Kloster+Geflüster ... Kurzgeschichten aus dem Kloster

Klöster, Klerus, Laienschaft. Besondere Nachfolge.
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aegidios
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Kloster+Geflüster ... Kurzgeschichten aus dem Kloster

Beitrag von aegidios »

Der „vierte Tag“ bricht an. Der „ewige“ Tag, wie er beim gerade beendeten Cursillo auch genannt wurde. Der Abschied von den neu gewonnenen Brüdern viel schwer und währte lang.

Und der Weg zum Kloster an der Wallfahrtskirche war recht lang gewesen und führte mich durch unbekannte Gegenden.

Es ist Karwoche, und Vollmond. So erscheinen die Bergkuppen und Wälder, Rebberge und Felder entlang der schweizerischen Grenze in einem besonderen Glanz. Das blinkende Himmelszelt am Firmament soll in den nächsten Tagen durch die Beobachtung eines Doppelkometen noch bereichert werden.

Bei all dieser Schönheit der Schöpfung mit ihrem nächtlichen Glanz war ich ganz dort, wo ich sein sollte – bei Gott. Gemeinsam beschauten wir die zurückliegenden drei Tage des Cursillo mit seinen beeindruckenden Ereignissen und Erlebnissen, sowie den Menschen die hierbei zu meinen Nächsten geworden sind.

So war es schon weit nach Mitternacht, als ich schließlich nach einer ziemlichen Irrfahrt den Weg gefunden und mein Ziel erreicht hatte. Ich fand natürlich Wallfahrtskirche und Kloster verschlossen vor und wagte um diese Zeit nicht mehr zu läuten, damit ich die Bewohner nicht unnötig im Schlaf störe. Erst später erfuhr ich, dass neben der Pforte auch eine kleine Stube für Pilger und Bedürftige eingerichtet war, die ich hätte aufsuchen können.

Nach der ersten Lesehore weckte mich Schwester Myriam, die zu dieser frühen Stunde schon einmal einen Blick vor die Klosterpforte wirft und bat mich warmherzig einzutreten. Endlich war ich da, nach mehreren Anläufen – Zögern – Aufschüben ..., im „Kloster auf Zeit“.

Andere waren auch schon da, z.B. David ein in Deutschland geborener Italiener, Stephan ein Fernsehkorrespondent der sich jährlich zu Besinnungstagen hier zurückzieht und „John“ der sich als texanischer Ölmulti ausgab aber tatsächlich ein Berliner Tippelbruder war (was ihm hier niemand übel nahm).

So bezog ich die schlichte Zelle mit dem originellen Türschloss, einem etwa hundertjährigen Riegel, und der schlicht – schönen Einrichtung von IKEAS Ahnen. Gelegen war mein Domizil zweckmäßigerweise gleich neben der Klosterbibliothek, welche gar manchen Abend zu meiner zweiten Zelle wurde ...
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aegidios
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Beitrag von aegidios »

Von Schwester Myriam erzählt man folgende Geschichte:

Als sie noch Novizin war betraute man sie mit der Pflege und Hege des Klostergartens.

Irgendwann einmal im Spätsommer bemerkte sie, wie sie ein kleiner Junge im zarten Grundschulalter über den Zaun hinweg beim Äpfelpflücken beobachtete.

Er schien keine Eile zu haben und die großen Augen schauten neugierig (aber auch ein wenig scheu, vermutlich wegen der seltsamen Tracht des Mädchens) und nicht ohne einen gewissen Appetit auf die Schwester und den sich füllenden Korb mit den knackigreifen Äpfelchen.

Da er Zeit zu haben schien, ließ sie sich auch die Zeit ihr Tagwerk zu beenden; nicht ohne hin und wieder einen freundlichen Blick mit dem Bub auszutauschen.

Dann ging sie auf ihn zu, mit dem prall gefüllten Korb voller gelb-roter Köstlichkeiten, schritt durch das kleine Gartentor und verschloss sorgfältig das Türchen. Dann erst setzte sie sich neben dem Knaben ins Gras und bot ihm schweigend von den Früchten an.

