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Re: Lügen - wann erlaubt?... Widerspruch zum Katechismus?

Verfasst: Samstag 16. April 2011, 00:05
von Kirchenjahr
Sempre hat geschrieben:Ich kenne keine östlich-Orthodoxen Lehren zum Thema und weiß auch von keinem Streit zwischen Robert und Berolinensis. Robert und Berolinensis verwerfen beide die Lüge als ausnahmslos unzulässig.
Ok, Streit ist zu hart ausgedrückt. Aber es ist schon erstaunlich, dass Du die unterschiedliche Definition von Lüge zwischen Robert und Berolinensis so einfach wegwischst.
Sempre hat geschrieben:Ich sehe nicht, inwiefern der von Dir genannte Unterschied zwischen Augustinus und Thomas dabei eine Rolle spielte.
Nun heraus mit der Sprache! Verurteile die Aussagen des einen oder des anderen. Es gibt nur eine Wahrheit und diese bekenne! Das Relativieren der Wahrheit gründet im Vater der Lüge. Stimmst Du Thomas zu, so widersprichst Du Dir selbst. Stimmst Du Augustinus zu, dann widersprichst Du Thomas und der neueren Moraltheologie. Das wäre nicht konsequent.

Re: Lügen - wann erlaubt?... Widerspruch zum Katechismus?

Verfasst: Samstag 16. April 2011, 00:46
von Robert Ketelhohn
Kirchenjahr hat geschrieben:Eine sehr schöne Ikone!
(Das ist das Apsismosaik der Kathedrale von Cefalù.)[/size]

Re: Lügen - wann erlaubt?... Widerspruch zum Katechismus?

Verfasst: Samstag 16. April 2011, 01:01
von Sempre
Kirchenjahr hat geschrieben:Ok, Streit ist zu hart ausgedrückt. Aber es ist schon erstaunlich, dass Du die unterschiedliche Definition von Lüge zwischen Robert und Berolinensis so einfach wegwischst.
Mir ist nicht in Erinnerung, dass die beiden Definitionen vorgelegt hätten. Beziehst Du Dich vielleicht auf ältere Beiträge aus anderen Strängen?


Kirchenjahr hat geschrieben:Nun heraus mit der Sprache! Verurteile die Aussagen des einen oder des anderen. Es gibt nur eine Wahrheit und diese bekenne! Das Relativieren der Wahrheit gründet im Vater der Lüge. Stimmst Du Thomas zu, so widersprichst Du Dir selbst. Stimmst Du Augustinus zu, dann widersprichst Du Thomas und der neueren Moraltheologie. Das wäre nicht konsequent.
Du gehst von falschen Vorstellungen aus. Man könne Lüge nur dann vermeiden, wenn man die ganze Wahrheit restlos und fehlerfrei erfasst habe. Man müsse die objektive Wahrheit restlos und fehlerfrei erfasst haben und Provokateuren ihre hinterlistigen Fragen beantworten.

Wenn St. Augustin den Willen, zu täuschen, und St. Thomas bereits den Willen, etwas Falsches zu sagen, als für die Lüge wesentlich ansieht, und sonst irgendjemand aus welchen ehrlichen Gründen auch immer dem einen oder anderen zustimmt, dann lügt noch lange nicht auch nur einer von den Dreien.

Gruß
Sempre

Re: Lügen - wann erlaubt?... Widerspruch zum Katechismus?

Verfasst: Samstag 16. April 2011, 13:36
von ad-fontes
Kai hat geschrieben:Nun, laut KKK 2484 ist die Lüge an sich nur eine lässliche Sünde.
Inwiefern?

Re: Lügen - wann erlaubt?... Widerspruch zum Katechismus?

Verfasst: Sonntag 17. April 2011, 23:11
von Kai
Nix "inwiefern", sondern "an sich", es steht genau so drin:
KKK 2484 hat geschrieben:[...] Die Lüge ist an sich nur eine lässliche Sünde, [...]

Re: Lügen - wann erlaubt?... Widerspruch zum Katechismus?

