Die Qual der Wahl

Klöster, Klerus, Laienschaft. Besondere Nachfolge.
Ralf

Die Qual der Wahl

Beitrag von Ralf »

Hallo.

Was ist Eurer Meinung nach entscheidender für die Wahl einer konkreten Gemeinschaft - das Ordensideal (oder wie man so schön bedeutungsschwanger sagt: "Charisma") oder die nackte Realität?

Ja, es soll Orden geben, bei denen da eine gewisse Diskrepanz auftaucht. ;)

Wie würdet Ihr das vielleicht in Prozenten ausdrücken?

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Gott redet zu dir in den Fakten deiner Geschichte, nicht in Ideen, Idealen und sonstigen Träumen und Schäumen.
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Edith
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Re: Die Qual der Wahl

Beitrag von Edith »

Ralf hat geschrieben:Hallo.

Was ist Eurer Meinung nach entscheidender für die Wahl einer konkreten Gemeinschaft - das Ordensideal (oder wie man so schön bedeutungsschwanger sagt: "Charisma") oder die nackte Realität?
Ja, es soll Orden geben, bei denen da eine gewisse Diskrepanz auftaucht. ;)
Wie würdet Ihr das vielleicht in Prozenten ausdrücken?
Diskrepanzen zwischen Ideal und Wirklichkeit gibt es überall - auch in Ehen.
Die nackte Realität muß man leben .... in der muß man sich also irgendwie "wohl fühlen".
Dennoch prägt das Ordensideal aber auch die Mitglieder und deren gelebte Realität. Und zwar ganz entscheidend.

Ralf

Beitrag von Ralf »

Wenn ich aber bspw.von einem Ordensgründer und dessen Leben total angezogen werde, im richtigen Leben aber nur Mittelmaß bis weit entfernt davon vorfinde, was soll ich tun?

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Erstens: nicht urteilen, sondern in den Spiegel schauen.
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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Zweitens: siehe oben …
Propter Sion non tacebo, | ſed ruinas Romę flebo, | quouſque juſtitia
rurſus nobis oriatur | et ut lampas accendatur | juſtus in eccleſia.

Ralf

Beitrag von Ralf »

Robert Ketelhohn hat geschrieben:Gott redet zu dir in den Fakten deiner Geschichte, nicht in Ideen, Idealen und sonstigen Träumen und Schäumen.
Das eine schließt das andere ja nicht aus. Oder hätte es sonst die ganzen großen Ordensreformen gegeben, den Ruf des Vat. II. "zurück zu den Quellen!"?

Übrigens ist nicht selten das Ideal eine konkrete Ordensregel, auf die die Profess (das Ordensversprechen) abgegeben wird...

Edith
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Beitrag von Edith »

Ralf hat geschrieben:Wenn ich aber bspw.von einem Ordensgründer und dessen Leben total angezogen werde, im richtigen Leben aber nur Mittelmaß bis weit entfernt davon vorfinde, was soll ich tun?
Ein Phänomen, das bei nicht wenigen Novizen aufkommt. :mrgreen:
Ein Ideal ist dafür da, einen "anzuspornen" und die Gemeinschaft ist sicher nicht böse, wenn das Ideal mit neuem Elan angestrebt wird, und der junge Novize ein paar "alte Hasen" neu anpornt.

Natürlich kannst Du Dich umsehen, wo Deinen Vorstellungen mehr entsprochen wird.... aber so ganz perfekt wird das nirgens sein. Wir sind eben alle Menschen.
Mit,.. und ohne Habit. ;)

Biggi
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Beitrag von Biggi »