Bedächtig nahm er den Apfel und verspeiste ihn ganz und gar. Dann fing er unter lautem Schluchzen zu erzählen an; er sei nach der Schule nicht nach Hause gegangen und fortgelaufen, er ist sonst ein sehr guter Schüler aber heute habe er die erste sechs bekommen ...

Myriam hörte immer noch schweigend zu, nickte oder brummte hin und wieder nur verständnisvoll.

Der kleine Flüchtling fuhr unentwegt fort weiter zu plaudern; jetzt kann er gar nicht mehr nach Hause gehen, weil sowieso alles zu spät ist und die Eltern werden bestimmt mächtig mit ihm schimpfen und überhaupt.

Die beherzte Schwester nahm ihn mit in das Klostergemäuer und sagte ihm, dass er erst einmal hier bleiben könne – aber die Eltern müsse sie schon verständigen, damit diese sich weiter keine Sorgen machen brauchen. Und überhaupt, morgen sähe die Welt ganz anders aus. Gesagt getan, während der kleine Asylant umgehend von den übrigen Schwestern umsorgt wurde, griff sie zum Telefon und wählte den Ortsanschluss den er ihr brav genannt hatte.

Die Mutter rief mit weinerlicher Stimme „Gott sei dank“ in den Hörer und der Vater fragte, ob er gleich kommen könne, den kleinen Ausreißer abzuholen.

Mit ruhiger Überzeugung sagte sie, dass die Eltern den Buben heute ruhig im Kloster lassen sollten: „Ihm tut es bestimmt gut, seine erste Enttäuschung hier zu überwinden und uns, einmal so einen lieben kleinen Gast zu haben.“

Man einigte sich, dass die Eltern ihn (ohne jeglichen Vorwurf über die schulische Fehlleistung oder seine Weglauferei) am nächsten Morgen abholen und zur Schule bringen würden. Am Nachmittag sollten sie ihn dann nur fragen, wie es bei den Schwestern und im Kloster gewesen sei.

Im übrigen sollten sie beide Vorfälle für diesmal auf sich beruhen lassen und den Buben weder belehren noch bestrafen; das würde sie an Eltern statt schon heute erledigen.

Nachdem die begeisterten Schwestern den kleinen Ausreißer ausgiebig verwöhnt und mit ihm bis zur gemeinsamen Ermüdung gespielt hatten, brachte ihn Myriam zu Bett und erzählte ihm vor dem Einschlafen zwei Gleichnisse aus den Evangelien, die für ihn wichtig wurden.

Entspannt und vollkommen sorglos schlief der kleine Gast ein und sie wusste bei sich, vollkommen richtig gehandelt zu haben.

Hätte sie ihn heute schon den Eltern überlassen und diese würden ihn mit Vorwürfen überschüttet haben, wäre ihm diese Auslieferung wie ein „Verrat“ vorgekommen und beim nächsten Weglaufen wäre er mit Sicherheit noch weiter und nicht wieder in die Nähe des Klosters gekommen. Aber jetzt war sich Myriam gewiss, dass er überhaupt nie wieder weglaufen würde. Und so kam es auch.

Er hat sein Refugium durch ihr tiefsinniges und beherztes Handeln gefunden.

Der Junge blieb Klassenprimus und jedes Mal, wenn er Sorgen und Nöte hatte lief er zum Kloster und fragte die gespannt dreinschauende Schwester Myriam: „Hast du mal einen Apfel ?“ Dann setzten sie sich gemeinsam an ein stilles Plätzchen und sprachen miteinander.

Und so bezog er die ganze Gemeinschaft die Schwestern und die Brüder des Klosters in sein Leben mit ein; erlebte die Erstkommunion und Firmung in der kleinen Wallfahrtskirche und feierte seine Namenstage und seinen Schulabschluss mit ihnen gemeinsam im Refektorium...

Und wenn er heute wiederkommen würde, läge schon ein Apfel für ihn bereit !
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aegidios
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Beitrag von aegidios »

An den Tagesablauf gewöhnte man sich schnell. Fünf Stundengebete, die von Schwester Myriam auf der Gitarre oder manchmal auf dem Harmonium und Bruder Bonifatius auf der Blockflöte begleitet wurden, sechs Stunden Mitarbeit im Haus, Hof und Garten. Samstags war „Stiller Tag“, der fastend und schweigend verbracht wurde.