Verfasst: Sonntag 17. April 2011, 23:23
von anneke6
Hier wird wohl von einer einfachen Lüge ohne ernste Konsequenzen ausgegangen. Wenn jemand mit einer Lüge in Kauf nimmt oder beabsichtigt, daß zum Beispiel ein Mensch schwer geschädigt wird oder gar zu Tode kommt, sieht die Sache wohl anders aus.
Vermeiden muß man aber auch die sog. läßlichen Sünden, denn auch sie schaden uns, unseren Mitmenschen und kränken den Herrn.

Re: Lügen - wann erlaubt?... Widerspruch zum Katechismus?

Verfasst: Montag 18. April 2011, 00:17
von Kai
anneke6 hat geschrieben:Hier wird wohl von einer einfachen Lüge ohne ernste Konsequenzen ausgegangen. Wenn jemand mit einer Lüge in Kauf nimmt oder beabsichtigt, daß zum Beispiel ein Mensch schwer geschädigt wird oder gar zu Tode kommt, sieht die Sache wohl anders aus.
Die Aussage des KKK betrifft die Lüge an sich. An sich.

Was du aufzählst, steht sinngemäß in der Weiterführung des obigen Zitats.

In unserem Fall ging es doch aber um das genaue Gegenteil dessen was du nennst, nämlich zu verhindern, dass - wie du dich ausdrückst - ein Mensch schwer geschädigt wird oder gar zu Tode kommt.

Somit ist die an sich schon lässliche Sünde der Lüge in unserem Fall dann wohl sehr lässlich.

Dass auch lässliche Sünden gemieden werden sollen, steht außer Frage. Nach längerem Durchdenken sehe ich übrigens auch mittlerweile die Position des Unterkeinenumständenlügens anders als vor dieser Diskussion. Ich bin da nachdenklich geworden und verstehe langsam die Problematik. Der Knackpunkt für mich war übrigens, dass ich bislang davon ausging, dass es Situationen geben kann, in denen nur eine Sünde möglich ist, also sündenlose Handlungsalternativen fehlen. Inzwischen sehe ich das anders und damit auch die Gefahr in dem relativ bequemen Lügenausweg. Trotzdem denke ich, dass ich in einer entsprechenden Situation wohl doch lügen würde, wenn es Aussicht auf Erfolg (also Abwendung der Lebensgefahr) verspräche, denn ich bin kein Supermann.

Dass diese Lüge dann aber auch nur eine lässliche Sünde wär, wollte ich doch mal festhalten. Bei allem Reden darüber, dass die Lüge in sich schlecht ist, sollte auch erwähnt werden, dass es sich gleichwohl nur um eine lässliche Sünde handelt.

Re: Lügen - wann erlaubt?... Widerspruch zum Katechismus?

Verfasst: Montag 18. April 2011, 00:32
von anneke6
Auch ich meine, durch die Diskussion dazu gelernt zu haben. Ich war mal in einer Situation wo jemand mich bat, für ihn zu lügen, weil er meinte, es würde ihm helfen (sinngemäß: sonst werde ich geschieden), und ich habe mir damals eingeredet, es wäre ja für einen guten Zweck. Aber mittlerweile weiß ich, daß ich komplett auf dem Holzweg war.

Re: Lügen - wann erlaubt?... Widerspruch zum Katechismus?

Verfasst: Montag 18. April 2011, 08:39
von Peti
Kai hat geschrieben:
Dass auch lässliche Sünden gemieden werden sollen, steht außer Frage.
Darauf weist auch unser Papst Benedikt XVI hin:

"Dass man sich mal am Telefon verleugnen lassen will, ist etwas Verständliches. Man sollte da allerdings sehr wachsam gegen sich selber sein, denn wenn man diese kleine Tür auftut, rutscht man sehr schnell weiter fort. Ich würde jetzt aber so einen Versuch, sich selber zu schützen – weil ich ihn auch gebrauche – , nicht gleich verdammen wollen“
http://www.focus.de/magazin/archiv/bene ... 1252.html

Re: Lügen - wann erlaubt?... Widerspruch zum Katechismus?

Verfasst: Montag 18. April 2011, 11:53
von anneke6
Sekretär: "Kardinal Dziwisz am Telefon…"
Papst: "Ich bin nicht da…!"

Wenn früher meine Eltern von mir so einen "Hilfsdienst" wollten, habe ich mir die Augen zugehalten und gesagt: "Ich kann Papa nirgendwo sehen…Mama auch nicht."

