Wer ist noch katholisch?

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Florianklaus
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Wer ist noch katholisch?

Beitrag von Florianklaus »

In letzter Zeit sind mir einige Gedanken und Fragen in den Sinn gekommen, die ich hier einmal zur Diskussion stellen möchte. Ich entschuldige mich ausdrücklich schon jetzt für die völlig fehlende Systematik und Übersichtlichkeit.

Befindet sich die deutsche Kirche in einem materiellen Schisma?
Sind Wisikis und KvUs eigentlich noch katholisch, auch wenn Sie ausdrücklich kein Dogma leugnen, aber alle Wahrheiten sozusagen interpretatorisch aushöhlen?
Ist letztlich der Wille entscheidend, zu glauben, was die Kirche glaubt?
Welcher Grad an Zustimmung ist zu Dogmen erforderlich? Wie weit darf man zweifeln? Kommt es auch darauf an, was sich der Einzelne unter einem Dogma vorstellt (Beispiel: Jemand versteht die päpstliche Unfehlbarkeit so, daß diese auch für Enzykliken gilt und verwirft daher das Dogma, ohne sich zu überlegen, ob er es in der korrekten Auslegung annimmt)?
Ist jemand, der trotz Kenntnis von "ordinatio sacerdotalis" noch für die Frauenweihe ist, ein Häretiker? Kommt es hierbei auf das forum internum oder externum an?
Gibt es eigentlich eine Art "Minimum" das ein Katholik positiv wissen und glauben muß? Wie ist es mit geistig Behinderten?
Kann man jemandem, der katholisch sein und bleiben will, aber trotzdem Irrlehren verbreitet, das katholisch-sein überhaupt absprechen? Wie sieht das kirchenrechtlich aus?

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Protasius
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Re: Wer ist noch katholisch?

Beitrag von Protasius »

Ein Minimum gibt es:
Gröteken: Die Heilslehre der katholischen Kirche, Freiburg i. Br. 1880 hat geschrieben:Das Nothwendigste also, was Jeder wissen muß, ist dieses: daß Gott ist und daß er die Seinigen belohnen wird. Ohne dieß zu wissen und zu glauben, kann Keiner, der zu den Jahren der Vernunft gelangt ist, selig werden, kann also auch Niemand das Bußsacrament gültig empfangen. Ferner muß jeder, wenigstens nach göttlichem Gebote, die Geheimnisse der heiligsten Dreifaltigkeit und der Menschwerdung des Sohnes Gottes kennen.
Außerderm ist für Jeden geboten, zu kennen den Inhalt des Gebetes des Herrn, des apostolischen Glaubensbekenntnisses und der zehn Gebote Gottes, und zum mindesten die nothwendigsten Sacramente, nämlich die Taufe, die Buße und das heilige Sacrament des Altars; auch die übrigen Sacramente muß er kennen, wenn er sie empfangen soll. Ja, diese Gebete und Glaubensstücke soll auch jeder Christ wörtlich auswendig wissen.
Dieß ist das Allernotwendigste, was so eben hinreicht für Den, der durchaus nicht mehr leisten kann.
Das kann man aus dem Dekalog und dem Athanasianum herleiten.
Zur Zustimmung zu Dogmen:
I. Vatikanum, Sess. 3, cap. 3 hat geschrieben:Es ist mit göttlichem und katholischem Glauben alles dasjenige zu glauben, was in dem geschriebenen oder überlieferten Gottesworte enthalten ist und von der Kirche, sei es durch feierliches Urtheil, sei es durch das ordentliche und allgemeine Lehramt, als von Gott Geoffenbartes zu glauben vorgestellt wird.
Der so genannte ‚Geist’ des Konzils ist keine autoritative Interpretation. Er ist ein Geist oder Dämon, der exorziert werden muss, wenn wir mit der Arbeit des Herrn weiter machen wollen. – Ralph Walker Nickless, Bischof von Sioux City, Iowa, 2009

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Marion
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Re: Wer ist noch katholisch?