Nachmittags trafen wir uns mit Schwester Myriam zum Bibelteilen oder mit dem Guardian zum Kerzengespräch über Gott und die Welt im Kaminzimmer des Klosters, wobei die gut bestückte Feuerstelle stets eine wohlige Wärme ausstrahlte.

David, der gerade im theologischen Fernkurs stand und der zuvor bei den Jesuiten Exerzitien genommen hatte, gelang es den Guardian und uns für die „Geistigen Übungen“ des Heiligen Ignatius zu begeistern. Und so stand unser weiterer Aufenthalt unter dem Motto: „Unterscheidung der Geister“.

Das wurde durchaus spannend, da wir alle glaube ich, nunmehr geneigt waren, bei der Arbeit, beim Gebet und überhaupt ... „unsere Beweggründe, Erwägungen und Neigungen daran zu messen und auszurichten, ob sie uns weiter zu Gott führen oder eher von ihm weg“.

Für mich persönlich wurde dies eine ganz neue persönliche Erfahrung; meditative Arbeit – produktive Meditation in Haus, Hof und Garten ... Fortan galt: an meinen Früchten sollt ihr mich erkennen. ORA ET LABORA - so schnell verschmelzen Aktion und Kontemplation, weil die kontemplativ initiierte Arbeit eine gänzlich andere ist. Eine große Mystikerin war es, die einmal ganz genau ihre Empfindungen bei der Hausarbeit als eine Form der Meditation beschrieben hat.

Den anderen erging es nach ihren Darstellungen ähnlich.

Stefan, der Fernsehkorrespondent mit seiner sehr aufregenden und stressfördernden Tätigkeit, die ihn von einer Minute auf die andere mit einem abenteuerlichen Auftrag um die halbe Welt befördern konnte; verlor zuerst berufsbedingt seine Frau (an einen, der ihr mehr Zeit und Aufmerksamkeit entgegenbringen wollte), dann erlitt er einen Herzinfarkt und stellte für sich fest, dass er in seinem Leben einige Dinge grundlegend ändern müsste.

Er lernte auch einmal „nein“ zu sagen zu Aufträgen, die ihm zuviel abverlangten, stellte seine Lebensweise und Ernährung auf gesündere Formen um, begann zu joggen und mit Fitness ... schließlich trank er weniger Alkohol und ließ das Rauchen gänzlich sein.

Freunde und Kollegen hänselten schließlich: jetzt fehlt würde nur noch fehlen, dass er ins Kloster ginge.

„Das war mein Stichwort“, meinte er; „Den Körper hatte ich schon im Griff, aber es fehlte mir noch etwas für die Seele.“

Er verbrachte nun schon das vierte Jahr in Bälde ein paar Wochen hier, um sich wieder richtig zu „erden“, wie er es nannte, und seither ginge es ihm auch richtig gut.

Ach ja, seine Frau habe auch zu ihm zurückgefunden (der andere hatte dann wohl doch auch nicht mehr so viel Zeit und Aufmerksamkeit übrig) und im übrigen sei Ballermann auch keine Erholung, sondern nur Stress – wenn auch ein anderer.

Ganz anders die Erfahrungen von „Texas-John“ aus Berlin. Dem war die Frau erst nach langer Arbeitslosigkeit und sinkendem Lebensstandart durchgebrannt. Mit einem ehemaligen Freund, der zu DDR – Zeiten Funktionär gewesen war und jetzt „ein widerlich-schleimiger Versicherungsvertreter und Anlageberater“ geworden sei. Die erste Reaktion sei die „Flasche“ gewesen und nachdem er die Miete nicht mehr bezahlen konnte, kam die „Platte“.

Früher war Jens, wie er im wirklichen Leben hieß, Diplom-Ingenieur für Chemieanlagen gewesen und habe die „Trasse“ (Erdölpipeline) von Sibirien nach Schwedt/Oder mitgebaut.

Dann kamen mit der Wende die, die behaupteten die im Osten könnten nicht arbeiten und hätten die ohnehin marode Wirtschaft kaputt gemacht. Komisch meinte er, solange er gearbeitet hat gab es preiswert Strom, Gas, Öl, Benzin sowie Plaste und Elaste im Überfluss.