Re: Lügen - wann erlaubt?... Widerspruch zum Katechismus?

Verfasst: Montag 18. April 2011, 12:55
von Marion
KKK
1857 Damit eine Tat eine Todsünde ist, müssen gleichzeitig drei Bedingungen erfüllt sein: „Eine Todsünde ist jene Sünde, die eine schwerwiegende Materie zum Gegenstand hat und die dazu mit vollem Bewußtsein und bedachter Zustimmung begangen wird" (RP 17).



1858 Was eine schwerwiegende Materie ist, wird durch die zehn Gebote erläutert, entsprechend der Antwort Jesu an den reichen Jüngling: „Du sollst nicht töten, du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht falsch aussagen ... ehre deinen Vater und deine Mutter"
Nach diesem Teil im KKK müsste eigentlich eine Lüge, mit vollem Bewusstsein und bedachter Zustimmung eine Todsünde sein.

Re: Lügen - wann erlaubt?... Widerspruch zum Katechismus?

Verfasst: Montag 18. April 2011, 13:39
von Kai
Dass du das gerne so hättest, Marion, glaube ich dir unbesehen; und du hast ja auch fleißig gesucht und in der Tat, man könnte zu dem Schluss kommen.

Allein, in KKK 2484 steht was anderes:
"Die Lüge ist an sich nur eine läßliche Sünde, wird jedoch zu einer Todsünde, wenn sie gegen die Tugenden der Gerechtigkeit und der Liebe schwer verstößt."
Das sind recht klare Worte, nicht?

Re: Lügen - wann erlaubt?... Widerspruch zum Katechismus?

Verfasst: Montag 18. April 2011, 13:45
von Petra
Kai hat geschrieben:Dass du das gerne so hättest, Marion, glaube ich dir unbesehen; und du hast ja auch fleißig gesucht und in der Tat, man könnte zu dem Schluss kommen.

Allein, in KKK 2484 steht was anderes:
"Die Lüge ist an sich nur eine läßliche Sünde, wird jedoch zu einer Todsünde, wenn sie gegen die Tugenden der Gerechtigkeit und der Liebe schwer verstößt."
Das sind recht klare Worte, nicht?
Das wird nicht zur Kenntnis genommen. Solche Zitate aus dem KKK wurden hier schon gebracht und keiner der "Lügen ist der Todsünden die schlimmste einer-Verfechter" wird das akzeptieren. :achselzuck:

Wie soll man ein vernünftiges Gespräch erwarten von Leuten, die ernsthaft behaupten, man dürfe eher töten als lügen?

Re: Lügen - wann erlaubt?... Widerspruch zum Katechismus?

Verfasst: Montag 18. April 2011, 13:58
von Kai
Petra hat geschrieben:Wie soll man ein vernünftiges Gespräch erwarten von Leuten, die ernsthaft behaupten, man dürfe eher töten als lügen?
Da muss ich denjenigen (Sempre war's, mein ich) jetzt aber doch verteidigen. Er sagte, dass die Lüge in sich schlecht sei, das Töten jedoch nicht. Das ist moraltheologisch schon korrekt.

Bloß wird man wohl feststellen dürfen, dass lügen, gleichwohl es immer eine Sünde ist, eher lässlich ist, töten jedoch entweder gar keine Sünde (z.B. Notwehr) oder aber eine schwere Todsünde.

Also kann eine Tat, die nicht in sich schlecht ist, durchaus schlimmer sein, als eine Tat, die in sich schlecht ist.

Re: Lügen - wann erlaubt?... Widerspruch zum Katechismus?

Verfasst: Montag 18. April 2011, 14:01
von Marion
Es ist nicht so, daß ich irgendetwas haben will.
Ich will nur wissen was wahr ist, was die Kirche dazu lehrt.

Was ne Todsünde ist wird im KKK ja erklärt. Wenn man sich also bewusst und wissend gegen ein Gebot entscheidet (was in unserem Lebensrettaktionsbeispiel hier wohl unbestritten ist, wenn es in der Zukunft stattfindet) sind nun mal schon 2 der 3 Punkten die ne todsünde ausmachen gegeben.
Nun ob Lügen eine schwere Materie ist, wird im KKK nun einmal mit klarem ja beantwortet und ein ander mal mit indirektem nein.