Beitrag von Marion »

Florianklaus hat geschrieben:Kann man jemandem, der katholisch sein und bleiben will, aber trotzdem Irrlehren verbreitet, das katholisch-sein überhaupt absprechen?
Irrlehren und somit auch Irrlehrer erkennen, anklagen und zurechtweisen kann und soll man sicherlich. Das "katholisch sein" absprechen (also richten) aber nicht. Dazu braucht es eine höhere Instanz. Durch Irren allein (ohne daß ihn eine Autorität zurechtweist) wird wohl niemand das "katholisch sein" verlieren. Im Herzen vielleicht schon, aber da kann ja eh keiner reinkucken, sodaß das einer feststellen könnte. Ich mein das formelle "katholisch sein".

Deine Fragen sind interessant. Ich bin gespannt auf weitere Antworten aus kirchlichen Dokumenten.
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Pelikan
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Re: Wer ist noch katholisch?

Beitrag von Pelikan »

Katholisch ist, wer in die katholische Kirche getauft oder in sie aufgenommen worden ist. ("Semel catholicus, semper catholicus", vgl. can. 11)
Florianklaus hat geschrieben:Befindet sich die deutsche Kirche in einem materiellen Schisma?
Es gibt keine deutsche Kirche. Es gibt Ortskirchen in Deutschland, von denen wiederum keine als Kirche die Unterordnung unter den Papst verweigert. Mithin gibt es lediglich vereinzelte Schismatiker.
Sind Wisikis und KvUs eigentlich noch katholisch, auch wenn Sie ausdrücklich kein Dogma leugnen, aber alle Wahrheiten sozusagen interpretatorisch aushöhlen?
Einmal katholisch, immer katholisch. Der Terminus eignet sich nicht für die rechtliche Bewertung von Vergehen gegen den Glauben oder die Kirche.
Ist letztlich der Wille entscheidend, zu glauben, was die Kirche glaubt?
Hinreichend ist er jedenfalls nicht.
Welcher Grad an Zustimmung ist zu Dogmen erforderlich?
Der theologische, d.h. göttliche, Glaube (vgl. can. 750 §1).
Wie weit darf man zweifeln?
Jeder Zweifel ist häretisch, wenn er berharrlich ist. (vgl. can. 751)
Kommt es auch darauf an, was sich der Einzelne unter einem Dogma vorstellt (Beispiel: Jemand versteht die päpstliche Unfehlbarkeit so, daß diese auch für Enzykliken gilt und verwirft daher das Dogma, ohne sich zu überlegen, ob er es in der korrekten Auslegung annimmt)?
Er hätte dann ja keine tatsächliche dogmatische Definition verworfen, sondern nur seine Phantasie einer solchen. Er bleibt verpflichtet, die tatsächlichen Definitionen zur Kenntnis zu nehmen (vgl. can. 754).
Ist jemand, der trotz Kenntnis von "ordinatio sacerdotalis" noch für die Frauenweihe ist, ein Häretiker?
Nein, weil diese Wahrheit zur Zeit nicht kraft göttlichen Glaubens zu glauben ist. Sie ist bisher nur vom kirchlichen Lehramt endgültig vorgelegt. Mithin sind Zweifler nicht wegen Häresie (can. 1364 §1) zu bestrafen, sondern wegen Leugnung einer Glaubenswahrheit (can. 1371 §1.)
Gibt es eigentlich eine Art "Minimum" das ein Katholik positiv wissen und glauben muß? Wie ist es mit geistig Behinderten?
Oder mit frisch getauften Neugeborenen? Die sind natürlich auch katholisch, ohne daß ihnen daraus Verpflichtungen erwachsen. Wer nichts hat, von dem ist auch nichts zu fordern. Das Kirchenrecht setzt Vernunftgebrauch und Vollendung des 7. Jahres voraus (can. 11).
Kann man jemandem, der katholisch sein und bleiben will, aber trotzdem Irrlehren verbreitet, das katholisch-sein überhaupt absprechen? Wie sieht das kirchenrechtlich aus?
Die einzige ernstzunehmende Schwierigkeit, diese Frage klar zu verneinen, lag im "Akt des formalen Abfalls von der Kirche", den das Recht bis 2009 vorsah, und der nun dank Papst Benedikt gestrichen ist.