Schließlich habe man dann die Leute entlassen, die Pipelines gekappt, die computergesteuerten Anlagen und Gebäude zerstört und dann erst hätte die „Treuhand“ die Schwarzheide für einen Apfel und ein Ei an die BASF verschleudert (wie es auch in LEUNA, Bitterfeld und eigentlich im ganzen Osten geschehen sei).

Die Fördermillionen seien schließlich nicht an die Ossis verteilt worden, sondern flössen in die Taschen der ohnehin marktbestimmenden Westunternehmen, die sich nur aus Kostengründen territorial hier niedergelassen hätten. (Man könnte wohl noch Bände füllen ...)

Schließlich ist Jens dann irgendwann angestürzt und ging unter die Obdachlosen Berlins.

Da sich die Berliner Polizei eine neue Variante des „Räuber & Gendarmen – Spiels“ ausgedacht haben (nach Einbruch der Dämmerung würden sie offensichtliche Penner aufgreifen und mit dem Polizeiwagen an die Stadtgrenze befördern – von wo aus sie in aller Regel dann auch zum Kuhdamm und zum Bahnhof Zoo zurückmarschierten); habe er dieses Spiel mehrmals mitgemacht und fand es dann reichlich blöde; marschierte dann in die andere Richtung und lies Berlin hinter sich.

Nach ein paar Tagen erreichte er einen Bauernhof, wo eine beherzte Ordensgemeinschaft Typen wie ihn aufgenommen hat und er blieb.

Alles funktioniere dort wie eine Kommune, die binden Trockenblumen, züchten Hühner, Enten und Schweine, betreiben eine „Klosterstube“ und verkaufen auf Märkten, was sie mit eigenen Händen herzustellen vermochten. Dort ist er bis heute geblieben und hat sich in der Fleischerei und beim Verkauf einen gewissen Stand erarbeitet.

Alle wohnen zusammen und alles würde allen zufallen, so die Philosophie der Gemeinschaft. Aber einmal im Jahr muss er schon raus, sonst falle ihm die Bude auf den Kopf und deshalb verbringt er die Ferien hier.

Er sei zwar kein besonders gläubiger Mensch, aber mehr als die Bahnfahrt könne er sich ohnehin nicht leisten, dafür arbeitet er lieber mit und wandert schon mal am Wochenende in die Schweiz, deren Grenzübergang ja fast im Ort liegt.

Im übrigen meinte er, der Kirche dankbar zu sein, dass es Orte wie diesen und jene gibt, da er sonst immer noch in Berlin unter einer Brücke schlafen müsste und das mit dem lieben Gott könne ja auch noch kommen.

So lernten wir uns, die uns hier die Nächsten waren, kennen und wertschätzen; versuchten gemeinsam und gegenseitig, nachsichtig und aufmerksam „unsere Geister zu unterscheiden“.

Die Abende verbrachten wir im Wintergarten oder im danebengelegenen Musikzimmer, wo neben einem Klavier noch allerlei andere Musikinstrumente herumstanden.

Die Judith, die wie ich bereits mehrfach in Taizé gewesen war und ihr Liederbuch dabei hatte, spielte gemeinsam mit Bruder Bonifatius, der die Lieder kannte auf der Gitarre und ich ergriff das Klavier. Manchmal, wenn die Zeit es erlaubte erschien Schwester Myriam für ein paar Gesänge mit der Blockflöte und der zwanzig Stimmen zählende Chor lobpreiste bis in die Nacht hinein (in Richtung der Heimat von Frére Roger): „Bleibet hier und wachet mit mir ...“

Es waren Tage voll Wärme und Liebe in diesen Klostermauern; wir waren oder besser wir wurden offenherzig und unbetrübt wie Kinder, und mit der Zeit schien uns das doch schwierige und widerspruchsvolle Leben da draußen nichts anhaben zu können.

Neben dem durchaus gefüllten Tagesablauf fand ich noch genügend Zeit, um durch Gespräche oder Mithilfe den Geschwistern der zweigeteilten Belegschaft des „Klosters zum Mitleben“ näher zu kommen.

Besonders die beiden Nestoren des Hauses, Pater Engelbert und Pater Adalbert nahmen sich meiner fürsorglich an.