Was da nun stimmt weiß ich nicht. Im römischen Katechismus z.B. finde ich gar nichts dazu, außer daß es schwerwiegendere Lügen gibt. Aber nicht den Sprung von lässlicher Sünde zu Todsünde.

Re: Lügen - wann erlaubt?... Widerspruch zum Katechismus?

Verfasst: Montag 18. April 2011, 14:02
von Petra
Kai hat geschrieben:Da muss ich denjenigen (Sempre war's, mein ich) jetzt aber doch verteidigen. Er sagte, dass die Lüge in sich schlecht sei, das Töten jedoch nicht. Das ist moraltheologisch schon korrekt.

Bloß wird man wohl feststellen dürfen, dass lügen, gleichwohl es immer eine Sünde ist, eher lässlich ist, töten jedoch entweder gar keine Sünde (z.B. Notwehr) oder aber eine schwere Todsünde.
Nun, es gibt töten und töten und auch lügen und lügen. Es geht darum, was in einer bestimmten Situation gottgefälliger ist. Und da kann man nicht unterschiedslos immer das Töten über das Lügen stellen.

Re: Lügen - wann erlaubt?... Widerspruch zum Katechismus?

Verfasst: Montag 18. April 2011, 14:06
von Petra
Marion hat geschrieben:Es ist nicht so, daß ich irgendetwas haben will.
Ich will nur wissen was wahr ist, was die Kirche dazu lehrt.

Was ne Todsünde ist wird im KKK ja erklärt. Wenn man sich also bewusst und wissend gegen ein Gebot entscheidet (was in unserem Lebensrettaktionsbeispiel hier wohl unbestritten ist, wenn es in der Zukunft stattfindet) sind nun mal schon 2 der 3 Punkten die ne todsünde ausmachen gegeben.
Nun ob Lügen eine schwere Materie ist, wird im KKK nun einmal mit klarem ja beantwortet und ein ander mal mit indirektem nein.

Was da nun stimmt weiß ich nicht. Im römischen Katechismus z.B. finde ich gar nichts dazu.
Falls Du jemals in eine sehr schwierige Situation geraten solltest, denn nur da stellt sich die Frage.
Bis dahin (was hoffentlich nie eintritt) kannst Du ja das Lügen verweigern.

Re: Lügen - wann erlaubt?... Widerspruch zum Katechismus?

Verfasst: Montag 18. April 2011, 14:16
von Marion
Petra hat geschrieben:Falls Du jemals in eine sehr schwierige Situation geraten solltest, denn nur da stellt sich die Frage.
Du siehst ja an diesem Strang, daß die Frage sich auch so stellt. Es gibt Leute die wollen wirklich wissen, was zu tun ist, falls solch eine Prüfung auf einen zu kommt. Und das ist auch gut so. Man kann sich nicht rausreden durch Unwissen, wenn man es hätte erwerben können. Obwohl es stimmt, daß Unwissen (allerdings nicht selbstverschuldetes) einen vor Todsünden bewahrt.

Re: Lügen - wann erlaubt?... Widerspruch zum Katechismus?

Verfasst: Dienstag 19. April 2011, 09:13
von Robert Ketelhohn
Petra hat geschrieben:Wie soll man ein vernünftiges Gespräch erwarten von Leuten, die ernsthaft behaupten, man dürfe eher töten als lügen?
Sag mal, was soll denn jetzt dieser Satz schon wieder? Der noch dazu in seiner Suggestivität Augsteins Nachfolgern (unter derentgleichen) zur Ehre gereichte? Hast du nicht gelesen, was all die Seiten zuvor immer wieder mühsam erläutert wurde? Was kurz vor dir Kai einräumte?

Petra, jetzt benutze ich ausnahmsweise einmal ein Autoritätsargument: Es ist seit je die klare und beständige Lehre der Kirche, daß die Tötung eines Menschen durch gewisse Umstände (z. B. ungerechter Angriff) gerechtfertigt sein kann, also nicht von vornherein eine in sich schlechte Handlung ist; daß dagegen die Lüge als nicht gegen einen Menschen, sondern gegen die Wahrheit selbst gerichtet, in sich schlecht und immer unerlaubt ist.