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Marion
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Re: Wer ist noch katholisch?

Beitrag von Marion »

Pelikan hat geschrieben:Katholisch ist, wer in die katholische Kirche getauft [...] worden ist. ("Semel catholicus, semper catholicus", vgl. can. 11)
[...]
Einmal katholisch, immer katholisch. Der Terminus eignet sich nicht für die rechtliche Bewertung von Vergehen gegen den Glauben oder die Kirche.
Also ist eigentlich jeder Getaufte nun Katholisch, auch Protestanten und Orthodoxe? Man kann ja gar nicht wo anders als in die katholische Kirche getauft werden. Oder seh ich da was falsch?
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Juergen
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Re: Wer ist noch katholisch?

Beitrag von Juergen »

Marion hat geschrieben:
Pelikan hat geschrieben:Katholisch ist, wer in die katholische Kirche getauft [...] worden ist. ("Semel catholicus, semper catholicus", vgl. can. 11)
[...]
Einmal katholisch, immer katholisch. Der Terminus eignet sich nicht für die rechtliche Bewertung von Vergehen gegen den Glauben oder die Kirche.
Also ist eigentlich jeder Getaufte nun Katholisch, auch Protestanten und Orthodoxe? Man kann ja gar nicht wo anders als in die katholische Kirche getauft werden. Oder seh ich da was falsch?
Das läßt sich nicht in zwei Worten beantworten. Zudem hat sich das Verständnis darüber geändert.

Das hatten wir schonmal dort: http://www.kreuzgang.org/viewtopic.php?f=1&t=3778



Irgendwo hatte ich vor rund 9 Jahren das geschrieben:
Wer gehört wie zur Kirche?
Mit der Taufe wird jemand Mitglied der Kirche. Diese Aussage ist allgemeiner Konsens und es wurde wohl nie daran gezweifelt, daß jemand, der in der Kirche die Taufe empfangen hat, auch Mitglieder der Kirche ist. Die Taufe war die Bedingung zur Aufnahme in die Kirche.
Die Frage ist nun, ob jeder Getaufte Mitglied der katholischen Kirche ist. Was ist etwa mit den getauften Häretikern? - Was mit den von Häretikern getauften? Sie werden, wenn sie um die Aufnahme in die Kirche bitten, ja nicht noch einmal getauft. Bleibt aber dennoch die Frage, ob sie mit der Taufe nicht schon - in gewisser Weise - Glieder der Kirche waren.