Der eine hütete die Geheimnisse seines Kräutergartens, der streng abgegrenzt vom übrigen Garten und Hof unterhalb der Terrasse des Klostergebäudes lag und nur ihm zugänglich war, sowie seiner wirkungsvollen Rezepte für die vielzähligen Teesorten, Heilpackungen und den beliebten „Wurzel-Likör“. Seine Mitbrüder nannten ihn wegen dieser Geheimniskrämerei auch schelmisch ihren „Alchimisten“.

Mir wurde bereits nach ein paar Tagen das Privileg zuteil, ihn in sein Sanktuarium begleiten und beim Pflücken der sorgsam gehegten Kräuter helfen zu dürfen. Dafür (aus meiner Sicht) bzw. zudem (aus seiner Sicht) verriet er mir ein paar Bruchteile seiner verschwiegenen Rezepturen.

Der andere hatte soeben seine Biographie mit dem bezeichnenden Titel „Barfuss auf dem Weg ins Paradies“ herausgebracht und gern besprach er fast täglich mit mir Teile seines Lebenswerkes. Darüber hinaus diskutierten wir die Unterschiede des alten holländischen und des neuen Welt-Katechismus. Wie viel ich doch hier in wenigen Tagen lernen durfte; und ihn lenkte das zumindest zeitweilig von seinem fortschreitenden Parkinson ab.

Die Tage und Wochen im Kloster vergingen schnell, viel zu schnell.

Doch drei Tage vor meiner Abreise kam Student Michael ins Kloster. Bei der Einteilung der Gartenarbeit fiel uns das gemeinsame Jäten und Auflockern der Salatbeete zu und so kamen auch wir ins Gespräch.

Ob er denn schon einmal im Kloster oder hier gewesen sei; klar doch, nicht zum erstenmal und eigentlich immer hier. Da könne er sich auch wieder einmal richtig „erden“.

Den Spruch kannte ich doch, aber Stefan war schon wieder zur Arbeit zurückgekehrt. Tagtäglich fast kamen neue und gingen alte Gäste.

Ob er denn den Stefan hier schon einmal getroffen hätte; klar doch, der komme doch auch seit einiger Zeit recht regelmäßig. Aber er, der Michael hätte „die älteren Rechte“ – schließlich bekomme er immer wenn er ins Kloster kommt von Schwester Myriam einen Apfel ...
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aegidios
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Beitrag von aegidios »

Der Tag des Abschiednehmens kam unaufhaltsam näher und jeder der vertraut Gewordenen hatte mir etwas mit auf den Weg zu geben; ein Erinnerungsstück, einen Auftrag oder seinen Segen.

Der Guardian segnete meine Bibel und mein Cursillo-Kreuz; Schwester Myriam gab mir ein Replik des „papiernen“, wie ihn Franziskus für Bruder Leo verfasst hat; Pater Adalbert hat ein Exemplar seiner Biographie für mich signiert; Bruder Engelbert überließ mir einen Stapel seiner handgeschriebenen Kräuterrezepturen und David, der mich noch ein Stück des Weges begleiten sollte, vermachte mir die „Weisheit des Einfachen“ des Aegidius von Assisi (die mein Leben fortan entscheidend beeinflussen sollte ...)

Und so spürte ich insgeheim, der „vierte“ ja der „letzte Tag“ des Cursillo sollte nun eigentlich erst beginnen.

Zunächst musste ich den David sicher nach Hause geleiten und ich staunte nicht schlecht über die durchaus sakrale Atmosphäre, die sein kleines Häuschen da im Schwäbischen ausstrahlte. Dessen Inneres war eine gelungene Synthese aus Bibliothek und Schreibwerkstatt, aus Galerie und Atelier, aus Musizierkabinett und Oratorium – eingerichtet mit liebevoll aufgemöbelten Antiquitäten ebenso, wie mit Selbstgetischlertem.

Nein, verweilen konnte ich nicht. Schwester Myriam hatte mir noch ein Paket für die Brüder im Norden, die sich in den neuen Ländern niedergelassen haben, anvertraut und das wollte ich noch vor Einbruch der Dunkelheit dort abgeben.