Abgesehen davon tragen persönliche Angriffe gegen den Diskussionsgegner nicht zu einem gedeihlichen Gespräch bei.

Re: Lügen - wann erlaubt?... Widerspruch zum Katechismus?

Verfasst: Dienstag 19. April 2011, 09:19
von anneke6
Aber warum soll sich am Telefon verleugnen lassen erlaubt sein, richtet sich doch auch gegen die Wahrheit…?!

Re: Lügen - wann erlaubt?... Widerspruch zum Katechismus?

Verfasst: Dienstag 19. April 2011, 09:21
von Robert Ketelhohn
Marion hat geschrieben:Nun ob Lügen eine schwere Materie ist, wird im KKK nun einmal mit klarem ja beantwortet
Nein. Das steht da nur bzgl. des achten Gebots (für Orthodoxe, Reformierte, Anglikaner: neunten Gebots), nicht bzgl. der Lüge selbst. Ferner wird nicht einmal dies wirklich klar bejaht (es handelt sich m. E. um einen eher unklaren Verweis, der detaillierte Distinktionen keineswegs überflüssig macht).

Re: Lügen - wann erlaubt?... Widerspruch zum Katechismus?

Verfasst: Dienstag 19. April 2011, 09:23
von Robert Ketelhohn
Petra hat geschrieben:Nun, es gibt töten und töten und auch lügen und lügen. Es geht darum, was in einer bestimmten Situation gottgefälliger ist. Und da kann man nicht unterschiedslos immer das Töten über das Lügen stellen.
Gegen welchen selbstgestrickten Popanz schreibst du hier eigentlich an? (Die Aussage ist so neben der Spur, daß mir keine Antwort einfällt, außer vielleicht der Frage, ob wir schon wieder Vollmond haben.)

Re: Lügen - wann erlaubt?... Widerspruch zum Katechismus?

Verfasst: Dienstag 19. April 2011, 09:24
von Clemens
Robert, dein Argument funktioniert nur, wenn man die (m.E. falsche) Gleichsetzung von Wahrheit mit sachlich richtiger Tatsachenbeschreibung vornimmt. Das entspricht aber nicht ganz dem biblischen Wahrheitsbegriff.
Auf meine diesbezügliche Kritik hast du aber m.W. immer noch keine befriedigende Antwort gegeben.

Re: Lügen - wann erlaubt?... Widerspruch zum Katechismus?

Verfasst: Mittwoch 20. April 2011, 13:58
von Raphael
Clemens hat geschrieben:Robert, dein Argument funktioniert nur, wenn man die (m.E. falsche) Gleichsetzung von Wahrheit mit sachlich richtiger Tatsachenbeschreibung vornimmt. Das entspricht aber nicht ganz dem biblischen Wahrheitsbegriff.
Auf meine diesbezügliche Kritik hast du aber m.W. immer noch keine befriedigende Antwort gegeben.
Was soll denn jetzt heißen "entspricht nicht ganz dem biblischen Wahrheitsbegriff"? :hmm:

Ich lese in der Hl. Schrift viele Erzählungen mit sachlich richtiger Tatsachenbeschreibung!

Welches ist denn Deiner Meinung der "biblische Wahrheitsbegriff" im Gegensatz zu einer sachlich richtigen Tatsachenbeschreibung?

Re: Lügen - wann erlaubt?... Widerspruch zum Katechismus?

Verfasst: Mittwoch 20. April 2011, 14:39
von Clemens
Wahrheit (Ähmät) ist etwa gleichbedeutend mit Treue und Gerechtigkeitsliebe.
Wahrheit ist eine Wesenseigenschaft Gottes und kein abstrakt-philosophischer Begriff.
Das 8. Gebot gibt den biblischen Wahrheitsbegriff schön wieder.
Wahrheit ist nicht abstrakt, sondern "bewahrheitet"/realisiert sich in der personalen Beziehung.

Das ist viel weiter und umfassender als eine "sachlich richtige Tatsachenbeschreibung".

Wahr sind z.B. auch die Geschichten von der Schöpfung oder von Jona oder Hiob, obwohl sie nicht im historischen Sinne so stattgefunden haben.