Ralf hat geschrieben:Wenn ich aber bspw.von einem Ordensgründer und dessen Leben total angezogen werde, im richtigen Leben aber nur Mittelmaß bis weit entfernt davon vorfinde, was soll ich tun?
Robert hat geschrieben:Erstens: nicht urteilen, sondern in den Spiegel schauen.
Wenn das Mittelmaß als menschliche Schwäche und Unzulänglichkeit erkannt, bedauert und bekämpft wird – jeder primär bei sich selbst natürlich -, dann würde ich Robert Recht geben. Wenn es jedoch sozusagen systemimmanent ist und als Notwendigkeit und/oder Anpassung an die heutige Zeit etc. legitimiert wird, dann würde ich an deiner Stelle, Ralf, so lange suchen, bis ich eine Gemeinschaft/ein Kloster gefunden habe, das den Idealen zwar sicher nicht entspricht (wer schafft das schon?), sie aber zumindest nach Kräften anstrebt. Denn sich als Einzelner, und erst recht als Novize oder junger Ordensangehöriger der geballten Mittelmäßigkeit entgegen zu stemmen, ist nicht nur wahnsinnig schwer, sondern wahrscheinlich auch zum Scheitern verurteilt. Stell ich mir zumindest so vor, ohne da über eigene Erfahrungen zu verfügen.

LG
Biggi

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Robert Ketelhohn
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Beitrag von Robert Ketelhohn »

Gar keine Frage, daß es Klöster gibt, in denen prinzipielle Mißstände herrschen. Da soll man einen großen Bogen drum herum machen.
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Jojo
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Beitrag von Jojo »

Edith hat geschrieben:
Ralf hat geschrieben:Wenn ich aber bspw.von einem Ordensgründer und dessen Leben total angezogen werde, im richtigen Leben aber nur Mittelmaß bis weit entfernt davon vorfinde, was soll ich tun?
Ein Phänomen, das bei nicht wenigen Novizen aufkommt. :mrgreen:
Ein Ideal ist dafür da, einen "anzuspornen" und die Gemeinschaft ist sicher nicht böse, wenn das Ideal mit neuem Elan angestrebt wird, und der junge Novize ein paar "alte Hasen" neu anpornt.
Das mag theoretisch so sein, funktioniert aber praktisch nicht. hat nicht mal die große Theresa hinbekommen. Der blieb auch erstmal nichts anderes übrig als sich in ihrem Kloster, das damals nichts anderes war als eine recht komfortable Aufbewahrungsanstalt alleinstehender Frauen, anzupassen. Jahrelang, erst mit Ende dreißig kam die Wende. Denn: es gibt auch so etwas wie eine Art heilige Sturrheit. Irgendwann kann sich ein Weg auftun. Das müssen nicht so spektakuläre innere (Mystik) und äußere (Ordensneugründung) Reformen sein wie bei Theresa, die Praxis ist aber doch oft erstaunlich variantenreich.

Ralf

Beitrag von Ralf »

Eine Beispiel für ein Ordensreform, die aber dann - wie so oft - in einen neuen Orden endete (der mega-viel Nachwuchs hat) ist diese Gemeinschaft der

Franciscan Friars of The Renewal

Hier kan man ein wenig vom Anfang lesen, jetzt sind es schon fast 100 Brüder, hier alle weiteren Ausgaben des Infobriefes.

Es ist schade, wenn eine Reformbewegung unterdrückt wird. Nur selten ist es ja so, dass die Reformer alle anderen zu irgendetwas zwingen wollen, leider aber wird eine individuelle (oder kleingruppige) Authentizität nicht geduldet.

max72
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Beitrag von max72 »

Ralf hat geschrieben:Eine Beispiel für ein Ordensreform, die aber dann - wie so oft - in einen neuen Orden endete (der mega-viel Nachwuchs hat) ist diese Gemeinschaft der

Franciscan Friars of The Renewal
t.
Es mag damit zu tun haben, dass diese bei EWTN sehr bekannt sind und die show "life on the rock" machen.

Wenn man ein gewisses Bild von einer Sache hat, kann man sich leichter dazu entschliessen. Von vielen Kloestern weiss man absolut gar nichts. Robert redet davon einen Bogen um Gemeinschaften mit Problemen zu machen. Genau das eben merkt man wohl als Gast gar nicht und oft erst wenn man drin ist...

Mich wuerd's aber auch noch interessieren, wie man einen konkreten Ort fuer sich findet.