Der CIC von 1917 und Enzyklika Mystici Corporis Christi Pius' XII. von 1943.
An der Frage der um die Kichengliedschaft ist - vor dem II. Vatikanischen Konzil - ein Streit entbrannt: auf er einen Seite stand eine kanonistische Traditionslinie auf der anderen Seite eine apologetische Traditionslinie.
Der CIC von 1917 definiert die Zugehörigkeit zur Kirche durch den Begriff des Personseins in der Kirche. Nach Canon 87 wird durch die Taufe jemand Person in der Kirche. Er wird Träger von Rechten und Pflichten. Dem Wortlaute nach gehören alle Getauften der katholischen Kirche an. Alle getauften sind den Gesetzen der katholischen Kirche unterworfen (vgl. c. 12). Es ist - rein rechtlich gesprochen - einzig und allein das Taufgeschehen, das die Zugehörigkeit zur Katholischen Kirche begründet.
Auf der anderen Seite spricht die Enzyklika Mystici Corporis Christi Pius' XII aus dem Jahre 1943 statt von Person in der Kirche von einer Gliedschaft in der Kirche. An diesen beiden Termini (Person und Gliedschaft), und der Frage, wie sie zu verstehen sind, fand eine Auseinandersetzung zwischen zwischen Fundamentaltheologen - hier Karl Rahner - und Kanonisten, wie etwa Klaus Mörsdorf statt.
Karl Rahner vertritt eher die apologetische Traditionslinie. Er stellt in einem Aufsatz aus dem Jahre 1968 fest, daß der Begriff Kirche und vor allem der Begriff der Kirchenzugehörigkeit weder im allgemeinen Bewußtsein noch in der Theologie klar festgelegt sind. Auf der einen Seite steht die Dogmatik bzw. Fundamentaltheologie (Ekklesiologie) auf der anderen Seite die Kanonistik. Mit dem Begriff Kirche verbinden wir im allgemeinen die römisch-katholische Kirche, die sich auch als äußere, sichtbar organisierte Gesellschaft unter dem römischen Bischof, als von Christus gestiftet weiß. Die Kirche ist - nach Leo XIII in Satis cognitum (1896) - eine sichtbare und eine unsichtbare Größe, entsprechend der gottmenschlichen Natur Christi. Sie ist eine rechtlich organisierte sichtbare Gesellschaft und eine innere Gemeinschaft in Christus durch den Hl. Geist mit dem Vater.
Die Sichtbarkeit und die sichtbare Einheit der Kirche werden durch die sakramentale Gewalt und rechtliche Gewalt der Kirche konstituiert. Somit gehört, nach Rahner, "jeder und nur der als Glied zur Kirche, der diesen beiden Gewalten sichtbar, daß heißt öffentlichrechtlich unterworfen ist."
Die Taufe ist zwar der Zugang zur Kirche. Doch stellt sich die Frage, ob ein Getaufter, immer Mitglied der Kirche bleibt. - Es ist Lehre der Kirche, daß es möglich sein kann, daß Getaufte, die öffentlich durch Schisma oder Häresie gegen die Kirche Stellung genommen haben, trotz der empfangenen Taufe nicht mehr Glieder der Kirche sind. Schon das Konzil von Florenz (1442) betrachtet Häretiker und Schismatiker als außerhalb der Kirche befindlich. Sie gehören also nicht gliedhaft zur sichtbaren Kirche. Dies betrifft aber nur die, die öffentlich Stellung bezogen haben. Die Frage nach der Zugehörigkeit ist auf jeden Fall nicht zu identifizieren mit der Frage nach den Bedingungen des inneren, persönlichen Glaubensvollzuges.
Auf der Seite der Kanonisten tritt MÖRSDORF hervor. In verschiedenen Aufsätzen und auch in seinem Lehrbuch des Kirchenrechts unterscheidet er zwischen einer konstitutionellen Gliedschaft, die durch die Taufe erworben wird und einer tätigen Gliedschaft. Durch Häresie und Schisma bleibt die konstitutionelle Gliedschaft zur Kirche bestehen, während jedoch ihre Rechte beschnitten werden.
Diese Ansicht ist nach RAHNER aber Fundamentaltheologisch und Dogmatisch nicht haltbar. Die Kirche wäre dann nämlich gleichzusetzen mit allen Getauften. Sie wäre konsequenter Weise die Summe aller christlichen Konfessionen. Diese Ansicht aber sei schon früher ausdrücklich abgelehnt worden.
Winfried AYMANS spricht sich 1973 für die Ansicht MÖRSDORFS aus. Er sagt: "Man geht nicht fehl, wenn man in c. 87 eine grundlegende Aussage über die Einheit der Kirche sieht. Dieser Kanon reicht über die Konfessionsgrenzen hinaus. Das zugrundeliegende Kirchenbild ist nicht das einer Konfessionskirche, die jenseits ihrer Grenzen nicht für sie selbst Relevantes mehr feststellen könnte. Wenn man die Aussage des c. 87, so wie sie da steht, ernst nimmt, besagt sie, daß die Kirche Jesu Christi - jedenfalls prinzipiell -nicht nur von den katholischen Christen gebildet wird, sondern vielmehr von allen Getauften." Somit löst der CIC/1917 "die Kirchenfrage dadurch, daß er theologisch die ganze Christenheit als katholische Kirche betrachtet, in der aber weite Teile von der aktiven Kirchengemeinschaft ausgeschossen sind."
In der Enzyklia Mystici Corporis Christi folgt 1943 Papst Pius XII in weiten Teilen der Sicht von Robert BALLARMIN (1542-1621) und vertritt (meiner Meinung nach - gegen Aymans) eine apologetische Position. BELLARMIN betonte gegenüber den Reformatoren die Sichtbarkeit der Kirche. Winfried AYMANS faßt die Kirchendefinition so zusammen: BELLARMIN "definiert die Kirche als die durch das Bekenntnis des gleichen christlichen Glaubens und die Gemeinschaft der gleichen Sakramente geeinte Sammlung von Menschen, die unter der Leitung der rechtmäßigen Hirten und besonders des einzigen Stellvertreters Christi auf Erden, des Papstes, steht."
Die Enzyklika selbst folgt dieser Definition und knüpft die Gliedschaft an drei Bedingungen.
"…Zu den Gliedern der Kirche sind aber in Wirklichkeit nur die zu zählen, die das Bad der Wiedergeburt empfangen haben und den wahren Glauben bekennen, die sich nicht selbst beklagenswerterweise vom Gefüge des Leibes getrennt haben oder wegen schwerster Vergehen von der rechtmäßigen Autorität abgesondert wurden. »Denn in einem Geiste - so sagt der Apostel - sind wir alle zu einem Leib getauft, ob Juden oder Heiden, ob Sklaven oder Freie« [1Kor 12,13]."
Glied der Kirche ist demnach:
1. der Getaufte;
2. der den wahren Glauben bekennt;
3. derjenige, der nicht vom Verband der kirchlichen Körperschaft getrennt ist.
Negativ ausgedrückt: Nicht zur Kirche gehören Ungetaufte, diejenigen die vom Glauben abweichen oder die kirchliche Autorität bzw. Hierarchie ablehnen.
Es scheint, daß Papst Pius XII mit dieser Aussage eher der apologetischen Traditionslinie gefolgt ist [Aymans ist jedoch nicht dieser Ansicht].
Um es auf zwei Kurzformeln (nach Peter Krämer) zu bringen:
CIC/1917: Kirche Christi = katholische Kirche = alle Getauften
Mystici Corporis Christi: Kirche Christi = katholische Kirche = alle Getauften, die sich zur katholischen Kirche und ihre Autoritäten bekennen.