Die Fahrt verlief zügig und ich erreichte mein Ziel; jeder Kilometer und jede Minute brachte mich zurück in die zeitweilig verdrängte Realität „der Welt da draußen“ – wie wir sie vom Kloster aus nannten.

Thüringen – der Ort, die Straße und das Haus waren schnell gefunden. Nach dem Läuten öffnete: „Oh Gott, Rübezahl“ - ein bärtiger Riese im Habit und versperrte die gesamte Eingangstür. Ich überreichte brav die Sendung nebst Grüßen von Schwester Myriam und den anderen ... und er schien froh zu sein, dass ich mich zugleich wieder verabschiedete; denn schnell, fast ein wenig zu schnell fiel die Pforte hinter ihm ins Schloss.

Ich setzte meinen Weg fort und als ich ein paar Tage später hinter dem wuchtigen Schreibtisch meiner Kanzlei thronte und in meinem schwarzen Maßgeschneiderten „mit Schlips und Kragen“ steckte, ahnten die Klienten nicht, dass ich barfuss war – barfuss mit Sandalen (vom Weg ins Paradies)...

Das alles mag nun schon gut zehn Jahre her sein und obgleich ich seither regelmäßig andere Klöster und Gemeinschaften besucht habe, erschien mir keines so wie dieses dort – in jener Zeit. Und so lenkte ich meine Schritte schon dreimal wieder zurück zu diesen Ort, der mich mit seiner einzigartigen Spiritualität eingenommen und nicht wenig geprägt hat.

Es mochten bereits einige Jahre vergangen sein, führte mich mein Weg eher spontan zurück zum Kloster. Ich hatte viel Zeit und hatte es wohl wieder einmal nötig, eine Auszeit zu nehmen.

Bereits aus der Ferne sah ich, dass sich einiges verändert hatte. Den Klostergarten umgab eine mächtige Zaunanlage und darinnen waren gläserne Gewächshäuser zu sehen – aber niemand der dort tätig war, wie wir seinerzeit.

Ich läutete und rätselte während die Glocke darinnen verstummte, welches von den vertrauten Gesichtern wohl öffnen und wie das Wiedersehen erfolgen würde.

Zu meiner größten Verwunderung versperrte nun dieser bärtige Riese im Habit die Pforte und ich dachte: „Oh Gott, Rübezahl – du hier und nicht mehr in Thüringen ?“

Er der mich mit Sicherheit nicht kannte und auch nicht wieder erkannte erklärte mir nun recht leidenschaftslos, dass zur Zeit niemand da sei und in den nächsten Wochen eine „geschlossene Zeit“ für den Konvent anstünde, so dass niemand aufgenommen werden könne.

Insgeheim ärgerte ich mich; ich hätte anrufen oder ein Telefax oder eine E-Mail senden können. Doch andererseits, wie ist das mit dem Apfel ? Da sein, wenn man gebraucht wird. Mir kamen plötzlich die Worte in den Sinn „Friede diesem Haus“ – aber ich war kein Ausgesandter, der den Anspruch unangekündigter Gastfreundschaft für sich geltend zu machen hatte – und „Was du dem geringsten unter deinen Brüdern getan hast – hast du für mich getan“ ... in diesem Moment fühlte ich mich, wie einer der geringsten Brüder.

Während ich so vor mich hin sann, erklärte er mir noch den Weg zu den zwei in der Nähe liegenden Einkehrhäuser anderer Orden, verabschiedete sich und schnell, wieder ein bisschen zu schnell fiel die Pforte hinter ihm ins Schloss.

Frustriert dachte ich nur, die Tür hat er wohl auch aus Thüringen mitgebracht ...