Wahr ist der Satz: "du bist die schönste Frau der Welt", auch wenn er objektiv kaum zutreffen dürfte.

Re: Lügen - wann erlaubt?... Widerspruch zum Katechismus?

Verfasst: Mittwoch 20. April 2011, 15:24
von Raphael
Clemens hat geschrieben:Wahrheit (Ähmät) ist etwa gleichbedeutend mit Treue und Gerechtigkeitsliebe.

Der Begriff "Wahrheit" muß aber doch schon eine etwas andere und damit eigene Bedeutung haben, denn sonst könnte man ja die Begriffe auch synonym verwenden.
Clemens hat geschrieben:Wahrheit ist eine Wesenseigenschaft Gottes und kein abstrakt-philosophischer Begriff.
Auch wenn die Wahrheit eine Wesenseigenschaft Gottes ist (Johannes 14, 6), bleibt sie zugleich ein abstrakt-philosophischer Begriff.
Clemens hat geschrieben:Das 8. Gebot gibt den biblischen Wahrheitsbegriff schön wieder.
Da hängt ja zunächst einmal davon ab, welche Variante des 8. Gebots man nimmt!

In der Kurzform heißt es "Du sollst nicht lügen!", in einer anderen Variante "Du sollst nicht falsches Zeugnis geben wider Deinen Nächsten!"
Letztere Form kann man nun personaler als die erstere verstehen, aber letztlich soll auch dort nichts gesagt/beschrieben werden, was nicht den Tatsachen entspricht.
Clemens hat geschrieben:Wahrheit ist nicht abstrakt, sondern "bewahrheitet"/realisiert sich in der personalen Beziehung.
In einer relationalen Ontologie realisiert sich Wahrheit auch in einer personalen Beziehung. Aber nicht alles was ist, ist auch Person. Deshalb ist doch Wahrheit auch in nichtpersonalen Relationen vonnöten, oder?
Clemens hat geschrieben:Das ist viel weiter und umfassender als eine "sachlich richtige Tatsachenbeschreibung".
Das dies einen wichtigen Aspekt des Begriffes "Wahrheit" wiedergibt, würdest Du aber zugestehen?
Clemens hat geschrieben:Wahr sind z.B. auch die Geschichten von der Schöpfung oder von Jona oder Hiob, obwohl sie nicht im historischen Sinne so stattgefunden haben.
Die Hl. Schrift besteht ja auch nicht nur aus korrekten Tatsachenbeschreibungen, sondern enthält auch andere lehrende und belehrende Elemente.
Clemens hat geschrieben:Wahr ist der Satz: "du bist die schönste Frau der Welt", auch wenn er objektiv kaum zutreffen dürfte.
Ob dieser Satz wahr ist, hängt wohl auch mit der Motivation dessen zusammen, der diesen Satz ausspricht. :roll:

Re: Lügen - wann erlaubt?... Widerspruch zum Katechismus?

Verfasst: Mittwoch 20. April 2011, 15:57
von Clemens
Raphael hat geschrieben:
Clemens hat geschrieben:Wahrheit (Ähmät) ist etwa gleichbedeutend mit Treue und Gerechtigkeitsliebe.

1 Der Begriff "Wahrheit" muß aber doch schon eine etwas andere und damit eigene Bedeutung haben, denn sonst könnte man ja die Begriffe auch synonym verwenden.
Clemens hat geschrieben:Wahrheit ist eine Wesenseigenschaft Gottes und kein abstrakt-philosophischer Begriff.
2 Auch wenn die Wahrheit eine Wesenseigenschaft Gottes ist (Johannes 14, 6), bleibt sie zugleich ein abstrakt-philosophischer Begriff.
Clemens hat geschrieben:Das 8. Gebot gibt den biblischen Wahrheitsbegriff schön wieder.
3 Da hängt ja zunächst einmal davon ab, welche Variante des 8. Gebots man nimmt!