Das II. Vatikanische Konzil und der CIC/1983
(Hier zu beachten: Lumen Gentium (LG 8; 14; 15) / Unitatis redintegratio (UR 3; 22) / Dignitas Humanae (DH 2; 9; 1))
Das zweite Vatikanische Konzil macht sowohl gegenüber der apologetischen als auch gegenüber der kanonistischen Traditionslinie eine Zäsur: Es hebt die Gleichsetzung der Kirche Christi mit der katholischen Kirche auf.
Nach LG 8 ist die Kirche Christi "ist verwirklicht in der Katholischen Kirche, die vom Nachfolger Petri und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird." Die Katholische Kirche wird hier also nicht mit der Kirche Christi gleichgesetzt. In LG ist das ist (est) durch ein verwirklicht (subsistit) ersetzt worden.
Nach der Kirchenkonstitution werden jene "der Gemeinschaft der Kirche voll eingegliedert, die, im Besitze des Geistes Christi, ihre ganze Ordnung und alle in ihr eingerichteten Heilsmittel annehmen und in ihrem sichtbaren Verband mit Christus, der sie durch den Papst und die Bischöfe leitet, verbunden sind, und dies durch die Bande des Glaubensbekenntnisses, der Sakramente und der kirchlichen Leitung und Gemeinschaft" (LG 14). Die Kirchenkonstitution folgt hier eindeutig der Theologie BELLARMINS und der von Mystici corporis Christi.
Gegenüber der apologetischen Traditionslinie lehrt das Konzil in LG 15, daß es sich mit allen verbunden weiß, "die durch die Taufe der Ehre des Christennamens teilhaft sind, den vollen Glauben aber nicht bekennen oder die Einheit der Gemeinschaft unter dem Nachfolger Petri nicht wahren". Ferner erklärt es im Dekret über den Ökumenismus (Unitas Redintegratio), daß alle Getauften "in einer gewissen, wenn auch nicht vollkommenen Gemeinschaft mit der katholischen Kirche" stehen (UR 3). Das Konzil erkennt weiter kirchenbildende Elemente auch außerhalb der katholischen Kirche an (LG 14: Taufe, andere Sakramente, Episkopat, Verehrung der Jungfrau Maria, u.a.).
Gegen die kanonistische Traditionslinie weist das II. Vatikanum in der Erklärung zur Religionsfreiheit (Dignitatis Humanae) darauf hin, daß nichtkatholische Christen durch die katholische Kirche nicht vereinahmt werden dürfen (DH 2; 9; vor allem in 1).
[Fazit:] Das Konzil hat zu einem dynamischen Verständnis der Kirchenzugehörigkeit geführt. Es versucht einen Ausgleich zwischen den beiden extremen Positionen der kanonistischen und der apologetischen Traditionslinie.
Es folgt jenen Überlieferungen, wonach die Taufe anfanghaft und zugleich unwiderruflich in die Kirche eingliedert. Hiermit wird die andere Überlieferung verknüpft, die auf die Entfaltung der Kirchengliedschaft gerichtet ist: Eben die oben genannte Aussage aus LG 14. Mit dieser Aussage wollte das Konzil zum Ausdruck bringen, daß die Zugehörigkeit zur Kirche verschiedene Stufen aufweist.
Dabei hat LG 14 die traditionelle Lehre um den Zusatz über den Besitz des Geistes Christi erweitert. Hiermit wird kein viertes Element der Kirchenzugehörigkeit eingeführt, sondern ein dynamisches Prinzip, das die drei anderen Elemente umgreift und durchdringt [so Krämer].
Der CIC/1983 folgt, auch wenn er keine eigene Ekklesiologie darlegt, in der Einschätzung der Kirchengliedschaft weitestgehend dem II. Vatikanischen Konzil.

