Inklusion, aber bloss nicht im Ordensleben?

Klöster, Klerus, Laienschaft. Besondere Nachfolge.
siena16
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Inklusion, aber bloss nicht im Ordensleben?

Beitrag von siena16 »

:huhu: Hallo, da mein ursprüngliches Anliegen zu weiteren Beiträgen geführt hat, eröffne ich hiermit ein neues Thema.

Inklusion, überall, nur nicht Im Ordensleben?

Ich streue mal ein paar Thesen aus, um anzuregen:

Wer sich damit beschäftigt, kennt die kirchenrechtlichen Aussagen dazu, weiß aber auch wie dehnbar dieses "Recht" ist und wie "willkürlich geurteilt" wird.

Ist ein Behinderter (person with special needs) denn weniger wert, wo bleibt da die Ethik? (der Einfachheit halber, sagen wir halt Behinderte)

Sind einige Aussagen nicht überholt, von Ethik und vor allem auch medizinisch? Früher dachte man zum Beispiel das neurologische Erkrankungen, auch Epilepsie, auf Dämonen basieren, heute sind solch Erkrankte überall sonst gut integriert, nur nicht in den Orden. Hinkt das CC da nicht hinterher?

Ergibt sich aus den Beispielen aus der Geschichte denn keinerlei Einsicht? Erwähnt wurden ja schon einige behinderte Heilige.

Und wie funktionieren denn dann die Orden, die doch Inklusion leben?

Wenn einer Priester werden will, geht das meist problemlos, bei Frauen sieht es da schon anders aus! -Gesetz des Marktes?

Sind Aussagen wie, man könne dem Lebensrhythmus im Kloster nicht ausreichend beiwohnen, nicht auch out? In Zeiten wo so manch Kloster mehr an Ausstattung zu bieten hat, als jeder durchschnittliche Haushalt in Deutschland?
Und warum geht das bei Männern, weil die nichts selber machen und von angestellten weiblichen Personen versorgen lassen, während einer behinderten Frau vorgehalten wird, sie könne nicht hart genug mitarbeiten?

Wer will über Berufung urteilen und worum gehts dabei eigentlich, wenn dann der Ruf Gottes nicht geachtet wird?


:umkuck:

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taddeo
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Re: Inklusion, aber bloss nicht im Ordensleben?

Beitrag von taddeo »

Dazu vielleicht ein erster Gedanke:
Ein Orden ist (zumindest von der Idee her) keine Selbsthilfegruppe für die Insassen, sondern hat einen Auftrag, an der Sendung der Kirche mitzuwirken. Die gesundheitliche Kondition der Mitglieder wenigstens beim Ordenseintritt muß dem Rechnung tragen. Das bedeutet aber auch, daß der Umgang mit "behinderten" Mitgliedern "von Orden zu Orden verschieden" sein kann.

Marcus, der mit dem C
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Re: Inklusion, aber bloss nicht im Ordensleben?

Beitrag von Marcus, der mit dem C »

Da gibt es verschiedene Dinge, die berücksichtig werden müssen, es läuft nicht einfach auf Diskriminierung oder Nicht-Diskriminierung hinaus.

Zwei Beispiele, die ich persönlich kenne/kannte:
Frater Prior Fulbert Haggenmiller OSB
In St. Ottilien als für die Mission ungeeignet abgelehnt, in St. Bonifaz München im 99ten Jahr seines Lebens und dem 77ten Jahr seiner Profeß von Gott heimgerufen:
http://www.orden-online.de/wissen/h/hag ... r-fulbert/
http://trauer.merkur.de/Traueranzeige/F ... ggenmiller
Ein Mitbruder hatte mir mit Schmunzeln erzählt, daß Frater Prior Fulbert, wenn er im hohen Alter von seiner Ablehnung in St. Ottilien erzählte über diejenigen anfügte, die ihn ablehnten: "Die sind schon alle tot!"
Frater Prior Fulbert war nicht in dem Sinne behindert, aber klein und von schmächtiger Statur. Doch das Charisma von St. Ottilien ist die Mission, für die man gesunde, robuste Mönche brauchte, die nicht sofort unter den ungewohnten Verhältnissen/Krankheiten zusammenbrachen.