Gruesse

Max

Ralf

Beitrag von Ralf »

Oh, Max, ich sehe zwar (mangels Fernseher) EWTN nicht, aber die Internetseite suggeriert doch sehr, dass "life on the rock" nicht von dieser, sondern von einer anderen "extra für EWTN" gegründeten franziskanischen Gemeindschaft gemacht wird. Das nur nebenbei. Die Franciscan Friars of the renewal sind auch älter als EWTN, denke ich (Mitte 80er).

Wie findet man einen Ort? Nun, wie fondet man eine Person? Man trifft sie, man wird eben auch geführt, von Ihm.

max72
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Beitrag von max72 »

Ralf hat geschrieben:Oh, Max, ich sehe zwar (mangels Fernseher) EWTN nicht, aber die Internetseite suggeriert doch sehr, dass "life on the rock" nicht von dieser, sondern von einer anderen "extra für EWTN" gegründeten franziskanischen Gemeindschaft gemacht wird. Das nur nebenbei. Die Franciscan Friars of the renewal sind auch älter als EWTN, denke ich (Mitte 80er).

Wie findet man einen Ort? Nun, wie fondet man eine Person? Man trifft sie, man wird eben auch geführt, von Ihm.
Hm, Du hast wohl Recht. War so sicher, dass das die Fransiscan Friars of the Renewal waren. Auf EWTN finde ich aber "Franciscan Missionaries of the Eternal Word" ....

Gruss

max

max72
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Beitrag von max72 »

Ralf hat geschrieben: Wie findet man einen Ort? Nun, wie fondet man eine Person? Man trifft sie, man wird eben auch geführt, von Ihm.
Hi Ralf,

nun, wie findet man eine Person? Es gibt tatsaechlich Faelle, da geschieht es einfach. Aber fuer viele von uns ist das nicht die Realitaet.

Was machen wir dann? Wir rennen von einem date zum naechsten, bis es mal klappt. Heisst das, man besucht ein Kloster nach dem anderen bis man "die grosse Liebe" findet?

Ich kann nachvollziehen, wie es geschehen kann. Hier lernte ich unseren Karmel kenne und wurde mit ihm mehr und mehr vertraut. Der Ort bedeutet fuer mich sehr viel. Wenn ich eine Frau waere, waere das wohl so ein Ort bei dem ich in Versuchung geraten koennte...

Gruesse

Max

Jojo
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Beitrag von Jojo »

max72 hat geschrieben: Genau das eben merkt man wohl als Gast gar nicht und oft erst wenn man drin ist...
Genau, das ist immer so! :mrgreen:
Oder exakter: Man kriegt vielleicht irgendwelche Probleme schon mit. Aber garantiert nicht so, wie sie tatsächlich sind, bzw. das eigentliche Problem ist ganz woanders.
Ich denke, das Postulat auf Probe, wie es inzwischen weitgehend möglich ist, ist die optimalste Möglichkeit, sich einen Eindruck zu verschaffen.
Mich wuerd's aber auch noch interessieren, wie man einen konkreten Ort fuer sich findet.
Geht es um einen konkreten Ort innerhalb eines Ordens oder ist der Orden selbst auch noch offen?

Ralf

Beitrag von Ralf »

Ich muss Jojo Recht geben. Das halbe Jahr Mitleben (außer beim Konventskapitel überall dabei) bei den Franziskanern hat mir weitaus mehr Einblick mit allen Höhen und Tiefen gegeben als es ein halbes oder auch ganzes Jahr auf einwöchige Aufenthalte verteilt je hätte geben können.

Dazu muss ich auch sagen, dass dies eine Offenheit der Gemeinschaft voraussetzt und dies somit schon einmal ein positives Zeichen ist. Man stelle sich vor, ein Adoptionskind dürfe bei mehreren Eltern probewohnen und ein Paar bekommt dann den Zuschlag...
Zuletzt geändert von Ralf am Freitag 2. April 2004, 14:38, insgesamt 1-mal geändert.

max72
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Beitrag von max72 »

Jojo hat geschrieben:
Geht es um einen konkreten Ort innerhalb eines Ordens oder ist der Orden selbst auch noch offen?
Macht das einen Unterschied? Mir scheinen innerhalb eines Ordens oft grosse Unterschiede zu herrschen, manche liberaler, manche traditioneller, manche strenger, manche nicht.... Oder etwa nicht?