In der Kurzformel
Vatikanum: Kirche Christi : in der katholische Kirche verwirklicht = alle Getauften, die - im Besitze des Geistes Christi - sich zur katholischen Kirche und ihre Autoritäten bekennen.
CIC/1983: In der Kurzformel: Kirche Christi : in der katholische Kirche verwirklicht = alle Getauften, die in Glaubensbekenntnis, Sakrament und kirchlicher Leitung mit der kath. Kirche verbunden sind (c. 25).
Mit diesen Definitionen wird klar, wer zur katholischen Kirche gehört. Unklar bleibt, welcher Ecclesia sui iuris der getaufte Christ angehört.
Totgelabert? Na dann ist ja gut :pfeif:
Gruß Jürgen

Dieser Beitrag kann unter Umständen Spuren von Satire, Ironie und ähnlich schwer Verdaulichem enthalten. Er ist nicht für jedermann geeignet, insbesondere nicht für Humorallergiker. Das Lesen erfolgt auf eigene Gefahr.
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lifestylekatholik
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Re: Wer ist noch katholisch?

Beitrag von lifestylekatholik »

Juergen hat geschrieben:Nach LG 8 ist die Kirche Christi "ist verwirklicht in der Katholischen Kirche, die vom Nachfolger Petri und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird." Die Katholische Kirche wird hier also nicht mit der Kirche Christi gleichgesetzt.
Der zweite Satz ist eine kontrovers diskutierte Interpretation. Andere Interpretationen werden vertreten. Das sollte man der Ehrlichkeit halber dazusagen.
»Was muß man denn in der Kirche ›machen‹? In den Gottesdienſt gehen und beten reicht doch.«

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Marion
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Re: Wer ist noch katholisch?