In der Kurzform heißt es "Du sollst nicht lügen!", in einer anderen Variante "Du sollst nicht falsches Zeugnis geben wider Deinen Nächsten!"
Letztere Form kann man nun personaler als die erstere verstehen, aber letztlich soll auch dort nichts gesagt/beschrieben werden, was nicht den Tatsachen entspricht.
Clemens hat geschrieben:Wahrheit ist nicht abstrakt, sondern "bewahrheitet"/realisiert sich in der personalen Beziehung.
4 In einer relationalen Ontologie realisiert sich Wahrheit auch in einer personalen Beziehung. Aber nicht alles was ist, ist auch Person. Deshalb ist doch Wahrheit auch in nichtpersonalen Relationen vonnöten, oder?
Clemens hat geschrieben:Das ist viel weiter und umfassender als eine "sachlich richtige Tatsachenbeschreibung".
5 Das dies einen wichtigen Aspekt des Begriffes "Wahrheit" wiedergibt, würdest Du aber zugestehen?
Clemens hat geschrieben:Wahr sind z.B. auch die Geschichten von der Schöpfung oder von Jona oder Hiob, obwohl sie nicht im historischen Sinne so stattgefunden haben.
6 Die Hl. Schrift besteht ja auch nicht nur aus korrekten Tatsachenbeschreibungen, sondern enthält auch andere lehrende und belehrende Elemente.
Clemens hat geschrieben:Wahr ist der Satz: "du bist die schönste Frau der Welt", auch wenn er objektiv kaum zutreffen dürfte.
7 Ob dieser Satz wahr ist, hängt wohl auch mit der Motivation dessen zusammen, der diesen Satz ausspricht. :roll:
zu 1. Natürlich, ich habe mich unglückllich ausgedrückt. Ich wollte sagen: diese Begriffe gehören imhebräischen Denken ganz eng zueinander (enger, als im griechischen).

zu 2. Was ist "Wahrheit" an sich? Ich behaupte mal ganz kühn, eine solche gibt es im biblischen Denken abseits personaler Bezüge eigentlich gar nicht. Allenfalls zutreffende Tatsachenbeschreibungen. Aber das ist keine Wahrheit, sondern nur Richtigkeit.

zu 3. Stehen bei dir in Ex. 20 verschiedene Varianten? Ich kenne die Kurzform nicht. Vgl. auch Ex.23,1, Dtn.19,18f.!

zu 4. Was meinst du damit? Wie könnte das bspw. konkret aussehen?

zu 5. Wo nach einer solchen gefragt ist, natürlich!
Damit man mich nicht missversteht: ich verteidige die Notlüge nur als extremen Notfall, wenn die Richtigkeit nicht der Wahrheit dient. Im allgemeinen bin ich selbstverständlich FÜR wahrheitsgemäße Angaben!

zu 6. Freilich. Aber wenn biblische Geschichten, wie die Jona-Erzählung, dem Stil nach eine Begebenheit berichten, von der wir aber doch allen Grund haben, anzunehmen, dass sie SO nicht stattfand, dann stehen die griechischen Wahrheitsphilosophen vor der schwierigen Frage, ob die Bibel lügt, oder wie sie das erklären sollen. Der hebräisch Denkende hat´s da nicht so schwer.

zu 7. Mein ich ja. Du hast übrigens soeben zugegeben, dass es von der Intention abhängen kann, ob eine unzutreffende Tatsachenbehauptung trotzdem wahr sein kann!

Re: Lügen - wann erlaubt?... Widerspruch zum Katechismus?

Verfasst: Mittwoch 20. April 2011, 17:38
von Raphael
Lieber Clemens,
Clemens hat geschrieben:zu 1. Natürlich, ich habe mich unglückllich ausgedrückt. Ich wollte sagen: diese Begriffe gehören imhebräischen Denken ganz eng zueinander (enger, als im griechischen).

zu 2. Was ist "Wahrheit" an sich? Ich behaupte mal ganz kühn, eine solche gibt es im biblischen Denken abseits personaler Bezüge eigentlich gar nicht. Allenfalls zutreffende Tatsachenbeschreibungen. Aber das ist keine Wahrheit, sondern nur Richtigkeit.

zu 3. Stehen bei dir in Ex. 20 verschiedene Varianten? Ich kenne die Kurzform nicht. Vgl. auch Ex.23,1, Dtn.19,18f.!

zu 4. Was meinst du damit? Wie könnte das bspw. konkret aussehen?