Ein anderes mal kam ich mit Bekannten auf einer Dienstreise am Ort vorbei und bat sie einen Abstecher zum Kloster zu machen. Es war Mittagszeit und so konnte diesmal niemand im Garten oder im Hof tätig sein. Auch läutete ich diesmal nicht, was hätte ich auch erklären sollen. Ich zeigten meinen Begleitern die Außenanlagen und die kleine Wallfahrtskirche, die geöffnet war. Als wir bereits aufbrechen wollten, fiel mir auf das neben der Kirche, am Eingang zur Krypta des Klosters das schmiedeeiserne Tor nicht verschlossen war und so gingen wir hinein – oder vielmehr hinunter. Ich entzündete ein paar Kerzen, die auf einem Tischchen bereit lagen und zeigte den Bekannten die in das Mauerwerk eingelassenen Gräber der Ordensbrüder – bis ich die beiden jüngsten Bestattungsstellen bemerkte: Engelbert und Adalbert. Eine tiefe Traurigkeit überfiel mich und ich bat meine Begleiter mich unverzüglich zu verlassen und in den Ort zurückzufahren, um mich im Gasthaus zu erwarten. „Den ganzen Weg zu Fuß ?“, fragte Volker der als unser Fahrer noch den umständlichen und kurvenreichen Weg bergauf im Kopf hatte. „Keine Sorge“, sagte ich: „ich bin in zehn Minuten bei Euch“.

Sie kannten natürlich nicht den Kreuzgang der unterhalb des Klosters schnurstracks zur Kirche im Ortskern führte.

Als ich mich still und betend von den beiden liebgewonnenen Greisen verabschiedet habe, war da neben der Trauer auch die Gewissheit, dass sie ihr Ziel erreicht haben und angekommen sind, „barfuss im Paradies“.

Beim dritten mal, es war noch gar nicht solange her, fand ich das gesamte Kloster und die Wallfahrtskirche, den Klostergarten und die Krypta verschlossen. Keiner öffnete auf mein Läuten, obwohl ich diesmal auf alles – sogar auf „Rübezahl“ vorbereitet war. Ausgeflogen ? Betriebsausflug ? Wieder „stille Zeit“ ? Ich weiß nicht.

Beim nächsten Mal werde ich mich brav telefonisch anmelden und wer weiß, vielleicht gibt es dann auch noch einen Apfel im Kloster ...
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Mariamante
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Registriert: Dienstag 20. April 2004, 00:04
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Anekdoten

Beitrag von Mariamante »

Anlässlich des Apfelerlebnisses kann ich mich nicht zurückhalten, einige Anekdoten aus der Glaubenswelt zu liefern:

kann."
Der Chefredakteur einer amerikanischen Zeitung war eines Tages knapp an Stoff. Um die Lücken zu füllen, ließ er kurzerhand die Zehn Gebote setzen und brachte sie ohne Kommentar in die Zeitung. Nach dem Erscheinen dieser Ausgabe erhielt der Chefredakteur einen Brief. Darin hieß es: " Streichen Sie mich bitte sofort von Ihrer Abonnentenliste: Sie werden mir zu persönlich."

Sehr viel positiver sieht das jener marokkanische Immigrant in Israel, der auf dem Baum eines fremden Gartens sitzt und sich an den Früchten gütlich gut. Als ihm ein Passant zuruft: "Es heißt in den Zehn Geboten : Du sollst nicht stehlen" ruft er entzückt aus: "Welch herrliches Land! Man bedient sich und hört dabei noch Worte der Heiligen Schrift."


Pater Stefan hat drei Buben erwischt. Statt in die Sonntagsmesse zu gehen treiben sie sich auf dem Fußballplatz herum. "Sagt mal, wollt ihr denn nicht in den Himmel kommen?" fragt er die Kirchenschwänzer. Zwei der drei wollten schon in den Himmel kommen, der dritte verneinte. " Und warum willst du nicht in den Himmel kommen, wenn du mal stirbst?" "Ach so, Herr Pater, Sie meinen, wenn ich sterbe? Ich dachte, Sie suchen welche für gleich!"

Ein alter Pfarrer hatte die Angewohnheit, seine Sonntagspredigt von einem vorbereiteten Manuskript abzulesen. Vor Beginn des Gottesdienstes mußte der Mesner ihm die Blätter auf die Kanzel bringen. Ob dieser eines Tages ein Blatt unterschlagen oder nur vergessen hatte, läßt sich nicht mehr feststellen. Jedenfalls kam der Pfarrer bis zu der Stelle: "Und da sprach Adam zur Eva..." dann fehlt der Anschluß. Zur allgemeinen Erheiterung hörte dann die Gemeinde durch die Mikrophonanlage das verzweifelte Murmeln des Pfarrers: "... da fehlt doch ein Blatt."
Gelobt sei Jesus Christus

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