Beitrag von Marion »

Juergen hat geschrieben:Totgelabert? Na dann ist ja gut :pfeif:
Hast nicht totgelabert, so schön kompakt hab ich das noch nirgends gesehen.


Hier hab ich auch was gefunden:
römischer Katechismus hat geschrieben:Welche sind in den Gränzen der streitenden Kirche nicht mitbegriffen?

Von der streitenden Kirche werden nur drei Gattungen Menschen ausgeschlossen 1) die Ungläubigen 2) die Ketzer und Schismatiker 3) die Excommunicirten.
Die Heiden weil sie nie Glieder der Kirche waren und sie nie erkannten, und in der Gesellschaft der Christen nie Theil hatten an den Sacramenten. Die Ketzer und Schismatiker weil sie von der Kirche abfielen, denn diese gehören so wenig mehr zur Kirche, als die Überläufer zu jenem Heere von dem sie entflohen sind. Doch kann man nicht läugnen sie stehen unter der Gewalt der Kirche, so zwar, daß sie vor ihr Gericht gefordert, gestraft und mit dem Bannfluche belegt werden können. Endlich die Excommunicirten, weil sie durch das Urtheil der Kirche von ihr ausgestoßen so lange zu ihrer Gemeinschaft nicht mehr gehören bis sie sich bessern. Daß die übrigen wenn sie gleich böse und lasterhaft sind noch zur Gemeinschaft der Kirche gehören, daran darf man nicht zweifeln und darum muß man das Volk stets belehren, daß wenn auch etwa die Vorsteher der Kirche ein sündhaftes Leben führen, sie dennoch Mitglieder der Kirche seien und ,daß deßwegen von ihrer Gewalt ihnen nichts entzogen werde.
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Re: Wer ist noch katholisch?

Beitrag von Pilgerer »

Hier gibt es ein klassisches Dilemma. Wem muss ein Katholik mehr gehorchen: dem Katechismus oder dem Bischof? Ist ein Laie befugt, über seinen Bischof (ob liberal, konservativ oder sonstwas) zu urteilen?
10 Die Erlösten des HERRN werden wiederkommen und nach Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen. (Jesaja 35,10)

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Re: Wer ist noch katholisch?

Beitrag von ChrisCross »

Pilgerer hat geschrieben:Hier gibt es ein klassisches Dilemma. Wem muss ein Katholik mehr gehorchen: dem Katechismus oder dem Bischof? Ist ein Laie befugt, über seinen Bischof (ob liberal, konservativ oder sonstwas) zu urteilen?
Der Katholik muss Gott mehrgehorchen als den Menschen. Wenn der Katechismus bzw die Lehre derKirche vom Heiligen Geist als wahr deklariert werden, muss er eben so Gott gehorchen.
Tu excitas, ut laudare te delectet, quia fecisti nos ad te et inquietum est cor nostrum, donec requiescat in te.
Augustinus Conf. I. 1

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Marion
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Re: Wer ist noch katholisch?

Beitrag von Marion »

lifestylekatholik hat geschrieben:
Juergen hat geschrieben:Nach LG 8 ist die Kirche Christi "ist verwirklicht in der Katholischen Kirche, die vom Nachfolger Petri und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird." Die Katholische Kirche wird hier also nicht mit der Kirche Christi gleichgesetzt.
Der zweite Satz ist eine kontrovers diskutierte Interpretation. Andere Interpretationen werden vertreten. Das sollte man der Ehrlichkeit halber dazusagen.
Welcher maßgebliche interpretiert denn das subsistit so, daß mit diesem Begriff die Katholische Kirche (früher auch noch römisch genannt) gleichgesetzt ist mit der Kirche Christi? Da wird zwar tatsächlich viel rumgeeiert, aber eine einfache Interpretation subsistit bedeute genau das gleiche wie ist das gleiche wie hab ich bisher nicht gehört.