Und ganz abgesehen davon; die Frage ist ja immer noch an welchen Ort man selbst grad gerufen ist.

Gruesse

Max

Jojo
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Beitrag von Jojo »

max72 hat geschrieben: Macht das einen Unterschied? Mir scheinen innerhalb eines Ordens oft grosse Unterschiede zu herrschen, manche liberaler, manche traditioneller, manche strenger, manche nicht.... Oder etwa nicht?
Doch, natürlich. Aber an irgend einem Ende muss man ja anfangen zu suchen. Wenn dir z.B. dieses Karmel-Kloster gefallen hat, könnten ja die nächsten beiden Fragen sein, ob das eher anziehend ist, weil streng-kontemplative, dann wird es wohl nichts bringen, sich als nächstes eine Jesuitenniederlassung anzuschauen ist, oder ob es irgend etwas Karmelspezifisches ist, dann macht es durchaus Sinn, sich beim männlichen Zweig umzuschauen, der sich ja bekanntlich nicht hinter strenge Klausurtüren zurückzieht.
Und den dritten Aspekt sollte man ja auch nicht ganz aus dem Blick nehmen und ggf. auch zugeben: mir hat es z.B. als Feriengast im Frauenkloster auch immer ausnehmend gut gefallen. Einfach, weil man dort wirklich herzlich umsorgt wird, und wem gefällt das nicht :)

max72
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Beitrag von max72 »

Hi Jojo,

gerade der Karmel ist ein gutes Beispiel. In Suedschweden gibt es ein paar Brueder, die streng-kontemplativ, wie die meisten Nonnen, leben. IN Deutschland hoerte ich von welchen die abends Bier trinken gehen oder vor dem Fernseher sitzen und Chips futtern... Selbst bei den Frauen gibt es streng traditionelle, oder welche die zB gar keine Ordenstracht mehr tragen. (Ein Bruder aus Suedschweden sagte mir, die einzige europaeische Provinz die Nachwuchs hat sei eine in Frankreich, die ganz traditionell lebe. Das so nebenbei....)

Benediktiner/Zisterzienser sind vielleicht aehnlicher untereinander.... In Schottland gibt's welche die sehr streng leben, eher wie Trappisten.

Generell scheinen ja die strengeren Plaetze seltener zu sein. Und nach dem was ich hoere, sind fast nur die strengeren am Wachsen. Nun ja, um Fernsehzugucken und Chips zu futtern muss man nicht Moench werden...

Gruesse

Max

Ralf

Beitrag von Ralf »

Bevor der Thread einschläft, wollte ich (auch angesichts einer kleinen Offenbarung eines Forumianers ;D ) noch einmal was dazu schreiben.

Im angelsächsischen Bereich wird meines Wissens beim Thema Ordensleben schon gar nicht mehr von notwendigen grundlegenden Reformen gesprochen, sondern von einer Wieder-Gründung, einer Re-Foundation.

Gerade habe ich erstaunt festgestellt, da sich das schon bis Europa herumgesprochen hat, dann noch bei einem der größten Männerorden weltweit, den OFM (siehe hier den Vortrag des Ordensoberen, heißt bei den Franziskanern "oberster Diener", also Generalminister).

Nun geht so eine Bewegung, wenn sie Erfolg haben soll, wirklich nur von unten. Ein "trickle-down" kommt unten nicht an.

mal
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Registriert: Mittwoch 29. Oktober 2003, 22:25

Beitrag von mal »

Was ist denn ein trickle-down???
Pax et Bonum
mal
Ein Heiliger ist ein Mensch im Vollbesitz seiner Menschlichkeit. Thomas Merton

Ralf

Beitrag von Ralf »

Das habe ich mal in SoWi in der Schule gelernt, man meint damit eine Umverteilung von oben nach unten bzw. man gibt "denen da oben" was und vermutet (hofft), dass es unten bei den Ärmeren ankommt.
Schien mir passend.
:roll:

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