollen, es sei denn, man wüsste selbst nicht genau, was man will. Aber dein Standpunkt wird klar, auch wenn du das anscheinend nicht willst; nur die Gründe nicht immer:
Kreuzzeichen hat geschrieben:Das Experiment von 2008 sehe ich auch als vollends gescheitert an. Es war wohl Teil einer gewissen Aufbruchsstimmung nach Summorum Pontificum. Die aber nicht minder versandet ist...
Kreuzzeichen hat geschrieben:Noch hat niemand gesagt, ob die außerordentliche Form auf Dauer als legitime liturgische Parallelwelt weiter existieren soll.
Und in deinem verlinkten Leserbrief schreibst du:
Kreuzzeichen hat geschrieben:Das II. Vat. Konzil hat doch eindeutig festgestellt, dass die “Alte Messe” einer weiteren Entwicklung bedürfe. Ganz bestimmt ist man häufig hier über das Ziel hinweg geschossen, fehlte bei mancher Reform die notwendige Behutsamkeit. Für mich ist die “Alte Messe” auch ein Stück über Jahrzehnte konserviert worden, transportiert theologische Einsichten, die neuer sprachlicher Fassung und gedanklicher Durchdringung bedürfen. Wir haben das ja auch an der Diskussion über die Karfreitagsfürbitte gesehen. Ich würde mir eine sensible Reform im Sinne von Weiterentwicklung der “Alten Messe” und ihr dann mehr Raum in den Riten der Kirche (von denen es ja noch einige mehr gibt) wünschen.
Wo hat das Konzil das so eindeutig festgestellt? Inwiefern transportiert die alte Form
"theologische Einsichten, die neuer sprachlicher Fassung" bedürfen?
Welche sind das deiner Meinung nach? Und weshalb? Was speziell die Konzilsdokumente angeht: So eindeutig sind die wenigsten von ihnen gehalten; das weißt du als Theologe auch sicher. Speziell deshalb musste ja eine
"Hermeneutik des Konzils" her, damit man das daraus dreht, was man so eindeutig eben nicht durchsetzen konnte. Frei nach
Odo Marquard:
"Hermeneutik ist die Kunst, aus einem Text etwas herauszulesen, was nicht drinsteht." Das Endergebnis ist eine gesamtkirchlich nicht lehramtlich gesicherte dogmatisch-hermeneutische Mäeutik (oder mäeutisch-hermeneutische Dogmatik), die jahrzehntelang jeden, der auch nur Interesse für die alte Liturgie zeigte, als theologischen Dissidenten (und eben nicht als Dialogpartner) brandmarkte. Wer selbst Theologie studierte und diese Zeit - bis heute - und diese Stimmung an den Fakultäten wahrnahm, konnte einen Hauch dessen erleben, was Unangepasstheit in der DDR bedeuten konnte: Theologie als hochgradig ideologisierte Spezialwissenschaft, welche die Haltung zur Liturgie als Indikator dafür nahm und nimmt, wes Geistes Kind einer sei.
Nur dass wir uns klar verstehen: Ich bin der Letzte, der wirklich annimmt, die alte Form der Messe würde tatsächlich eine Neuevangelisierung oder eine erfolgreiche Mission bewirken können. Ich selbst bin jemand, der sein Bedürfnis nach Spiritualität sehr gut in einer ganz normalen sonntäglichen Messe stillen kann und war überhaupt nur zwei Mal in meinem Leben bisher in einer Messe der alten Form. Aber ich sehe überhaupt nicht, weshalb Gläubige nicht die Messe in der alten Form feiern sollten. So einfach scheint das mit der Begründung auch nicht zu sein, ohne dass man die wahren Gründe für eine "Sorge" offenbart. Die Ablehnung oder "Sorge" gegenüber der alten Form passt auch so gar nicht zu einer liturgischen Auffassung, die auch ansonsten keinerlei Probleme damit hat, dass beim Friedensgruß eine Atmosphäre wie im Bierzelt entsteht. Gleichzeitig stimme ich dir zu, dass man beide Formen der Liturgie nicht gegeneinander ausspielen sollte. Geschieht dies aber überhaupt? M.E. wird das nur dort behauptet, wo man einen Dissens in irgendeiner Art und Weise gar nicht haben will - so etwas kann sympathisch wirken, wenn man tatsächlich (oder auch nur scheinbar) am Dissens leidet. Andererseits gilt auch:
"Jeder Konsens ist ein Mittel zur Ausgrenzung des Dissenses." (J.-F. Lyotard) Eine freie Gesellschaft hält einen Dissens aus, sie braucht ihn sogar. Das gilt auch für die Kirche und ihre Liturgien. Alles andere ist Ideologie - auf beiden Seiten, diesseits und jenseits des normalen Sonntagsgottesdienstes. Dass der Papst anscheinend - falls u.a. die Schließungen solcher altrituellen Klöster wirklich
eine solche Stoßrichtung erkennen lassen sollten - die alte Form unter seit jeher tatkräftiger Mithilfe der Bischöfe langsam sterben lassen will, ist dies eine sehr kurzsichtige Kirchenpolitik, denn es ist absehbar, dass sein Nachfolger dann wieder anders entscheiden wird, denn auch bei der Sehnsucht nach der alten Form - der Tagespost-Artikel zeigt es - sollten wir nicht von unserer Situation in Deutschland auf andere Länder schließen. Stattdessen sollten die Theologen einmal anfangen, Antworten auf die Fragen zu finden, welche die Gläubigen - oder die noch-nicht-Gläubigen - tatsächlich stellen. Das fällt vielen Theologen weiterhin unglaublich schwer, weil viele von ihnen gar nicht mehr zuhören. Das Zuhören aber macht einen guten Seelsorger aus. Dazu braucht man Stille. Und die findet man selbst in Kirchen leider immer seltener - das ist vielleicht auch ein Fingerzeig, der von einer solchen Faszination, wie sie teilweise vom alten Ritus ausgeht, kündet.