aus dem Buch Pfarrer Hans Milch - Eine große Stimme des katholischen Glaubens
J. Auer, J. Ratzinger kommentieren das subsistit in ecclesia catholica ("Kleine Katholische Dogmatik", Band VIII, Regensburg 1983, S. 291.) wie folgt:
"Das 2. Vaticanum ersetzt die Identifizierung der ´ römischen Kirche´ mit der ´ Kirche schlechthin´ durch die Aussage, daß in der ´ katholischen´ (nicht mehr römisch genannten) Kirche, ... die wahre und ganze Weltkirche ´ subsistiere´ , d. h. daß in dieser Kirche die wahre Kirche sicher zu finden sei, was jedoch nicht sagt, daß sie in anderen Kirchen, ... nicht auch präsent sei."
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lifestylekatholik
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Re: Wer ist noch katholisch?

Beitrag von lifestylekatholik »

Marion hat geschrieben:Da wird zwar tatsächlich viel rumgeeiert, aber eine einfache Interpretation subsistit bedeute genau das gleiche wie ist das gleiche wie hab ich bisher nicht gehört.
Ich schon, aber ich müsste suchen.

Genauer gesagt: Selbstverständlich bedeutet es nicht genau das gleich, sondern legt noch viel mehr Nachdruck hinein.
»Was muß man denn in der Kirche ›machen‹? In den Gottesdienſt gehen und beten reicht doch.«

Bruder Donald

Re: Wer ist noch katholisch?

Beitrag von Bruder Donald »

Gero P. Weishaupt beantwortet die Frage, ob jemand, der das Verbot der Frauenordination in Zweifel zieht bzw. ablehnt, ein Häretiker ist:

„Wer die in Ordinatio Sacerdotalis vorgelegte Lehre immer wieder zur Diskussion stellt“
Angewandt auf das Apostolische Scheiben Ordinatio sacerdotalis mit seiner als unfehlbar, definitiv und unveränderlich verkündeten Lehre über den Ausschluss der Frau vom Priestertum: Diese Glaubenslehre gehört zu den Sekundärwahrheiten (siehe oben). Es ist ein Quasi-Dogma, also ein Dogma im weiten, uneigentlichen Sinne, verkündet vom Papst in Ausübung seines ordentlichen und allgemeinen Lehramtes. Wer diese Lehre beharrlich leugnet oder beharrlich in Zweifel zieht, ist noch keine Häretiker, gleichwohl denkt er häretisch. Die Sanktion wäre folglich die nach can. 1371, 1°. Der Delinquent ist also nicht automatisch exkommuniziert, kann aber nach vorheriger Warnung exkommuniziert werden oder je nach Fall mit einer anderen gerechten Strafe durch Dekret des Bischofs oder Urteil eines Kirchengerichtes belegt werden.

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Siard
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Re: Wer ist noch katholisch?

Beitrag von Siard »

Bruder Donald hat geschrieben:
Mittwoch 2. Juni 2021, 20:57
Gero P. Weishaupt beantwortet die Frage, ob jemand, der das Verbot der Frauenordination in Zweifel zieht bzw. ablehnt, ein Häretiker ist:

„Wer die in Ordinatio Sacerdotalis vorgelegte Lehre immer wieder zur Diskussion stellt“
[…]
Also stellt die Leugnung kein relevantes Problem dar. :ikb_holiday:

Bruder Donald

Re: Wer ist noch katholisch?

Beitrag von Bruder Donald »

Siard hat geschrieben:
Mittwoch 2. Juni 2021, 21:03
Also stellt die Leugnung kein relevantes Problem dar. :ikb_holiday:
Wieso? Weil es nicht sofort mit der Exkommunikation geahndet wird?

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Siard
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Re: Wer ist noch katholisch?

Beitrag von Siard »

Bruder Donald hat geschrieben:
Mittwoch 2. Juni 2021, 21:06
Siard hat geschrieben:
Mittwoch 2. Juni 2021, 21:03
Also stellt die Leugnung kein relevantes Problem dar. :ikb_holiday:
Wieso? Weil es nicht sofort mit der Exkommunikation geahndet wird?
Weil sie dann gar nicht geahndet wird.

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