cantus planus hat geschrieben:Mir sagte ein Anglikaner, dass man diese Gruppe ziemlich gut mit unserer FSSPX vergleichen könnte: sowohl was die religiösen, als auch die politischen Ansichten beträfe. Auch das Zahlenverhältnis stimmt wohl ungefähr.
Der Vegleich hinkt in mehrerer Hinsicht.
Zahlenmäßig haut es vielelicht noch am ehesten hin: Die TAC, die sich in der Tat von den Anglikanern abgespalten hat, umfasst etwa 500 Gemeinden. Einige bilden zusammenhängende Diözesen unter einem eigen Bischof oder sogar Erzbischof, andere sind Einzelerscheinungen.
Sie sind weder in der Lehre und erst recht nicht in der Liturgie so einheitlich wie die FSSPX. Sie sind sich einig in der Ablehnung der schlimmsten Verwilderungserscheinungen wie Homo-Ehe oder offen homosexuellen Klerus. Sie feiern eine betont würdige Liturgie - in England meistens nach dem Novus Ordo, anderswo nach allen möglichen latein- oder englischsprachigen Büchern der letzten 500 Jahre. Sie lehnen die Frauenordination zwar mehrheitlich, aber nicht grundsätzlich ab. Es gibt auch "Priesterinnen" in ihren Reihen - einige davon sind bereits katholisch geworden und entweder in ein Kloster gegangen oder haben ein nicht-priesterliches Apostolatat übernommen.
Diese Gruppe bzw. ihre Bischöfe (die meisten dürften gültig geweiht sein) hat den '"Aufnahmeantrag" in Rom gestellt und mit einer Unterschriftserklärtung zum KKK bekräftigt.
"Forward in Faith" ist quasi ein Antipode zu "Wir sind Kirche" hierzulande. Das ist ein lockerer Verein von Klerikern und Laien
innerhalb der anglikanischen Kirche, die im Prinzip genauso ticken wie die TAC-Leute, aber auf eine offene Abspaltung verzichtet haben. Ihre Zahl ist wesentlich größer als die der TAC, und sie sind auch noch etwas heterogener. Viele von ihnen sind höchst interessiert an dem neuen Angebot - wieviele es annehmen werden, ist heute absolut nicht zu sagen.
Dann gibt es in England eine große Zahl von anglikanischen Pfarreien (ein Teil ihrer Pfarrer und Gläubigen ist in FIF Mitglied, andere nicht), die entweder jede Fauenordination ablehnen oder die zumindest keine Frau als Bischöfin akzeptieren wollen. Für sie hat die Kirche von England vor Jahren das Institut der "Flying Bishops" eingerichtet - so eine Art überdiözesane Weihbischöfe - die überall dort eingesetzt werden, wo Bischöfinnen nicht willkommen sind.
Nun haben aber die emanzipierteren unter den Bischöfinnen mitgekriegt, daß die Flying Bishops der Fülle ihrer Lehr- und Leitungsgewalt Abbruch tun und überdies unerträgliche Diskrimierung des weiblichen Geschlechts praktizieren. Sie haben daher in diesem Sommer auf irgend einer wichtigen Synode (Lambeth?) durchgesetzt, daß diese Regelung eingeschränkt wird. Damit stehen zahlreiche Gemeinden vor der Wahl, entweder doch in die saure Bischöfin zu beißen (ich stell mir das gerade bildlich vor) - oder katholisch zu werden (was viele mindestens ebenso sauer ankommt).
Dazu kommen noch die zahlreichen Anglo-Catholics (Individuen und Gemeinden), die - bisher begünstigt auch durch die relativ starke Gemeindeautonomie) sich von den Auseinandersetzungen fern gehalten haben und in vielen Dingen nahe an der katholischen Lehre stehen - Zustimmung zum Papstamt ausgenommen. Die sind in sich sehr heterogen, und ein geflügeltes Wort sagt, daß bei den Anglo-Catholics die schwulsten Priester die feierlichtsten Liturgien haben. Was nicht heißt, daß sie auch die Homo-Ehe befürworten - da sind sie eigen. A mixed bag, at last.
Soweit zu England. In Nordamerika ist es genauso, nur anders - wenn Ihr versteht, was ich meine.
Außerdem gibt es da noch die Anglicans of the Southern Cone. Das sind die Primaten Afrikas, Südamerikas und Südostasien, die sich vor allem in der Ablehnung des Lehr- und Werterelativismus des Mainstream einig sind und sich immer stärker von Canterbury abspalten. Die Abspaltung ist noch nicht ganz vollzogen, aber schon 95%.
In USA finden erbitterte Auseinandersetzungen statt zwischen Gemeinden und Diözesen, Diözesen und Primaten, wenn sich die jeweilige Untereinheit einem Bischof/Primaten des Southern Cone unterstellt und dann ihre Kirchen, Pfarrhäuser usw. mitnehmen will - was die Episkopalkirche bisher fast immer auf dem Rechtswege verhindern konnte. Diese "traditionelleren" Anglikaner bauen gerade ihre eigene Kirche, die Anglican Church of Northern America (ACNA) auf Die "liberale" Episcopale Primatin von ECUSA, Frau Katherine Jefferts Schori, hat im Zuge dieser Ausseinandersetzung schon mehrere Bischöfe abgesetzt und ganz mittelalterlich exkommuniziert. Im Prinzip sind die ACNA-Leute papistischer Neigungen unverdächtig - aber da hat der hl. Geist ja auch noch ein Wörtchen mitzureden.
Die große Frage ist, ob ACNA als eigene Teilkirche anerkannt wird (der Southern Cone ist dafür, die Episcopalen strikt dagegen), oder ob Canterbury endgültig in die Luft fliegt, oder ob des in jedem Fall explodiert.
Das heißt für unser Thema: Das Angebot des Papstes reagiert zwar auf die Bitte einer kleinen Gruppe - aber die Auswirkungen werden sich auf einen viel größeren Raum erstrecken. Es kann heute noch niemand sagen, wie groß diese Auswirkungen sein werden.