zu 5. Wo nach einer solchen gefragt ist, natürlich!
Damit man mich nicht missversteht: ich verteidige die Notlüge nur als extremen Notfall, wenn die Richtigkeit nicht der Wahrheit dient. Im allgemeinen bin ich selbstverständlich FÜR wahrheitsgemäße Angaben!

zu 6. Freilich. Aber wenn biblische Geschichten, wie die Jona-Erzählung, dem Stil nach eine Begebenheit berichten, von der wir aber doch allen Grund haben, anzunehmen, dass sie SO nicht stattfand, dann stehen die griechischen Wahrheitsphilosophen vor der schwierigen Frage, ob die Bibel lügt, oder wie sie das erklären sollen. Der hebräisch Denkende hat´s da nicht so schwer.

zu 7. Mein ich ja. Du hast übrigens soeben zugegeben, dass es von der Intention abhängen kann, ob eine unzutreffende Tatsachenbehauptung trotzdem wahr sein kann!
mir scheint, daß Du immer noch auf dem protestantischen Enthellenisierungstrip bist, der schon an einem anderen Ort als nicht zielführend (präziser: als Sündenfall) dargestellt worden ist.

Zu Deiner letzten Anmerkung:
Selbstverständlich ist im christlichen Denken Wahrheit und Person eng miteinander verknüpft, ja sie fällt in der Person Jesus Christus sogar ineinander.
Aber deswegen habe ich doch noch lange nicht zugegeben, daß unzutreffende Tatsachenbehauptungen wahr sein können. Welch abstruse Idee! :/

Es stellt sich doch zunächst die Frage, ob es sich bei der Hiob- oder Jonas-Geschichte, um Deine Beispiele aufzunehmen, überhaupt um Tatsachenbehauptungen handelte.
Mir erscheinen sie eher als Geschichten, in denen existentielle Erfahrungen des Menschen in Worte gekleidet wurden, um sie dann anderen Menschen mitzuteilen und damit verständlich machen zu können.

Re: Lügen - wann erlaubt?... Widerspruch zum Katechismus?

Verfasst: Mittwoch 20. April 2011, 18:33
von Kirchenjahr
Rechenfehler und unrichtige Tatsachenbeschreibungen sind sowohl im alten als auch im neuen Testament zu finden. Und wer das Wort Gottes getreu verkündet und wiedergibt, macht sich noch lange nicht des achten Gebots schuldig. Auch wenn der hl. Thomas etwas anderes behauptet, die Lüge beinhaltet wesentlich eine Täuschungsabsicht. Von daher sind hellenistischer und hebräischer Wahrheitsbegriff durchaus kompatibel. Die Wahrheit der Offenbarung ist umfassend, die Wahrheit der Philosophie unvollkommenes Bruchstück in Platons Höhle.

Re: Lügen - wann erlaubt?... Widerspruch zum Katechismus?

Verfasst: Mittwoch 20. April 2011, 20:41
von Marion
Clemens hat geschrieben:Wahr ist der Satz: "du bist die schönste Frau der Welt", auch wenn er objektiv kaum zutreffen dürfte.
Wenn du der Meinung bist, daß das objektiv nicht zutrifft, dann ist dieser Satz selbstverständlich eine dreiste Lüge.

Völlig unabhängig von jeglicher Motivation oder Intention.

Re: Lügen - wann erlaubt?... Widerspruch zum Katechismus?

Verfasst: Mittwoch 20. April 2011, 21:16
von holzi
Was soll man als christlicher Ehemann denn auf die Frage seiner Frau: "Scha-hatz, findest Du, daß ich dick geworden bin?" sagen, ohne entweder lügen oder den ehelichen Frieden gefährden zu wollen? :hmm:

Re: Lügen - wann erlaubt?... Widerspruch zum Katechismus?

Verfasst: Mittwoch 20. April 2011, 22:02
von Kirchenjahr
holzi hat geschrieben:Was soll man als christlicher Ehemann denn auf die Frage seiner Frau: "Scha-hatz, findest Du, daß ich dick geworden bin?" sagen, ohne entweder lügen oder den ehelichen Frieden gefährden zu wollen? :hmm:
Geht es hier um Moraltheologie oder Psychologie? Eine Antwort könnte lauten "Ich liebe Dich, so wie Du bist."