Ein anderer Mönch, der noch lebt und ich daher den Namen unterschlage, ist erblindet. Man hat ihn daraufhin zum Physiotherapeuten ausgebildet. Er hat inzwischen sein silbernes Profeßjubiläum gefeiert.

Der Punkt auf den ich hinaus will ist der: Jedes Kloster hat ein Charisma, eine Aufgabe der es sich widmet. Die Kandidaten werden danach beurteilt, ob sie dieser Aufgabe augenscheinlich dienen können oder nicht.

Der zweite Punkt ist der: Jedes Kloster muß den Lebensunterhalt der Konventualen erwirtschaften. Nicht jedes Kloster ist reich seit altersher (Säkularisation) oder hat Millionenerbschaften zugewendet bekommen. Nehmen wir an der Aspirant ist Rollstuhlfahrer. Damit dieser am Leben des Kloster teilnehmen kann, müssen die Wege in die Zelle, Bad+WC, Refektorium, Recreationszimmer, Chorkapelle, Kirche Fluchtwege etc alle Rolli-tauglich gemacht werden. Wenn das ganze noch in einem denkmalgeschützten Gebäude ist, wirds schwer. Aber solche Umbauten können leicht fünf- bis sechsstellige Beträge kosten. Und ich glaube nicht, daß der LWV das Scheckbuch zückt und den behindertengerechten Umbau finanziert und einen monatlichen Integrationszuschuß zahlt. Daher ist es gut denkbar, daß ein Kloster jemand mit Behinderung aufnehmen möchte, aber es nicht kann, weil es das Überleben des Klosters finanziell gefährden könnte.

Dritter und letzter Punkt ist: Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Neben allen anderen rechtlichen und sonstigen Anforderungen entscheidet das Kapitel des Klosters schlußendlich ob ein Kandidat angenommen wird oder nicht. Und die Kapitulare sind nur ihrem Gewissen und Gott gegenüber verpflichtet über die Gründe der Ablehnung.
Sei es "die Nase paßt mir nicht" oder "der/die paßt nicht in die Gemeinschaft"

Selbst für Menschen ohne Behinderung kann es sein, daß sie erst das richtige Kloster finden müssen und nicht gleich beim ersten "daheim" sind. Daher legen viele Klöster wert darauf, daß ein Interessierter dort erst einmal für ein erstes Kennenlernen als Gast wohnt, bevor man jemand als Postulant aufnimmt.
"Das katholische Modell ist ja seit 2000 Jahren am Scheitern und daher dringend ablösungsbedürftig"

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offertorium
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Re: Inklusion, aber bloss nicht im Ordensleben?

Beitrag von offertorium »

siena16 hat geschrieben: Inklusion, überall, nur nicht Im Ordensleben?
Inklusion in der Gesellschaft ist wichtig, weil es um Menschen geht, die hier leben.
Ein Orden hingegen hat einen Auftrag und eine Berufung zu einem speziellen Orden bedeutet ja, dass man seinen Lebensauftrag im Charisma des Ordens verwirklicht sieht. Mit einer körperlichen Behinderung kann man problemlos in einem kontemplativen Orden aktiv sein, schwierig wird es hingegen dort, wo es um die Versorgung von Kranken durch einen Orden geht, wenn das zukünftige Ordensmitglied selbst pflegebedürftig ist.

siena16
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Re: Inklusion, aber bloss nicht im Ordensleben?

Beitrag von siena16 »

offertorium hat geschrieben:
siena16 hat geschrieben: Inklusion, überall, nur nicht Im Ordensleben?
Inklusion in der Gesellschaft ist wichtig, weil es um Menschen geht, die hier leben.
Ein Orden hingegen hat einen Auftrag und eine Berufung zu einem speziellen Orden bedeutet ja, dass man seinen Lebensauftrag im Charisma des Ordens verwirklicht sieht. Mit einer körperlichen Behinderung kann man problemlos in einem kontemplativen Orden aktiv sein, schwierig wird es hingegen dort, wo es um die Versorgung von Kranken durch einen Orden geht, wenn das zukünftige Ordensmitglied selbst pflegebedürftig ist.

Nun Einschränkungen bedeutet ja nicht, Pflegebedürftigkeit.

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offertorium
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Re: Inklusion, aber bloss nicht im Ordensleben?

Beitrag von offertorium »

Führen denn unbedeutende Einschränkungen zum Ausschluss?

Ein Orden dürfte hier schon angemessen entscheiden. Es geht wohl auch immer um Möglichkeiten. Jemand, der keine Hände hat, mag sich zum Klavierspieler berufen fühlen, stößt aber an seine Grenzen. Nun ließe sich darüber diskutieren, ob es rechtlich richtig ist, dass er nicht zum Klavierkurs zugelassen wird, aber wie siehts in der Praxis aus? Möge Gott die Menschen von solchen Schicksalen verschonen.

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Siard
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Re: Inklusion, aber bloss nicht im Ordensleben?

Beitrag von Siard »

offertorium hat geschrieben:Mit einer körperlichen Behinderung kann man problemlos in einem kontemplativen Orden aktiv sein, ….
Das würde ich bestreiten, jedenfalls in dieser allgemeinen Form.

Maja
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Re: Inklusion, aber bloss nicht im Ordensleben?

Beitrag von Maja »

"Er wandte sich wieder an die Benediktiner in Meschede und an die Jesuiten in Dresden. Bei den Benediktinern wurde er gefragt: "Als Novize musst Du Äpfel pflücken, kannst du auf der Leiter stehen?" Ihm wäre lieber gewesen, sie hätten ihm direkt gesagt, dass er sich wegen seiner Behinderung nicht für sie eigne. [...] Bei den Jesuiten war es ganz anders. Die sagten ihm, seine Behinderung mache ihn nicht aus. "Da schauen wir mal, wo Sie reinpassen.""
URL: https://www.jesuiten.org/slides-startse ... eisen.html
"Jetzt schauen wir in einen Spiegel und sehen nur rätselhafte Umrisse, dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich unvollkommen, dann aber werde ich durch und durch erkennen, so wie ich auch durch und durch erkannt worden bin." 1 Kor 12

siena16
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Re: Inklusion, aber bloss nicht im Ordensleben?

Beitrag von siena16 »

offertorium hat geschrieben:Führen denn unbedeutende Einschränkungen zum Ausschluss?

Ein Orden dürfte hier schon angemessen entscheiden. Es geht wohl auch immer um Möglichkeiten. Jemand, der keine Hände hat, mag sich zum Klavierspieler berufen fühlen, stößt aber an seine Grenzen. Nun ließe sich darüber diskutieren, ob es rechtlich richtig ist, dass er nicht zum Klavierkurs zugelassen wird, aber wie siehts in der Praxis aus? Möge Gott die Menschen von solchen Schicksalen verschonen.

Das ist ein frommer Wunsch, aber wieso sollte Gott jemanden nicht rufen sollen oder wollen und ist es dann "Schicksal" wenn jemand abgelehnt wird???

siena16
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Re: Inklusion, aber bloss nicht im Ordensleben?

Beitrag von siena16 »

Siard hat geschrieben:
offertorium hat geschrieben:Mit einer körperlichen Behinderung kann man problemlos in einem kontemplativen Orden aktiv sein, ….
Das würde ich bestreiten, jedenfalls in dieser allgemeinen Form.
Das sehe ich auch so und dem ist faktisch nicht so. Nun weiß ich nicht, ob das eine Annahme mangels Erfahrung ist oder eine persönliche Meinung dazu.

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